In Regisseur Joe Johnstons JUMANJI (1995) fallen die Würfel und dann donnert eine Horde wilder Dschungelriesen durch die Zimmer, grausige Krabbeltiere kriechen aus allen Ecken und Winkeln hervor, wild gewordene Affenhorden hinterlassen eine Schneise der Verwüstung, fleischfressende Pflanzen erblühen und riesige Wassermassen ergiessen sich aus höher gelegenen Stockwerken ins Wohnzimmer. «Alea iacta est!» – mit grausigen Konsequenzen. Diese üppige Verfilmung von Autor Chris Van Allsburgs Fantasy-Kinderbuch war wohl als Familienfilm mit viel Klamauk und einem spassigen Robin Williams in der Hauptrolle gedacht, zeigte das Grauen aus dem Dschungel für die Betrachtung durch Kinderaugen indes stellenweise etwas gar heftig und Williams soll viel mehr am menschlichen Drama rund um die Hauptfigur als am irrwitzigen Dschungel-Fantasy-Getöse interessiert gewesen sein. So war JUMANJI mit seinen Dschungel-Viechern letztlich zwar kein Flop, aber JURASSIC-PARK-Begeisterungsstürme, wie sie im Vorjahr in den Kinosälen verzeichnet wurden, löste der Film ebenfalls keine aus. Da erging es den Sequels 2017 und 2019 besser…
Auch die Filmmusik von James Horner macht eher einen gehetzten Jump-and-Run-Eindruck, als dass er damit sein irrsinnig beeindruckendes Schaffen in den Jahren 1994/95 – mit Veröffentlichungen wie LEGENDS OF THE FALL (1994), CASPER (1993), APOLLO 13 (1993), BALTO (1993) und BRAVEHEART (1993) – mit einer weiteren Meisterleistung hätte krönen können. Sichtlich bemüht darum, das überdrehte Treiben auf der Leinwand adäquat in Musik zu fassen, lieferte Horner mit JUMANJI einen Ideen-Schlagabtausch mit stellenweise regelrecht schmerzhaften stilistischen Kehrtwenden und dissonanten Überraschungen. So landete diese CD damals denn auch eher selten in meinem Player, auch wenn ich mir in jungen Jahren den Film durchaus gerne angeschaut habe. Mit der nun vorliegenden erweiterten Version ist meine Wertschätzung gegenüber dieser Filmmusik von James Horner indes gestiegen. Zum einen erhält das melancholische Thema für den Williams-Charakter Alan Parrish mehr Spielzeit, womit dem musikalischen Abenteuertreiben mehr Gegengewicht gegeben wird. Zum anderen erachte ich das chronologische CD-Programm auf der CD 1 für gelungener als die teils nicht-chronologische Anordnung der Tracks auf dem 1995er-Album. Obwohl die knapp 20 Minuten zusätzliche Musik sich über das ganze Album verteilen, profitiert meiner Meinung nach insbesondere die erste Hälfte von der Erweiterung – die ergänzten, atmosphärischen Stücke während des Filmanfangs rund um die mysteriösen Entdeckungen im neuen Haus erlauben einen sanfteren, magischeren Einstieg und auch die Kombination der Stücke «A New World» und «Alan Parrish» zu einer melancholischen, 7-minütigen Verschnaufpause erachte ich als gelungener (auf dem 1995er-Album waren diese beiden Stücke zwar auch drauf, aber wurden von drei anderen Tracks voneinander getrennt platziert). Damit präsentiert die 70-Minuten-Version von JUMANJI, meiner Meinung nach, ein stimmungsvolleres Gesamtbild und das Finale ist mit «The Monsoon», «Jumanji» und den «End Titles» in beiden Versionen eine orchestrale Rundumschau, die durchaus Spass macht und berührt. Zudem ist und bleibt «Stampede!» ein Action-Highlight für mich.
Was JUMANJI jedoch fehlt, ist ein starkes Hauptthema. Stilistisch und narrativ erinnert hier vieles an HONEY, I SHRUNK THE KIDS (1989) und A FAR OFF PLACE (1993), doch überstrahlt A FAR OFF PLACE die hier genannten Arbeiten mit einem wunderschönen Hauptthema, das insbesondere in der Abspannmusik zu Höchstform aufläuft. Im Falle von JUMANJI ist das bereits genannte melancholische Porträt der Figur Alan Parrish zwar schön anzuhören und das unheimliche, lockende Motiv für das eigentliche Brettspiel markant – beispielsweise ganz zu Beginn des Stücks «Alan Finds the Game» – doch wirklich nachzuhallen vermögen diese Passagen nicht. Hierfür sind sie schlicht zu generisch. Was indes nachhalt, ist das Stück «Monkey Mayhem». Dieses fährt mit seinem kratzbürstigen Charakter und den zahlreichen ALIENS-Referenzen durch Mark und Bein – und hinterlässt in meinem Falle bleibendes Erschaudern, insbesondere in sogleich mehrfacher Ausführung auf der vorliegenden Intrada-Version, weshalb ich für mich dieses Affen-Getöse wegprogrammieren muss. Die Effektivität kann dem Stück indes nicht abgesprochen werden.
Fazit: Die Filmmusik für JUMANJI reicht für mich auch in der erweiterten Version nicht über Horners Mittelfeld hinaus. Aber die erweiterte und chronologische Präsentation dieser Musik erachte ich als gelungener und stimmiger als die 1995er-Version, weshalb sich diese (Neu-) Anschaffung für Horner-Enthusiasten meiner Meinung nach lohnt.
Basil 08.07.2022
JUMANJI (EXPANDED)
James Horner
Intrada Records
130: 41 | 41 Tracks