Venom (1981)

Was für eine Besetzung: Oliver Reed, Klaus Kinski, Sterling Hayden, Sarah Miles, Nicol Williamson. Und das in einem Tobe Hooper Film. Naja, nur fast, den Hooper stieg innert kürzester entnervt aus und der Brite Piers Haagard übernahm den Regiestuhl bei VENOM (1981), einem Horrorthriller über eine Entführung, die in eine Geiselsituation mündet, mit zwei Entführern, die sich während den Dreharbeiten nicht besonders mochten (Reed und enfant terrible Kinski) und einer schwarzen Mamba, deren 100’000 $ Servo- und Motörchenabbild mehr schlecht als recht funktionierte. Der Erfolg von JAWS (1975) wirkte noch immer nach und auch 1981 versuchte man mit Tier-gegen-Mensch-Gruslern Geld zu machen – wie so oft reihte sich auch VENOM als wenig erfolgreich ein.

Michael Kamen war 1981 ein weitestgehend unbeschriebenes (Filmmusik-)Blatt. Grosse Sprünge auf der Karriereleiter mit Filmen wie THE DEAD ZONE (1983), BRAZIL (1985), HIGHLANDER (1986), LETHAL WEAPON (1987) und natürlich DIE HARD (1988) standen noch bevor. Doch das Engagement Kamens kam nicht zufällig, hatte doch Produzent Martin Bregman den jungen Komponisten 1976 für das Sean Connery Vehikel THE NEXT MAN engagiert.
Liest man ein wenig über den Film, VENOM, und das mittelmässige Budget, hätte man hier auch einen elektronischen Score erwarten können. Nicht aber mit Michael Kamen, der eine hervorragende orchestrale Musik ablieferte, eingespielt mit einem pick-up Klangkörper, auch als National Philharmonic Orchestra aus vielen Goldsmith-Projekten bekannt. Durchaus ist hier bereits zu hören, was der Komponist auch später anwenden würde: Unbeirrt dichtes Schreiben insbesondere für die Streicher, das kraftvolle Spiel mit Suspense und Spannung in der Musik ohne billige Effekte – um nicht zu sagen VENOM kann tatsächlich bereits als das, was später einen typischen Kamen ausmachte, beschrieben werden.

Eröffnet wird der Score mit einer cleveren, noblen Titelmusik («Main Title»), die sich vom folgenden Geschehen durch ihre Form unterscheidet. In der anschliessenden Story, die nicht nur die Mamba betrifft, sondern auch die Aktionen der Protagonisten (die teils nicht weniger «bösartig» als die Giftschlange agieren) und das Auftauchen der Polizei, ist Suspense pur angesagt. Was wir später in explosiven Spannungsscores wie DIE HARD und anderen Joel Silver Produktionen zu hören bekommen, schimmert in VENOM deutlichst durch: Hervorragende Streicherarbeit oft im mittleren bis tiefen Segment, glissandi und col legno Effekte für die Mamba, treffende Holzbläser und Blechblaseinsätze, stimmungsvoll, atmosphärisch dicht erarbeitet und grossartig orchestriert (vom Komponisten selbst) auf einem hohen Niveau – war Kamen doch erst seit fünf Jahren in der Filmmusik tätig. Abgerundet wird der Score von einem bedeckt gehaltenen, mysteriösen «End Title» und einigen Bonustracks (die rund 13 Minuten einnehmen).

In den Liner Notes von Chris Malone ist zu lesen, dass VENOM schliesslich zum Auftrag mit Terry Gilliams BRAZIL führen sollte, zeigten sich die Bosse von Handmade Films, unter anderem George Harrison (ja, der George Harrison) doch derart begeistert vom Score. Hier ist auch zu erfahren, dass mit dem Score nicht gerade zimperlich umgegangen wurde, Tracks da und dort platziert, ein- und ausgeblendet oder ganz gestrichen wurden. Hier aber haben wir den Score, so wie er von Michael Kamen erdacht wurde.

Quartet Records ist, umrahmt von einem faszinierend geschriebenen 20-Seiten-Booklet, wahrlich ein Clou gelungen diesen frühen Kamen Score auf CD verweigen zu können, umso besser für den Sammler und Fan des Engländers, der mit Basil Poledouris und James Horner zu den Filmkomponisten zählt, die allzu früh von uns gegangen sind.

Phil  |  22.12.2023

VENOM
Michael Kamen
Quartet Records
51:06 | 24 Tracks