Filmmusik-Oscars – Hätte, wenn und aber: 1960 – 1969

von Andi Süess und Phil Blumenthal

Die 60er Jahre, die grossen Filmepen bäumten sich abermals auf, der Western pfiff noch nicht aus dem letzten Loch, aber es war auch der Übergang in eine Zeit, in der die mächtigen Filmstudios zu bröckeln begangen und sich gegen Ende des Jahrzehnts ein neues Filmmusik-Zeitalter abzeichnete. Übrigens ein bitteres Jahrzehnt für einen der ganz grossen der Filmmusik, dem der Oscar vergönnt blieb: Bernard Herrmann.

1960

Winner:
EXODUS (Ernest Gold)

Nominees:
THE ALAMO (Dimitri Tiomkin)
ELMER GANTRY (André Previn)
THE MAGNIFICENT SEVEN (Elmer Bernstein)
SPARTACUS (Alex North)

Ernest Golds Sieg über THE MAGNIFICENT SEVEN und SPARTACUS darf als erstaunlich bewertet werden, ansonsten eine gut getroffene Auswahl, wenn auch die Nichtbeachtung einer ganz bestimmten, ikonischen Arbeit ziemlich stört: PSYCHO von Bernard Herrmann!

Wir wären nicht wir, würden wir nicht dennoch einige herausstechende Musiken des Jahres finden, bei denen eine Nomination durchaus auch im Möglichen hätte sein können: 
HOME FROM THE HILL (Bronislau Kaper), THE UNFORGIVEN (Dimitri Tiomkin), THE STORY OF RUTH (Franz Waxman), Elmer Bernsteins FROM THE TERRACE, Russell Garcias THE TIME MACHINE, George Dunings THE WORLD OF SUZIE WONG, THREE WORLDS OF GULLIVER (Bernard Herrmann).

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:


1961

Winner:
BREAKFAST AT TIFFANY’S (Henry Mancini)

Nominees:
EL CID (Miklós Rózsa)
FANNY (Morris Stoloff & Harry Sukman)
THE GUNS OF NAVARONE (Dimitri Tiomkin)
SUMMER AND SMOKE (Elmer Bernstein)

Dass Mancinis «Moon River», für den er auch den Song-Oscar gewann, mitverantwortlich für den Gewinn als «Beste Filmmusik» war, ist wohl unbestritten und so manch einer hätte lieber EL CID oder SUMMER AND SMOKE die Trophäe nach Hause nehmen sehen.

Auch durchaus nominierbar gewesen wären:
LA DOLCE VITA (Nino Rota), KING OF KINGS (Miklós Rózsa), THE DEVIL AT 4 O’CLOCK (George Duning), THE MISFITS (Alex North), MYSTERIOUS ISLAND (Bernard Herrmann), ONE-EYED JACKS (Hugo Friedhofer), A RAISIN IN THE SUN (Laurence Rosenthal), VOYAGE TO THE BOTTOM OF THE SEA (Paul Sawtell, Bert Shefter).

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:

1962

Winner:
LAWRENCE OF ARABIA (Maurice Jarre)

Nominees:
FREUD (Jerry Goldsmith)
MUTINY ON THE BOUNTY (Bronislau Kaper)
TARAS BULBA (Franz Waxman)
TO KILL A MOCKINGBIRD (Elmer Bernstein)

Was für ein tolles Quintett mit fünf würdigen Nominierten und bei keinem hätten wir bei einem Gewinn etwas auszusetzen gehabt, auch wir beide konnten uns nicht einigen und so hat der eine seinen Zettel für MUTINY ON THE BOUNTY eingelegt und der andere für TO KILL A MOCKINGBIRD gestimmt.

Überhaupt war 1962 ein ganz grosser Jahrgang, wie unten zu sehen:
Elmer Bernstein gleich nochmals mit BIRDMAN OF ALCATRAZ und THE WALK ON THE WILD SIDE sowie auch Jerry Goldsmith nochmals mit LONELY ARE THE BRAVE, George Delerue mit CARTOUCHE, Henry Mancini mit DAYS OF WINE AND ROSES, HATARI! und EXPERIMENT IN TERROR, André Previns hervorragender FOUR HORSMEN OF THE APOCALYPSE, Franz Waxman mit HEMINGWAY’S ADVENTURE OF A YOUNG MAN, Laurence Rosenthals THE MIRACLE WORKER, Frank DeVols WHATEVER HAPPENED TO BABY JANE?, THE RELUCTANT SAINT (Nino Rota), SODOM AND GOMORRAH (Miklós Rózsa), VENERE IMPERIALE (Angelo Francesco Lavagnino), ADVISE & CONSENT (Jerry Fielding), RIDE THE HIGH COUNTRY (George Bassman), TWO WEEKS IN ANOTHER TOWN (David Raksin) und nicht zu vergessen CAPE FEAR (Bernard Herrmann).

