Kurz und knapp 40: Hook, Napoleon, Something Wicked this Way Comes, Scream VI, Star Wars: Jedi Survivor, Migration, Top Gun u.a.

Ein kleines Jubiläum, 40x «kurz und knapp». Wir feiern nicht wirklich, aber eine kurze Erwähnung ist es dennoch wert.

HOOK
John, Williams | La-La Land Records

HOOK ist ohne Umschweife eine Filmmusik, die es verdient hätte in einer ausführlichen Rezension besprochen zu worden, ist sie doch an sich die letzte John Williams Musik für einen Steven Spielberg Film, in der der Maestro die wohlbekannte und sehr geschätzte «Magie» versprüht und hören lässt. Weit besser als der Film selbst, der mich nie voll und ganz in seinen Bann ziehen vermochte, kommt Williams’ zauberhafter, melodischer und themenreicher Score daher – in einem Film, der Starbesetzung aufweist: Dustin Hoffman, Robin Williams, Julia Roberts, Bob Hoskins, Maggie Smith. HOOK hat einige Auflagen im Filmmusikmarkt hinter sich, als 1-CD-Album zum Film, als Doppelalbum 2012 von La-La Land Records und jetzt als 39 Tracks Version mit zusätzlichen Bonusstücken und einer dritten CD, die uns ein kleines bisschen erahnen lässt, wie das geplante Musical hätte ausfallen können (zum Glück wurde daraus nichts – nicht wegen des musikalischen Materials allerdings). Die Präsentation des 2 Stunden 16 Minuten dauernde Scores zeigt eine wundervoll melodische, inspirierte, zauberhaft magische und grandios eingespielte sowie von Shawn Murphy perfekt aufgenommene Williams Musik, die in der Spielberg/Williams Fanwelt zu Unrecht etwas links liegen gelassen wird. Zwei Büchlein sind anbei, das 48 Seiten (!) dicke Hauptbooklet und ein Dünneres mit den Tracklisten. 
|  Phil 

NAPOLEON
Martin Phipps | Milan

Der Film von Ridley Scott hat einiges an Pro und viel an Contra. Auf der Habenseite sind gute Darsteller, die solide abliefern, im Falle von River Phoenix sicher überdurchschnittlich und bei der immer zauberhaften Vanessa Kirby lässt meiner einer eh fast alles durch. Die Kostüme und die Schlachtszenen sind grossartig. Die Story hingegen wirkt recht abgehackt und sprunghaft erzählt, da dürfte der vorgesehen Director’s Cut hoffentlich für Abschaffung sorgen. Historisch gesehen ist NAPOLEON mehr Hollywood als Geschichtsdrama, Scott nimmt sich viele Freiheiten – und obwohl er dazu steht, so hinterlässt das doch einen faden Nachgeschmack bei einem biografischen Werk – vielleicht war der Regisseur gedanklich schon bei GLADIATOR 2?
Für die Musik wurde THE CROWN Komponist Martin Phipps engagiert. Dessen Score ist weder überragend noch wirklich schlecht, dabei genauso sprunghaft wie der Film selbst, gibt manchmal den Zeitgeist wieder, um ein anderes Mal in modernistischere Klänge zu gleiten. Bisher ist die Musik nur in digitaler Form und als Vinylalbum erschienen, schade, insbesondere für ein Label wie Milan.
|  Phil

