Tombstone

Review aus The Film Music Journal No. 2, 1994

George P. Cosmatos’ Neuaufwärmung eines besonders in den USA legendären Aufeinandertreffens: Der kurze, aber heftige Kampf beim O.K. Corral in Tombstone zwischen Wyatt Earp, Doc Holiday, den fiesen Clantons und deren Handlangern. Kurt Russell, Val Kilmer, Sam Elliott, Bill Paxton, Powers Boothe, Michael Biehn, Stephen Lang agieren in einem fantastisch fotografierten Film (William A. Fraker). Fast gleichzeitig kamen WYATT EARP und TOMBSTONE in die Kinos. Der Kevin Costner hatte ein Riesenbudget und tat sich nicht zuletzt deswegen schwer, seine Kosten einzuspielen, wohingegen TOMBSTONE locker das Doppelte wieder reinholte.

Bruce Broughtons Affinität zum Westerngenre mag zufällig sein oder nicht, seit seinem hochgelobten SILVERADO (1985) ist er in dem Genre häufiger für Musik angefragt worden. Und wenn er mit Revolver schwingenden Helden und Antihelden zu tun hat, entsteht wenigstens bei mir ungeduldiges Erwarten des neuen Bruce Broughton Scores. Naja, eigentlich ist es bei Broughton immer so, hat er doch mit YOUNG SHERLOCK HOLMES (1985) und dem Score zu Lawrence Kasdans famosem Western massgeblich zu meiner Filmmusikleidenschaft beigetragen.

Doch zunächst machte sich Enttäuschung breit, denn eigentlich sollte Jerry Goldsmith George P. Cosmatos TOMBSTONE (1993) vertonen, beide haben sie an FIRST BLOOD: PART 2 (1985) gwerkelt. Eine Rückkehr Goldsmiths in dieses Genre, das er lange bestens betreut hatte, wäre gewaltig gewesen. Goldsmith empfahl den Machern schliesslich Bruce Broughton – und welch ein Score dieser hier geschrieben hat. TOMBSTONE ist einer der faszinierendsten Westernscores seit SILVERADO. Da ist kaum etwas an Sentimentalität zu hören (dann aber umwerfend: das Thema für Wyatt Earp und seine neu gefundene Liebe Josephine Marcus), gnadenlos pfundige Suspense- und Actionmusik schreiten ohne Rücksicht auf Verluste voran, spannend orchestriert (eine ganze Batterie an Perkussion, wie es sich der Regisseur wünschte, ist prominent eingesetzt). Mundharmonika, Banjo oder sweeping Americana sucht man hier vergebens. Das macht aber nichts, ist TOMBSTONE doch faszinierend genug, um viele der Westernidiome locker hinter sich zu lassen. Dazu kommt ein Abschluss von geradezu überirdischer Schönheit mit einem kurzen, raren Moment zum Durchschnaufen: «Looking at Heaven» – Hühnerhaut. Alles, Douglas Fakes Intrada sei Dank, verpackt in satte 66 Minuten – was will man mehr?

Einmal mehr beweist Bruce Broughton, dass er zum Kreis der Top-Komponisten Hollywoods zählt, auch wenn er die grossen Blockbuster oftmals nicht erhielt. Aber mit Kompositionen wie OLD MAN AND THE SEA (1990), YOUNG SHERLOCK HOLMES oder THE BOY WHO COULD FLY (1986) hat er bei vielen Sammlern längst einen festen Platz im Filmmusikherzen gewonnen.

2006 legte Intrada mit einer Doppel-CD nach.

Phil 1994

 

TOMBSTONE

Bruce Broughton

Intrada

66:13 Min.
18 Tracks