Murder in the First

Review aus The Film Music Journal No. 5/6, 1996

Christian Slater, Kevin Bacon, Gary Oldman, William H. Macy und Brad Dourif, eine grossartige Besetzung für Marc Roccos Film über einen Anwalt, der einen in Alcatraz sitzenden Gefangenen vertritt, der angeklagt ist, einen anderen Insassen getötet zu haben. Der Film, für einige in gewissen Sparten ein Oscarfavorit, erhielt nur mässigen Zuschauerzuspruch und reicht in den USA nicht an sein Budget heran.

Meistens, bevor man sich eine CD zum ersten Mal anhört, hat der Hörer eine gewisse Erwartungshaltung. Sei es des Stils des Komponisten wegen oder die Art des Films betreffend. Jedenfalls kennen wir alle Christopher Young, schubladisiert als Spezialisten für Action-, Horror- und Thrillerscores. Und man hat ihn in diesen Genres durchaus liebgewonnen. Doch mit MURDER IN THE FIRST (1995) vollführt Young eine stilistische Kehrtwende, einen grossen Sprung aus seinem Genreschatten – von seinem Lehrmeister David Raksin als Youngs bisher beste Filmmusikarbeit bewertet.

Vorweg sollte man sich aber die Source Music Stücke «Movietone News» und «Suitcase Sally» rausprogrammieren oder zum Skippen bereit sein. Beide stören den Fluss der Musik erheblich. MURDER IN THE FIRST ist in erster Linie geschrieben für ein Streichorchester und erinnert, eben der Instrumentierung wegen, an SCHINDLER’S LIST (1993). Auch Kraft und Stärke, Schönheit und Dramatik und diese stets über allem schwebende Traurigkeit mögen an John Williams Score erinnern –die Violinensoli tragen das Ihrige dazu bei. Aber: MURDER IN THE FIRST ist und bleibt ein eigenständiges Werk, es soll lediglich an die Temperierung vorgemahnt werden.

Wie erwähnt bilden die Streicher den zentralen Punkt des Scores. Mit dem Einsatz eines Chors in «The Truth Be Known» entsteht eine epische, durchdringend emotionale Stimmung. Der tiefe Gesang wiederum wirkt in «Adoramus Dei» sehr bedrückend, während die leisen Paukenschläge Ausweglosigkeit und Starre verdeutlichen. Etwas Luft verschaffen die Harfenklänge in «A Constant Spirit», doch bleibt die konstante Schwere der Komposition ein beherrschender Punkt des Scores. Selbst als das schöne Hauptthema aus «The Truth Be Known» wiederkehrt, spürt man drückende Last, die Schwere. «Solitary Confinement», «D Block» oder «All Things Visible» sind geprägt vom oben angesprochenen Motiv der Violine. Trauriger und hoffnungsloser steht es dem MURDER IN THE FIRST-Hauptthema gegenüber, in welchem Young diesen halb optimistischen Effekt aufbaut, der etwas Hoffnung verspricht.

Youngs MURDER IN THE FIRST berührt und «fährt ein», besonders wenn man den Lautstärkeregler gut aufdrehen kann – dann heisst es geniessen!

Phil 1996

 

MURDER IN THE FIRST

Christoper Young

Le Band Son

44:50 Min.
16 Tracks