kurz und knapp 32 mit Une belle course, Andor, Lifeforce, Death Becomes Her, The Scalphunters u.a.

UNE BELLE COURSE
Philippe Rombi | Music Box Records

Nach Rombis wundervollem Hoffnungsschimmer LES TEMPS DES SECRETS (2022) folgt mit UNE BELLE COURSE eine Kursänderung. Der Film von Christian Carion, mit dem Philippe Rombi bei UNE HIRONDELLE A FAIT LE PRINTEMPS (2001) und JOYEUX NOËL (2005) zusammenarbeitete, begleitet Line Renaud und Dany Boom auf einer speziellen Taxifahrt durch Paris. Unverhohlen und beabsichtigt, durchaus auch auf Wunsch des Regisseurs, lehnt sich Rombi in den Flashbackszenen des Films an die Musik Bernard Herrmanns (etwas, was er in seiner Karriere öfters offensichtlicher oder verschachtelt getan hat), so entsteht eine Musik, eingespielt mit einem Pariser Ensemble unter dem Dirigat des Komponisten, die mehr Momente in Suspense und Spannung verbringt, als man, vielleicht, von Titel und CD-Cover erwartet hätte. Zwei Songs, interpretiert von Etta James und Dinah Washington sind in den Hörverlauf der CD etwas unglücklich untergemischt.

Phil


ANDOR (Episodes 1 – 4)
Nicholas Britell, Disney

Ich schätze Nicholas Britell und erachte ihn als einen der besten Komponisten der jungen Garde. Seine Scores zu IF BEALE STREET COULD TALK (2018), MOONLIGHT (2017) und VICE (2018) sind beeindruckende Kompositionen, die sich dazu noch verdammt gut abseits der Filme anhören lassen.
ANDOR, die gelungenere der beiden diesjährigen STAR WARS Spin-off Serien der Maus (über die früheren Jahre des Cassian Andor, den wir aus dem vielleicht besten post-Original-Trilogy-Film STAR WARS: ROGUE ONE kennen), als die zugegeben kurzweilige OBI-WAN KENOBI, ist ein etwas schwierigeres musikalisches Gefilde, das sich deutlich vom bekannten, sinfonischen STAR WARS verabschiedet und modernere Klänge und Klanggebilde elektronischer Natur plus Orchester verwendet. Abseits der Bilder, jedenfalls in dieser EPISODE 1 – 4 Auskopplung von satten 101 Minuten, bieten diese nur mässig Hörspass und mitreissend ist die Musik ebenfalls nicht. Eine Besonderheit ist, dass Britell für jede Episode das ANDOR-Titelthema variiert. Ansonsten ist ANDOR insofern enttäuschend, als ich mir gerade von Britell mehr versprochen und ja, halt auch einen hörbar «orchestraleren» Zugang erwartet habe. Jedenfalls ist Episode 10 «One Way Out» doch beinahe durch und durch sinfonisch ausgefallen.

Phil


LIFEFORCE
Henry Mancini, Intrada

Gleich zwei Mal und erst noch zur gleichen Zeit hat Intrada die Musik zu Tobe Hoopers Weltraumvampire-Schocker LIFEFORCE (1985) herausgebracht. Die Henry Mancini Musik fand 2006 bei BSX bereits eine gelungene Aufmachung. Hier nun erscheint sie erneut in ihrer absoluten Schönheit, denn Mancinis Score ist von der mitreissenden Titelmusik, den opernhaften, zusammen fast 15 Minuten dauernden Tracks «The Discovery» und «The Discovery (Cont.)» über ihre manchmal an das Golden Age erinnernde Stücken bis zum End Title eine Wucht. So klang Filmmusik 1985!
Leider wurden am Film diverse und recht heftige Schnittpult-Eingriffe vorgenommen und für die zusätzliche angepasste, neue Musik Michael Kamen verpflichtet, der grösstenteils elektronische Musik seines Kurzweil K250 plus 15 Minuten sinfonische Cues, schrieb (76:40 erschienen bei Intrada). Wer den Film kennt, weiss, wie wenig Musik von Mancini, der bereits an der Musik zu SANTA CLAUS: THE MOVIE (1985) arbeitete und nicht mehr eingreifen konnte, erhalten geblieben ist. Doch mit dieser Doppel-CD (auf CD 2 befinden sich zwei abschliessende Scoretracks sowie u.a. das alte Soundtrack Album) haben wir die Gelegenheit dieser grossartigen Komposition des Veteranen, eingespielt mit dem famos klingenden London Symphony Orchestra zu lauschen. Ganz nebenbei erhalten wir ein 20seitiges Booklet mit tollen Liner Notes von Tim Grieving.