SOMETHING WICKED THIS WAY COMES
James Horner | Intrada

Georges Delerue komponierte ursprünglich die Musik für diesen Disney-wird-erwachsen Film nach einem Buch von Ray Bradburry mit Pam Grier, Jonathan Pryce und anderen unter der Regie von THE GREAT GATSBY (1974) Regisseur Jack Clayton. Doch Probleme da und Unsicherheiten hier führten schliesslich dazu, dass der junge James Horner den Score zu SOMETHING WICKED THIS WAY COMES (1983) schrieb. Der Delerue Score erschien 2015 bei Intrada, eine 45 Minuten lange CD der Horner Musik 2009. Nun gibt es 13 Scoretracks plus sechs Bonustracks (ohne die man allerdings gut hätte leben können) auf dieser frischen Intrada-CD. Das Label geht weiter forschen Schrittes voran in Sachen James Horner.
Horners Musik startet mit dem schaurig mystischen «Main Title» für volles Orchester inklusive Tubular Bells ehe das zweite wichtige Motiv für die zwei Jungs («Prologue», Holz und Streicher) in fröhlich bezaubernder Art zu hören ist. Der Score hält einige gruselige Stücke wie «The Dust Witch» und das Finale aber auch Musik für den Jahrmarkt, der die Ortschaft heimsucht («Formation of the Carnival» und «On the Merry-Go-Round»), bereit. Die 50 Minuten sind kurzweilig, Musik mit Ingredienzen wie wortlosem Chorgesang und Nervenkitzelmusik à la BRAINSTORM. Begleitet wird die CD von einem etwas sparsam ausgefallenen 12 Seiten Booklet.
|  Phil 

MY LOVE AFFAIR WITH MARRIAGE
Kristian Senisini | MovieScore Media

Dieser äusserst persönliche Erwachsenen-Zeichentrickfilm (non-CGI dazu) der lettischen Animatorin Signe Baumane über Liebes- und Heiratsvorkommnisse (das müsste fast eine Trilogie geben…) wurde an so manchen europäischen Festivals ausgezeichnet und für den European Film Award nominiert. Und da der Film als Musical aufgebaut ist, erhoffte man sich auf die short run Liste der besten Filmsongs für den Oscar zu kommen, es sollte nicht sein. Wie zuvor bei ROCKS IN MY POCKETS (2014) schrieb der 47jährige Italiener Kristian Sensini die Musik zu MY LOVE AFFAIR WITH MARRIAGE (2023). Einen Grossteil nehmen Songs ein, diese Lieder, meist schwungvoll und knackig kurz, werden von einem kleineren oder grösseren Ensemble begleitet (Klavier, E-Bass, E-Gtitarre aber auch Bläser und Schlagzeug) und schlechter als das BARBIE-Gesülze sind sie sicher nicht («Lion -My Love Affair with Marriage» von Storm Lange), während die Scorestücke interessanterweise fast durchgehend rein perkussiv gehaltet sind oder als Instrumental zu den Songs dienen. 48 Tracks für 48 Minuten Musik stellen allerdings eine gewisse Hürde dar um einen guten Hörfluss zu garantieren. Wer offen für Animationsfilme abseits des Mainstreams ist, findet an MY LOVE AFFAIR WITH MARRIAGE vielleicht Gefallen.
|  Phil

SCREAM VI
Brian Tyler, Sam Faulconer | Varèse Sarabande

Tatsächlich sind wir bei SCREAM bereits bei Teil 6 angelangt. Mit dem letzten Sequel habe ich mich in einer eher regnerischen Nacht in Südfrankreich erstaunlich gut unterhalten. Hier nun kehrt Brian Tyler zurück, nachdem er den 2022er SCREAM vertont hat, dieses Mal steht ihm Sam Faulconer, der mir komplett unbekannt ist (auch ein Blick zu imdb half nichts), zur Seite. Die Doppel-CD beginnt lecker mit den kraftvollen Klängen des Orchesters (hauptsächlich Streicher und Schlagwerk, aufgenommen wurde in Wien) und der «Scream VI Suite», die zeigt, dass Tyler zu seinem Hauptthema und schlussendlich seinen Motiven aus dem Vorgänger zurückfindet. Das Album präsentiert 95 Minuten atmosphärische Musik mit viel Grusel- und Thrillerfaktoren, Suspensemusik, wenigen musikalischen jump scares, dosiert elektronischen Beigaben (Chor…) und kaum ruhigen Momenten, aufgeteilt auf 38 Tracks. Ja, es ist viel Musik und dies in einem Rutsch durchzuhören ist etwas viel verlangt. Zweifellos finden sich einige Minuten, die man sich hätte sparen können, ein knackiger 60 Minüter wäre durchaus denkbar gewesen. Umso schöner, dass Varèse es ermöglichte, den Score sowohl auf CD wie auch Vinyl herauszubringen. Musik für Genrefans!
|  Phil

