
von Phil
Mit Jo Schreiber unterhielt ich mich schon desöfteren zum Thema Kamera und Steven Spielberg. Wir sind nicht immer, aber sehr oft der gleichen Meinung, wenn es um Director of Photography und Regisseur Spielberg geht… das führte dazu, dass Jo bei MINORITY REPORT von unterkühlter, anstrengender Kameraarbeit spricht – und wo er recht hat, hat er recht!
Ich bin ebenso wie Jo mit den Filmen von Steven Spielberg aufgewachsen, jeder seiner Werke war für mich ein Ereignis, auch wenn ich JAWS, CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND und 1941 nie im Kino gesehen habe. Mit E.T. hat er mich vollends entzückt. Was ich nicht im Kino erleben konnte, holte ich eifrig auf VHS nach (und später auf DVD, Blu-ray und eeeendlich auf 4K, Kino zuhause). Doch fortan, nach E.T., sass ich bis zu THE TERMINAL, den ich bewusst ausliess und es nie bereut hatte, immer im Kino um einen Steven Spielberg Film zu geniessen.
Ich hatte einen Kindheitstraum: Ich wollte Kameramann werden. Ich ging mit meiner Mum, die die Berufswahl kritisch sah, zu einem Berufsberater, der fand ich sei besser in einem Sozialberuf aufgehoben – Kameramann in der Schweiz sei brotlos. Was wusste der denn, dachte ich mir? Okay, heute arbeite ich tatsächlich im Sozialsektor, aber dazu musste ich 50 werden (nochmals, was wusste der denn?). Hinter die Kamera schaffte ich es offiziell nie, Super 8 und Video 8 Filmchen mussten reichen.
E.T. hat mich vollends verzaubert. Die Bilder von Allen Daviau, der mit Spielberg zuvor auf 35mm den Kurzfilm AMBLIN, drehte, gingen nicht mehr aus meinem Kopf, das Licht, die Einstellungen, die Wärme, das Spiel mit der Tageszeit und die meisterhaft Ausleuchtung von E.T. selbst, die ein Oscar hätte wert sein müssen. Hier war ein DoP am Werk, der seinen ersten Kinofilm drehte und doch genau wusste was er tat, in einem engen Zeitkorsett arbeitend. Oder wie Spielberg sagte: E.T. hatte animatronisch 40 mimische Ausdrücke. Allen Daviau hat daraus nur mit seinem Licht 80 gemacht. An die Jüngeren: CGI war dazu nicht nötig, weil zum Glück noch nicht vorhanden.
Spielberg war verwöhnt mit Topleuten hinter der Kamera: Douglas Slocombes meisterhafte Kameraführung in RAIDERS OF THE LOST ARK, Vilmos Zsigmond bei CLOSE ENCOUNTERS, voller Farben und unglaublicher Liebe zum Detail. Daviau kehrte zurück für die Episoden 2 («Kick the Can» für Spielberg) und 4 in TWILIGHT ZONE-THE MOVIE. Ebenso bei THE COLOR PURPLE, einem wahrhaftigen Fest für die Augen (trotz Kunstschnee), grandios, mitreissend fotografiert. Und seine letzte Arbeit für Steven Spielberg: THE EMPIRE OF THE SUN – wiederum für den Oscar nominiert.

Daviau ist (bei Dreharbeiten zu E.T. The Extraterrestrial) ganz rechts zu sehen, Spielberg über ihm sitzend mit dem Megaphon. © imdb
AWLAYS, ein weiterer visuell prächtiger, sehr unterschätzter Spielberg Streifen wurde von Mikael Salomon fotografiert, Dean Cundey war für HOOK und JURASSIC PARK zuständig.
Dann kam SCHINDLER’S LIST mit den ausdrucksstarken, schockierenden Schwarzweiss-Aufnahmen des Polen Janusz Kamiński, der fortan der Director of Photography an Seiten Spielbergs sein sollte. Ich verstand den Griff, den Spielberg für SCHINDLER vornahm. Doch wenn ich an A.I. ARTIFICIAL INTELLIGENCE (Flesh Fair Szene als Hinweis), MINORITY REPORT und CATCH ME IF YOU CAN denke, sehe ich unterkühlte, kalte Bilder, teils und oft am falschen Ort. Jo nennt sie gerne auch «anstrengend». Und in INDIANA JONES AND THE CRYSTAL SKULL liess Kamiñski so manche Sequenz wie im Studio gedreht aussehen – genau das sollte man vermeiden.
Ich komme, mit der Gefahr dafür gekreuzigt zu werden, zu der steilen Behauptung, dass Janus Kamiński nicht zu jedem Spielberg Film passt, Ja, beim grimmen SAVING PRIVAT RYAN und dem historischen LINCOLN wirkt und funktioniert es tiptop, aber A.I., MINORITY REPORT, CATCH ME IF YOU CAN, THE TERMINAL, KINGDOM OF THE CRYSTAL SKULL, THE POST, THE FABELMANS hätten von einem anderen Kameramann wie, zuallererst Daviau, aber auch Cundey, Fraker oder Zsigmond bestimmt und anders profitieren können.
Allen Daviau, zu seinem Oeuvre zählen auch BUGSY, AVALON, THE ASTRONAUT’S WIFE und THE FALCON AND THE SNOWMAN, war seit einer Operation 2012 auf einen Rollstuhl angewiesen und starb am 15. April 2020 an den Folgen einer Coronainfektion.
23.11.2024