Phil 


DEATH BECOMES HER
Alan Silvestri, Varèse Sarabande Club

Robert Zemeckis hat auch ein Händchen für schwarzen Humor, spätestens seit dem witzigen, saugut gemachten DEATH BECOMES HER (1992) mit Meryl Streep, Goldie Hawn, Bruce Willis und Isabella Rossellini. Die düstere Komödie um zwei Damen, die sich des Älterwerdens ausgesetzt sehen und alles dafür tun, um, wenigstens äusserlich, straff und jung zu wirken, war ausserhalb der USA (damals das Land des künstlichen Erscheinungsbilds «wichtiger» Leute) weitaus erfolgreicher. Wie zuvor war auch hier Alan Silvestri für Zemeckis tätig und schuf einen abwechslungsreichen, spassigen und teuflisch guten Score, ein bisschen à la Williams’ THE WITCHES OF EASTWICK, inklusive «Teufelsgeige» und einem teuflisch guten Hauptthema.
Die auf 1500 Stück limitierte CD präsentiert 51 Minuten Score gegenüber den 34 Minuten des alten Varèse Albums und enthält ein gut gelaunt geschriebenes 24 Seiten Booklet. Eine rundum gelungene Sache und ein Score, der durchaus ins obere Drittel des Zemeckis/Silvestri-Teamworks zählt.

Phil


SAVAGE GRACE
Fernando Velázquez, Quartet Records

In diesem Film aus dem Jahr 2007 über einen Aufsehen erregenden Londoner Mordfall spielen Julianne Moore und Eddie Redmayne (in einer seiner früheren Rollen). Im selben Jahr komponierte Fernando Velázquez, ebenfalls am Beginn seiner Kinofilmkarriere stehend, die Musik zu EL ORFANATO – der Rest ist (Filmmusik-)Geschichte. Die Musik zu SAVAGE GRACE ist zurückhaltend, eher leise und feingliedrig. Ein Hauptthema hören wir in «Laura and Sam». Der Score zeigt einen Mix aus dramatischen, orchestralen Cues und jazzigen, aber auch poppigeren Stücken («Restaurant Source»). Interessanterweise handelt es sich hier um eine Neueinspielung mit dem Basque National Orchestra, bei dem der Komponist häufiger Besucher ist. Da die Covid-Situation zur Absage einer Oper führte, war das Orchester frei und Velázquez nutzte die Gelegenheit um SAVAGE GRACE, die Tonbänder der damaligen Einspielung scheinen unauffindbar, neu aufzunehmen. Abgeschlossen wird die CD mit THE SERVANT, einem Theaterspiel von Harold Pinter. Diese 13 Minuten mausern sich alsbald zum Höhepunkt dieser CD – Bernard Herrmann schimmert hier zweifellos durch. Für diese Suite alleine gäbe es 4 Punkte.

Phil


THE SCALPHUNTERS
Elmer Bernstein, Quartet Records

Bisher nur als LP-Version bei MCA erhältlich, lang lang ist es her, erhält THE SCALPHUNTERS (1968) hier die erste offizielle CD-Veröffentlichung, limitiert auf 1000 Stück. Quartet hat sich die Mühe gemacht, nicht nur ein Re-Issue des damals eigens für die Soundtrackveröffentlichung eingespielten 28 Minuten LP-Programms aufzulegen, sondern den eigentlichen Score (ab Track 13) zu präsentieren.
THE SCALPHUNTERS, eine Westernkomödie von Sydney Pollack (der allerdings erst engagiert wurde, nachdem Frank Perry gefeuert wurde, nachdem dieser den Grossteil des Films bereits gedreht hatte) mit Burt Lancaster, Telly Savalas und Shelley Winters, ist ein wirklich putziger Score, nicht mit Bernsteins mitreissendstem Hauptthema ausgestattet, aber genügend Fleisch daran und dazwischen, um bestens zu unterhalten. Mexikanisches Flavour und kurze indianische Einsprengsel sind ebenso zu hören wie dynamische Spannungsmusik, spassige Weisen und flottes Americana. Elmer Bernstein selbst hat THE SCALPHUNTERS als «happy score» beschrieben, das trifft es ziemlich genau. Schlecht ist die Musik sicherlich nicht, zu den besten Genrearbeit Bernsteins würde ich THE SCALPHUNTERS dennoch nicht zählen, zu den Unterhaltsameren in der langen Liste an Western, die er vertonte, aber durchaus. Das 20seitige Booklet mit Infos von Jeff Bond ist eine feine Zugabe.

