Tron: Legacy

Bevor wir zur eigentlichen Besprechung des Daft Punk Albums kommen, sei zuvor Trons Universum von 1982 kurz erklärt. Tron steht für „Electronic“ und ist der Name eines Computerprogramms, welches im Sinne eines Trojanischen Pferdes ein mächtiges Betriebssystem (das „Master Control Programm“, oder kurz MCP) austricksen soll.

Das MCP hat ein eigenes Bewusstsein und macht sich andere Programme untertan. So auch die von Kevin Flynn entwickelten Programme, die im MCP nach Beweisen für einen Software-Diebstahl suchen sollen. Nachdem Fynn durch eine Art Strahlenkanone entmaterialisiert und in Perso in das MCP gerät (Ja, in unseren Rechnern leben Menschen!), sucht er nach dem Programm Tron, das von seinem Freund Alan geschrieben wurde. Tron soll das übermächtige MCP deaktivieren und die Suche der Beweise erleichern, beziehungsweise erst ermöglichen. Kurz und knapp: Flynn gerät in die Innereien eines Rechners, um dort das personifizierte Programm Tron zu finden, welches das größenwahnsinnige Master Control Programm abschalten kann.

Wer es schafft die ersten 15 Minuten grenzdebiler und sinnentleerter Dialoge zu überstehen, steht in Filmverlauf einem Konzept gegenüber, das sowohl ausbaufähig ist, als auch eine gewisse Raffinesse aufweist. Denn Tron kann trotz aller inszenatorischer Dämlichkeit als Parabel auf die heutigen vernetzten Welten verstanden werden.

Optisch ist der Film ein retrofuturistischer Stilmix, der mit irrwitziger Bildsprache Elemente aus WAR GAMES, ODYSEE 2001, FUTUREWORLD und sogar STAR WARS (inklusive Jabba the Hut; hier in kubischer Form mit Menschenkopf), verbindet. Eine Besonderheit des damaligen Filmes waren die minimalistischen Computeranimationen und Beleuchtungseffekte im Tech-Noir Stil. Das Tron an den Kinokassen floppte und später angeblich zum Kult-Klassiker avancierte sei nebenbei noch erwähnt.

30 Jahre  später gab es die Fortsetzung mit dem Namen TRON: LEGACY, was auf Deutsch soviel bedeutet wie „Tron: jetzt geht‘s um das Erbe“.  Sprössling Sam ist erwachsen und sucht seinen Vater Flynn, der ihn prepubertär verlassen hat. So gerät er ebenfalls auf den digitalen Raster, muss Kämpfe gegen Bitniks bestehen und findet seinen lange vermissten Vater wieder.

Vertont wurde dieses digitale Abenteuer von den französischen House-Musikern Guy Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter, die unter dem Namen Daft Punk eine gewissen Bekanntheit erlangten. Die beiden Musiker durften sich für Ihre Vertonung runde zwei Jahre Zeit lassen; was für eine Filmmusik ungewöhnlich lange ist. Um es direkt vorweg zu nehmen: die Ausdauer hat sich gelohnt! Das Album zur TRON-Fortsetzung ist ausgereift und erfreut sich bis heute großer Beliebtheit.

Der Orchester-Synthesizer Symbiont distanziert sich weitestgehend von Wendy Carlos Score und beschreitet glücklicherweise moderne Wege. Unterhaltsam wird das Album durch eine Vielzahl eingängiger Themen. So eröffnet der Score mit dem heroischen Hauptthema; inbrünstig vorgetragen von Hörnern und begleitet von einem Kontrabass-Fermate in Star Trek Manier. Vom zweiten Cue sollte man sich nicht abschrecken lassen. Eine wulstige Stimme erzählt vom „Grid“ und fabuliert darüber, wie es im Inneren eines Computerchips wohl ausschauen mag.

Spätestens danach startet der Score durch und man darf sich an allerlei Ohrenschmaus erfreuen. Vibrierendes Bassgeflirre („The Son of Flynn“),  umtriebige Hörnermotive a lá Inception (mit dem Unterschied, dass es bei TRON souveräner klingt), lyrische Anwandlungen wie eine Bassfigur in „Solar Sailor“ zeigt, Einschübe einer ernsten Operette verteilt über die gesamte Komposition, und schmissiger Achzigerjahre Popsynthi-Trash in den „End Titles“ mixen die Musiker zu einem gefälligen Ganzen. 

All die stilistischen Schnipsel sind natürlich Absicht und mit Sicherheit das Ergebnis der langen Produktionszeit. Mehr ist in diesem Falle mehr. Die Komponisten haben sich in keinem Moment auf etwas festgelegt. Achtzig Mann Orchester und Synthesizer-Klangflächen, Science Fiction und Retro, Techno und Operette, Action und Kitsch, House und Streicher Stakkato – wer jetzt ein musikalisches Fiasko erwartet wird enttäuscht, denn das schickliche Sounddesign und ein Gespür für Timing und Dosierung verleihen dem Score Kohärenz.

Das vorliegende Album wurde in zwei Versionen herausgegeben. Die Special Edition – Version dürfte sich an Daft Punk – Liebhaber richten, orientieren sich die Bonus Tracks doch sehr an die musikalische Vergangenheit der Formation. So kann man sich als Filmmusik-Hörer mit der regulären Version zufriedengeben.

Neben viel Lob sollen natürlich auch die Mankos der Musik kurz skizziert werden. Einige spannende Cues fallen zu kurz aus. So dürfte „Arena“ mit seinen synkopierten Rhythmen ruhig um einiges länger ausfallen, flaut aber leider nach einem Crescendo rasch wieder ab.  In einigen Passagen scheint das Orchester mit seinen teilweise etwas zu langen Streicherfiguren gelegentlich unterfordert zu sein. Die Ursache könnte sich im sperrigen Filmstoff wiederfinden. Etwas störend, vor allem wenn man das Album gerade kennenlernt, ist auch der schon erwähnte Off-Sprecher in „The Grid“. Man hätte dieses Stück vielleicht an letzter Stelle als Zugabe positionieren sollen.

Wie auch immer, die beiden Musiker haben sich mit vorliegender Musik selbst übertroffen und bieten langen Hörspaß. Die nervige Filmhandlung wird vor allem durch das Scoring erträglich. TRON: LEGACY gehörte zu den „must have“ – Scores 2010!

Oliver, 12.6.2019

 

TRON: LEGACY

Daft Punk

Walt Disney Records

58 Min.
22 Tracks