STAR WARS: JEDI SURVIVOR
Stephen Barton & Gordy Haab | Disney

Vier Stunden Musik am Stück zu hören ist in musikalischen Ausdrücken fast schon eine wagnerianische Leistung. So lange jedenfalls ist der Score für das Game STAR WARS: JEDI SURVIVOR (2023) in und um, auch musikalisch gemeint, das STAR WARS Universum ausgefallen. Wen die schiere Länge davon aber abhält, wird einiges an wirklich gut gemachter Musik, die, es ist von Anfang bis Ende vernehmbar, in die Science Fiction Mär passt, versäumen. Stephen Bartons & Gordy Haabs Musik wurde in London mit 50 bis 80 Musiker:innen eingespielt und bewegt sich, wer hätte es gedacht, in musikalisch bekanntem Gebiet ohne dieses einfach zu kopieren. JEDI SURVIVOR ist fast durchgehend eine Star Wars-tour-de-force, ein Track wie «Flight» kommt mir dabei als eines von vielen Highlights in den Sinn und es ist schlicht nicht möglich die ganzen 238 Minuten in einem Rutsch durchzukauen. Entweder pickt man seine Favoriten raus oder teilt sich das Anhörritual ein. Oder… oder man legt sich das Doppelalbum von Waxworks zu und erhält somit eine vorgenommene Selektion auf 2 Vinylscheiben verteilt. Wer also nicht genug von STAR WARS haben kann, hier ist die Gelegenheit.
|  Phil

TOP GUN (Limited Edition)
Harold Faltermeyer| La-La Land Records

1986 waren Tom Cruise und TOP GUN in aller Munde. Der teuerste Navy-Werbespot aller Zeiten war ein weltweiter Hit und mit dem Film war es auch die Musik, oder besser: Die Songs, die in Hitparaden und MTV rauf und runter gespielt wurden (oder kann jemand noch «Take My Breath Away», für den es einen Oscar gab, guter Dinge anhören?). Denn mit Filmmusik brachten nur wenige den visuell tollen Streifen von Tony Scott in Verbindung. Dabei war da doch Harold Faltermeyer, der nach BEVERLY HILLS COP seinen nächsten grossen Hit in einer Zeit landete, in der Synthesizermusik auch in Hollywood ganz gross im Kommen war. Und natürlich war da auch Faltermeyers «Ziehvater» Giorgio Moroder, der einige Lieder beisteuerte.
Was das Booklet verschweigt, ist, dass die Band Toto Songs für den Film komponierte, die schliesslich nicht im Film aber auf deren Klassealbum «Kingdom of Desire» landeten. Nur ein kleiner Satz mit dem Wort «legal» problems ist in den Liner Notes dazu zu finden. Nun aber zu dieser Doppel-CD, die zum ersten Mal den gesamten synthetischen Score von Harold Faltermeyer auf einer CD enthält – keine Angst, auch die Songs, so man diese haben will, sind zu finden: Auf Scheibe Nummer 2, wenn das einem nicht «den Atem verschlägt»…
  |  Phil

MIGRATION
John Powell | Back Lot Music

John Powell und Animationsfilm, das ist seit bald 30 Jahren eine bei Fans äusserst beliebte Erfolgsgeschichte. Wer erinnert sich nicht gerne an CHICKEN RUN, SHREK oder HOW TO TRAIN YOUR DRAGON, um nur ein paar populäre Beispiele zu nennen. Der neueste Streich nun ist MIGRATION, die Geschichte einer Entenfamilie, die den beschaulichen Heimatteich zwecks Überwinterung im Süden verlässt und unterwegs allerlei Abenteuer zu bestehen hat.
Der unterhaltsame Score erreicht teilweise, von einem Chor noch unterstützte, epische Dimensionen, von denen auch das herzhafte Hauptthema profitiert. Von den Holzbläsern getragene, pastorale Passagen sorgen für anderweitige Stimmungen. Vielfältig ist auch die von Klavier, Gitarre, Violine, verschiedenen Flöten und Sitar mitbesetzte, emotionale Palette, die uns am Gefühls-Chaos des Geflügels teilhaben lässt. Frauenstimmen, die auch mal schnattern wie unsere tierischen Helden, sind weitere originelle Bestandteile der Musik. Humor fern von mickey mousing, ein paar Prisen verschiedenartige Volksmusik und währschafte Oldschool-Action vermögen das Ohr zu entzücken. Auch im Spannungs- und Dramatikbereich ist der Score wohlgeraten, obwohl da vielleicht zwecks Straffung des Programms ein paar Minütchen entbehrbar wären. Und gleich zwei Versionen des Latino-Songs «Survivor» braucht wohl kaum jemand.
John Powell erweist sich im Animationsbereich ein weiteres Mal als sichere Bank und präsentiert einen meist kurzweiligen und gut gelaunten Score, der leider momentan nur als Download erhältlich ist. Eine Veröffentlichung auf CD soll aber wohl folgen.
  |  Andi

