Casper (La-La Land)

Zugegeben, CASPER war nie ein Favorit von mir, weder der Film noch die Musik von James Horner. Und doch, gerade das Jahr 1995 brachte einige Scores mit sich, die bis heute in so mancher James Horner Listen vorne zu finden sind: BRAVEHEART und APOLLO 13 sind unvergessene Musiken. Aus dem gleichen Jahr stammt die feine Filmmusik zum Zeichentrickfilm BALTO, ausserdem komponierte Horner JUMANJI (von dem sich die Fangemeinde längst eine Langfassung wünscht) und JADE, der damals in die Geschichte eingegangen ist, weil Horner dafür ein fast unverschämt hohes Honorar erhielt – gegönnt sei es ihm gewesen! Für BRAVEHEART und APOLLO 13 erhielt er zwei zweifellos nicht unverdiente Oscar-Nominationen – für JADE nicht ;-).

Der Film vom damals 30 Jahre jungen Brad Silberling (er ersetzte Alex Proyas – THE CROW), zu jener Zeit erst im TV tätig gewesen (DOOGIE HOWSER M.D., L.A. LAW), wurde von Steven Spielberg als Executive Producer betreut. Michael Kahn (Spielbergs Haus-und-Hof-Cutter) schnitt den Film, während JURASSIC PARK Zauberer Dennis Murren für die Spezialeffekte besorgt war. Spielberg stellte mit JURASSIC PARK 1993 Computereffekte auf ein neues, bis dahin kaum für möglich gehaltenes Niveau, CASPER sollte davon profitieren. Besetzt wurde Silberlings Film mit Christina Ricci (THE ADDAMS FAMILY), Bill Pullman (frisch vom Hit WHILE YOU WERE SLEEPING), Monty Python Mitglied Eric Idle und Cathy Moriarty als Fieslinge. Mit 100 Mio. $ in den USA blieb der Film zwar hinter den Erwartungen zurück, doch Europa und der Rest der Welt sah es wieder einmal anders und steuerte fast 290 Mio. $ zum Einspielergebnis bei. Man achte übrigens im Film auf ein paar nette Cameos von Dan Aykroyd, Mel Gibson und Clint Eastwood.

Vorhang auf für James Horner! Die damals erschienene MCA CD wurde mit satten 73 Minuten Musik inklusive zweier Songs ausgestattet und als Höralbum von Horner und Shawn Murphy konzipiert, womit es sich von dem «expanded Soundtrack», den La-La Land soeben als 35th Anniversary Edition veröffentlichte, unterscheidet. Insgesamt finden sich fünf neue Stücke und deren sechs mit teilweise nicht veröffentlichter Musik in den 72 Minuten des neuen Albums. Davon abgesehen unterscheidet sich CD 1 durch die filmtreuere, chronologische Wiedergabe von der 1995er Version und also hört sich das Gebotene anders an. Da die Frage ohnehin stets auftaucht: Ja, die La-La Land Doppel-CD zu kaufen lohnt sich, auch wenn man 1995 bereits zugegriffen hat.

Erstmals zu hören sind die Stücke, die das TV-Thema des Cartoons CASPER THE FRIENDLY GHOST von Mack David und Jerry Livingston enthalten, das Horner in den Score einarbeitete. Diese wurden bei La-La Land jedoch in die «additional music» Ecke verschoben. Das Label hat es vorgezogen, den Score so wiederzugeben, wie er ursprünglich von Horner vorgesehen war – über diese Wahl könnte man vielleicht diskutieren. Somit beginnt die CD mit James Horners eigenem CASPER Thema in «Kids with a Camera».

Wer jetzt auf das vielen am Herz liegende Stück «Casper’s Lullaby» wartet, der dürfte möglicherweise enttäuscht werden. Dieses Stück war ein Konzertstück und in dieser Form nur auf der MCA-Disc zu hören. Doch Kopf hoch, im Filmscore besteht es aus zwei traurig anmutenden Motiven, die für sich alleine oder gemeinsam mehrmals durch die Komposition «geistern» – und wer das «Lullaby» liebt, kann sich ob diesen Arrangements durchaus erfreuen. Es ist ohnehin die bedrückende und emotionale Seite, die den Score eigentlich ausmacht und einen tiefer gehenden Eindruck hinterlässt, auch wenn Horner in CASPER aufgezeigt hat, dass er fulminanten Trickfilmspass beherrschte (man höre sich nur das furios cartoonesque, 10minütige «Descent to Lazarus» an). Horner war stets ein Komponist, der Gefühle wie kaum ein anderer exzeptionell transportieren konnte, davon profitiert auch und besonders CASPER mit seiner Thematik des kleinen Geistes, der so gerne einen Freund hätte und dessen Begegnung mit Kat. Ein weiterer Höhe-, Haupt- und Angelpunkt des Scores ist das wunderbare Thema für Kat und Dr. Harvey (Ricci und Pullman), das erstmals in «On to Whipstaff» zu hören ist.

Auf der leichteren Seite kommen das feine komödiantische Thema für Carrigan und Dibs, geschrieben für Saxophon und da und dort begleitet von Cembalo, Klavier, Tuba oder einer Bassmundharmonika aber auch von den Streichern intoniert («Carrigan & Dibs», «March of the Exorcists») sowie das ähnlich gelagerte, aber temporeichere Motiv für die drei ghosty Onkel, die für so manche Fisimatenten sorgen («First Haunting»).  Filmmusikfans dürften bei Horners Verwendung von Erich-Wolfgang Korngolds THE SEA HAWK in «First Haunting/The Swordfight» ins Schmunzeln kommen. Ein weiteres typisches Horner-Merkmal ist im abschliessenden Track «The Uncles Swing/End Credits» mit dem furiosen, swingigen ersten Teil zu hören.

Das sind die Hauptbestandteile von CASPER in dieser Form, der ein anderes Hörerlebnis als der darauf folgende remastered Original Soundtrack bietet. Wer mit den teils kürzeren Tracks zurechtkommt, wird aber an dem, was Horner für den Film plante und in grossen Teilen ausführen konnte, Freude haben, ausserdem kommt der Score bestens ohne die im Film (und auch auf dem alten Soundtrackalbum) zu hörenden, aufgesetzt wirkenden Songs aus. Und um auf den Beginn dieser Rezension zurückzukommen: CASPER hat einen Sprung vorwärts gemacht, ein persönlicher Favorit meiner selbst wird dieser süffig leichte Horner aber trotz abwechslungsreichem Hörspass nicht werden.

Abschliessend zum Klang, ein vielgepriesenes Pimp-it-Mittel bei erweiterten Versionen (und solchen die dazu auf Scheibe 2 die alte CD zeigen) und Neuauflagen. Gemastered ist das Doppelalbum eher leise, man muss oder darf also einiges an Volumen bei der HiFi-Anlage dazugeben. Wie im Booklet zu lesen ist, hat Shawn Murphy beiden CDs einen «moderneren» Klang verpasst. Modern oder anders, CASPER klingt beeindruckend frisch und präsent. Zum Booklet mit Liner Notes von Jeff Bond: Viele Bilder, hübsch gestaltet, aber mehr Text wäre mir lieber gewesen.

Phil, 2.9.2020

CASPER

James Horner

La-La Land Records

CD 1: 72:10 Min. / 24 Tracks
CD 2: 73:19 Min. / 15 Tracks

Limitiert auf 3000 Stück