Desperate Voyage

Wow, damit haben nur wenige gerechnet: Ein früher Bruce Broughton aus dessen TV-Phase brachte, nein, nicht Intrada, sondern Dragon’s Domain kürzlich heraus. DESPERATE VOYAGE (1980) stammt aus der Zeit, in der der Komponist Serien wie BUCK ROGERS IN THE 25TH CENTURY (1981), QUINCY M.E. (1977 – 1983) oder DALLAS (1979 – 1985) betreute. In diesem Fernsehfilm spielt Christopher Plummer einen «modernen» Piraten, der mit seinem zurückgebliebenen Sohn Yachten aufbringt, ausraubt und die Schiffe zusammen mit den Besitzern versenkt – bis er auf Gegner trifft, die ihm die Stirn bieten. Plummer? Ja, Plummer in einem TV-Film.

Noch stand der grosse Schritt nach Hollywood für Broughton aus, 1985 erst geschah dieser mit einem grossen Bang, gleich zwei fantastische Scores, inklusive einer Oscar-Nomination, zu grossen Produktionen: SILVERADO und YOUNG SHERLOCK HOLMES katapultierten Broughton nach ganz oben.

DESPERATE VOYAGE ist Broughton pur, allerdings hören wir hier den Spannungs-Broughton und weniger den «grosse Themen-Broughton». Von den ersten Tönen an ist klipp und klar: Ja, das ist ein Bruce Broughton Score! Ein eigentliches, ausschweifendes Hauptthema sucht man vergebens, es ist sind eher kurze Motive oder Farben mit denen Broughton hier arbeitet. Broughton versammelt ein traditionelles Orchester, nach einem langen Musikerstreik hatte er die Gelegenheit und das Glück, dass alle endlich wieder arbeiten wollten und so kam er an die besten Musiker Hollywoods.

Während mir der Film bis anhin völlig unbekannt war (auf youtube ist DESPERATE VOYAGE immerhin zu finden), ist die Richtung der Musik schnell klar: Spannung und Suspense. Mit den ersten Klängen für Holzbläser und Streicher im längsten Track des Scores («Opening Titles/Burrifous Sees the Boat») widerspiegelt Broughton die Weite der See, jedoch bereits hier gedrungen und ein eher ungutes Gefühl versprühend. Das 5-Noten Hauptmotiv, oft von unterschiedlichen Instrumenten und in Variationen gespielt (ein zweites Motiv leitet sich davon ab), ist von den Holzbläsern und kurz darauf von den Hörnern intoniert zu hören. Pizzicato und Streicher nehmen dieses Motiv für ein verspieltes Arrangement auf.

Ein Beispiel eines Spannungstracks ist «Robbing the Old Man/Ramming the Boat» mit der Solotrompete über geschwinden Streichern und akzentuierten Blechbläsern, Celli und Bässen sowie Schlaginstrumenten (in Momenten erahnt man hier durchaus ein wenig die spielerischen Momente aus JAWS oder die leichtfüssigeren aus des Komponisten grossartigem THE OLD MAN AND THE SEA, 1990).

Dazu gesellen sich herrlich verspielte Momente mit Streichern und Holz wie in «The Coast Guard/The Valhalla Sails/Vic Decides to Turn Around», aber auch traurige, niedergeschlagene Passagen wie in «Burrifous Takes Grace and Ralph Aboard» tonal passend ins Gesamtbild von DESPERATE VOYAGE. Einige famose Soli für Querflöte und Trompete, viel vorantreibendes Suspense-/Actionmaterial wie Broughton es in YOUNG SHERLOCK HOLMES und SILVERADO bringen würde, heben den Score deutlich über den Fernsehdurchschnitt – wie es die gesamte Komposition tut, die aus einem Guss ist.

Ich nehme an, die 47 Minuten Musik, die wir hier hören, geben den gesamten Score wieder. Im Sinne der Musik endet auch der allerletzte Track und die «End Credits» sind knapp gehalten, wie bei einem Fernsehfilm der 1980er üblich.

Abschliessend: DESPERATE VOYAGE zeigt welch hohen Standard Broughton bereits in seiner Fernsehphase erreichte. Eine kurzweilige, gut anhörbare Angelegenheit einer bis anhin unbekannten, durch und durch spannenden Broughon-Musik. Fans des Komponisten, für die die CD ohnehin ein Muss ist, dürften mit der Zunge schnalzen.

Das Booklet ist im ungeliebten Ausklappformat und wie vom Label gewohnt kurz und knapp auf 6 Seiten reduziert. Hier liegt nach wie vor viel Verbesserungspotential, demgegenüber steht natürlich die dankenswerte Tatsache, dass dieser Score überhaupt veröffentlicht wurde plus: mein Exemplar war vom Komponisten unterschrieben, immer nice to have.

Phil  |  27.10.2024

DESPERATE VOYAGE
Bruce Broughton
Dragon’s Domain
47:31 | 12 Tracks
Limited Edition