ROCK-A-DOODLE
Robert Folk | Quartet Records, MSM

Dass Robert Folk Animationsfilme kann, hat er mit A TROLL IN CENTRAL PARK (1994) und ARABIAN KNIGHT (1993) bewiesen. Das erste Mal steckte Folk seinen Zeh aber mit Don Bluths ROCK-A-DOODLE (1991) ins kalte Zeichentrickwasser. Entstanden unter der Ägide Bluths und Gary Goldmans hatte der Film an den Kinokassen in jenem Jahr gegen Disneys BEAUTY AND THE BEAST und Amblins AN AMERICAN TAIL Sequel FIEVEL GOES WEST (mit dem Don Bluth nichts zu tun hatte) jedoch keine Chance.
Als Premiere erschien bei Quartet Records/Moviescore Media kürzlich die Scoreauskopplung (Tracks 1 – 20), umso schöner, da Robert Folk doch immer etwas stiefmütterlich behandelt wird von den Labels. Eingespielt wurde der Score in Irland und Folk attestiert auch heute noch dem irischen Orchester sehr gute Arbeit. Musikalisch hören wir eine amüsante Mischung aus sinfonisch thematischen Kompositionen, die wirklich wunderbar sind, 30er/40er Jahre Jazz, Swing und dem unvermeidlichen Mickey Mousing (davon aber wirklich nicht zu viel). Die Tracks 21 – 30 präsentieren die Songs der Zeichencharaktere, die sich so schlecht auch nicht anhören.
  |  Phil

HELLBOY II: THE GOLDEN ARMY (The Deluxe Edition)
Danny Elfman, Varèse Sarabande Club

Einige unter uns wunderten sich, wieso Guillermo Del Toro für sein Sequel nicht auf Marco Beltrami zurückgriff, der durchaus erfolgreich beim ersten HELLBOY (2004) tätig war. Der Regisseur bespricht diese Tatsache im Booklet: Da der neue Film mehr im mystischen Fantasybereich und durchaus eine melancholische Grundstimmung portierte, sei er an Danny Elfman gelangt.
Das Album von 2008, ebenfalls bei Varèse erschienen, hatte mit knapp 58 Minuten eine stattliche Länge. Die Varèse Club Ausgabe, die vor kurzem erschien, kommt als Doppel-CD mit etwas über 81 Minuten daher, dazu finden wir ein 24 Seiten starkes Booklet mit Notes von Daniel Schweiger. Für Fans des Films (und davon gibt es ja einige) und des Komponisten (auch hier findet man eine Fanbase) also genau richtig. Elfman verzichtete darauf Beltramis HELLBOY-Thema zu verwenden. Sein Score ist eine üppige, orchestrale Arbeit mit Chor, die an die düsteren (die Amis sprechen dabei auch von «gothic»), aber auch verspielten Arbeiten des Komponisten erinnern. Elfman vergab einigen Charakteren und Spielstätten Motive, in der Tat dürften Fans des «früheren» Danny Elfmans hier in Verzückung geraten. HELLBOY II: THE GOLDEN ARMY ist dabei, zum Glück, nicht derart überladen wie es DOCTOR STRANGE AND THE MULTIVERSE OF MADNESS (2022) war. Gut gewählt, Varèse!
  |  Phil

11.04.2024