Phil


WEREWOLF BY NIGHT
Michael Giacchino, Hollywood Records

Als ich imdb befragte, wer denn bei dem 52 Minuten und in stimmungsvollem Schwarzweiss gedrehten 52 Minuten Marvel Kurzfilm WEREWOLF BY NIGHT (rechtzeitig zu Halloween auf Disney+ präsentiert) Regie geführt habe, wurde ich doch überrascht: Michael Giacchino. In der Tat sass der Komponist von anderen Marvel-Abenteuern wie DOCTOR STRANGE (2016) und THOR: LOVE AND THUNDER (2022) sowie des 2022 Score of the Year (Fragezeichen?) THE BATMAN hier auf dem Regiestuhl. Komponiert hat er für seinen eigenen Film freilich auch und in diesem Falle hörbar mit viel Lust und Wonne. Die Musik ist, wie die Amis wohl sagen würden, «gothic» angehaucht, aggressiv und mit beherzten Blechbläserattacken und lebhaften Streichern ausgestatteten Horror- und Actioningredienzen aber auch manchmal verspielt, ja gar mit einem Hauch español («End Shredits») versehen. Das alles ist auf jeden Fall gut anzuhören. Nebst dem obligaten Download bei Disney (oder Streaming…) wird WEREWOLF BY NIGHT als LP erscheinen. Schade, aber die Maus macht sich in Sachen CD-Veröffentlichungen mehr und mehr rar.

 Phil


LARA CROFT: TOMB RAIDER – THE CRADLE OF LIFE
Alan Silvestri, Varèse Sarabande Club

Was für ein Gegensatz zur gleichzeitig erschienen, hier ebenfalls kurz besprochenen DEATH BECOMES HER. Alan Silvestris LARA CROFT Einstieg, er ersetzte Craig Armstrong, wird zum grössten Teil von damals «total» hippen Technosounds begleitet und wird daher zu einem mittelgrossen Ärgernis. Die orchestrale Musik verbirgt sich allzu oft hinter dieser Elektronik und fast ist es zu schade, dass hier ein Klangkörper wie die Sinfonia of London plus Chor «verschwendet» wurde. Immer wenn man nach einem Momentchen der reinen Orchestermusik hofft, das Technoide möge sich doch jetzt stillhalten, taucht der Loop garantiert und ebenso garantiert auch laut wieder auf. Ja, das zieht sich gefühlsmässig durch den gesamten Score. Ethnisch Klingendes ist durchaus vertreten («Arrival in China», «Shay Ling – Tilt Your Head Back», wobei hier alsbald Elektronika und eine eher leise eingemischter E-Gitarrenklang auftauchen, später taucht die Musik in «afrikanische Dschungelrhythmen» ab). «Flower Pagoda Battle» leidet unter dem, was Actionmusiken bis heute oft befällt, das Rummsgebummse ständiger Perkussion, oft aus der E-Kiste, aber nicht nur. Allein dieser Track wäre ganz bestimmt auch ohne diese Ingredienzen geniessbar und wie es klingen könnte ohne Technodancezeuchs, zeigen eineinhalb Minuten von «Orb Transmission».

Nebst einer Song-CD erschien 2003 bei Colosseum eine 60minütige Score-CD, die bei mir nicht überaus oft den Weg in den Player fand und als «eher enttäuschend» im Regal verschwand. Auch diese Langfassung kann diesen Eindruck nicht bessern und ist in etwa gleich unattraktiv anzuhören wie der ein Jahr zuvor erschienene James Bond Score DIE ANOTHER DAY von David Arnold.

Phil


17.11.2022