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:

1963

Winner:
TOM JONES (John Addison)

Nominees:
CLEOPATRA (Alex North)
55 DAYS AT PEKING (Dimitri Tiomkin)
HOW THE WEST WAS WON (Alfred Newman)
IT’S A MAD, MAD, MAD, MAD WORLD (Ernest Gold)

TOM JONES, die grosse Oscarüberraschung als Film, aber zweifelsohne auch als Musik. Und der Ernest Gold? Vergnüglich, aber kaum Golds beste Filmmusik.

Weitere Musiken, die ebenfalls in die Top 5 gepasst hätten:
LILIES OF THE FIELD (Jerry Goldsmith), KINGS OF THE SUN und THE GREAT ESCAPE (Elmer Bernstein), die unendliche Geschichte des Bernard Herrmann geht weiter mit JASON AND THE ARGONAUTS, IL GATTOPARDO (Nino Rota), THE CARDINAL (Jerome Moross).

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:

1964

Winner:
MARY POPPINS (Sherman Brothers)

Nominees:
BECKET (Laurence Rosenthal)
THE FALL OF THE ROMAN EMPIRE (Dimitri Tiomkin)
HUSH…HUSH, SWEET CHARLOTTE (Frank DeVol)
THE PINK PANTHER (Henry Mancini)

«Music Score – Substantially Original» heisst die Kategorie. Man lese: Score! Gewonnen hat ein Musical. Ein dufte Musical zwar, aber eben ein Musical. Wie kommende Jahre noch zeigen werden, wird das uns noch einige Male beschäftigen. Tiomkin, vielleicht auch Rosenthal und Mancini sind in diesem Jahre sicherlich um einen verdienten Oscar gebracht worden.

Doch es gab auch andere starke Vertreter, die es unter die letzten Fünf hätten schaffen können:
ZULU und GOLDFINGER (John Barry), RIO CONCHOS (Jerry Goldsmith), FLIGHT FROM ASHIYA (Frank Cordell), THE CARPETBAGGERS (Elmer Bernstein), A SHOT IN THE DARK (Henry Mancini), MARNIE (Bernard Herrmann…), zweifellos UN PUGNO DI DOLLARI (Ennio Morricone), CHEYENNE AUTUMN (Alex North), THE TRAIN (Maurice Jarre), MURDER AHOY mit dem unvergessenen Miss Marple Hauptthema (Ron Goodwin).

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:

1965

Winner:
DOCTOR ZHIVAGO (Maurice Jarre)

Nominees:
THE AGONY AND THE ECSTASY (Alex North)
THE GREATEST STORY EVER TOLD (Alfred Newman)
A PATCH OF BLUE (Jerry Goldsmith)
LES PARAPLUIES DE CHERBOURG (Michel Legrand & Jacques Demy)

Wie man mit einem grossen Thema einen Oscar holt, zeigte Jarre 1965. Durchaus starke Vertreter auf der Nominationsliste, wenn auch mit dem Legrand wieder ein Musical dabei ist, der dann auch noch bei den «Scoring of Music – Adaption or Treatment» Titeln zu finden ist. Hm…

Da wären noch gewesen:
THOSE MAGNIFICENT MEN IN THEIR FLYING MACHINES (Ron Goodwin), der herrliche THE GREAT RACE (Henry Mancini), LORD JIM (Bronislau Kaper), THE WAR LORD (Jerome Moross), IN HARM’S WAY und THE SATAN BUG (Jerry Goldsmith), PER QUALCHE DOLLARO IN PIU (Ennio Morricone), THE FLIGHT OF THE PHOENIX (Frank DeVol), ging einfach vergessen: BATTLE OF THE BULGE (Benjamin Frankel), THE SPY WHO CAME FROM THE COLD (Sol Kaplan) und  THE CINCINNATI KID (Lalo Schifrin).

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:

1966

Winner:
BORN FREE (John Barry)

Nominees:
THE BIBLE (Toshiro Mayuzumi)
HAWAII (Elmer Bernstein)
THE SAND PEBBLES (Jerry Goldsmith)
WHO’S AFRAID OF VIRGINIA WOLF (Alex North)

Wenn eine der besten Musiken von Goldsmith gegen einen mittelmässigen John Barry verliert, tut das irgendwie weh. HAWAII ja, der North, sicher. Andi und Phil waren sich beim hätte-wäre-wenn-Gewinner, ausser beim Komponisten, nicht einig. Auch Schere-Stein-Papier funktionierte nicht.

1966 war ein tolles Filmmusikjahr und es gab viele Scores, die die Academy ebenfalls hätte nominieren können:
Erstaunlich (oder auch nicht…), dass die Academy Leonard Rosenmans FANTASTIC VOYAGE und Jerry Goldsmiths THE BLUE MAX «übersehen» konnte, obwohl letzterem im Film eher übel mitgespielt wurde. Desweiteren: A MAN FOR ALL SEASONS (Georges Delerue), Maurice Jarres GRAND PRIX und PARIS BRÛLE-T-IL? sind beide bemerkenswert und originell genug, Ennio Morricone mit IL BUONE, IL BRUTTO, IL CATTIVO, Henry Mancinis ARABESQUE, HOW TO STEAL A MILLION (John Williams), FAHRENHEIT 451 (Bernard Herrmann), SECONDS (Jerry Goldsmith), Frank Cordells grandiose Musik zu KHARTOUM, THE QUILLER MEMORANDUM (John Barry).

RETURN OF THE SEVEN von Elmer Bernstein wurde übrigens unter «Scoring of Music – Adaption or Treatment» nominiert.

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:

1967

Winner:
THOROUGHLY MODERN MILLIE (Elmer Bernstein)

Nominees:
COOL HAND LUKE (Lalo Schifrin)
DOCTOR DOLITTLE  (Leslie Bricusse)
FAR FROM THE MADDING CROWD (Richard Rodney Bennett)
IN COLD BLOOD  (Quincy Jones)

Ein kleiner Konsolidierungs-Oscar für Elmer Bernstein? Und Leslie Bricusse bekommt eine Original Music Score Nomination, während Lionel Newman & Alexander Courage unter «Adaption or Treatment» nominiert wurden, es bleibt kurios – heisst also, das Musical DOCTOR DOLITTLE wurde als Original Score gewertet, während die Bearbeiter Courage und Newman in die andere Kategorie abgeschoben wurden.

Es gab ein paar wenige Abwesende eines mässigen Jahres:
THE DIRTY DOZEN (Frank DeVol), Johnny Mandels POINT BREAK, Henry Mancinis WAIT UNTIL DARK, Jerry Goldsmith feiner HOUR OF THE GUN, TOBRUK (Bronislau Kaper), THE WHISPERERES (John Barry).

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:

1968

Winner:
THE LION IN WINTER (John Barry) 


Nominees:
THE FOX (Lalo Schifrin)
PLANET OF THE APES (Jerry Goldsmith)
THE SHOES OF THE FISHERMAN (Alex North)
THE THOMAS CROWN AFFAIR (Michel Legrand)

Sehr illustres Quintett mit einem grossen Sieg von John Barry über den eigentlich verdienteren Sieger Jerry Goldsmith und PLANET OF THE APES – wohl einer der ganz grossen, bis heute unverständlichen Oscarsnubs. Aber auch bei THE SHOES OF THE FISHERMAN hätte man nichts einzuwenden gehabt.

Nicht zu vergessen:

THE FOX statt BULLITT (Lalo Schifrin)? Krysztof Komedas ROSEMARY’S BABY, Marvin Hamlischs THE SWIMMER, THE HEART IS A LONELY HUNTER (Dave Grusin), ROMEO AND JULIET (Nino Rota), Michel Legrands ICE STATION ZEBRA, ein ganz grosser Abwesender war C’ERA UNA VOLTA IL WEST (Ennio Morricone), der auch noch GUNS FOR SAN SEBASTIAN in Petto gehabt hätte, THE BRIDE WORE BLACK (Bernard Herrmann), THE POWER (Miklós Rózsa).

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:

1969

1969 Winner:
BUTCH CASSIDY AND THE SUNDANCE KID (Burt Bacharach)

Nominees:
ANNE OF A THOUSAND DAYS (Georges Delerue)
THE REIVERS (John Williams)
THE SECRET OF SANTA VITTORIA (Ernest Gold)
THE WILD BUNCH (Jerry Fielding)

Und gleich nochmals, Haare raufen! Burt Bacharach (zweifellos dank des Songs «Raindrops Keep Fallin’ on My Head») schnappte sich die Trophäe vor THE REIVERS oder THE WILD BUNCH!

Ausserdem wären da noch gewesen:
MIDNIGHT COWBOY (John Barry), TRUE GRIT und THE BRIDGE AT REMAGEN (Elmer Bernstein), Ron Goodwin mit dem tollen WHERE EAGLES DARES, THE ILLUSTRATED MAN und THE CHAIRMAN (Jerry Goldsmith), THE VALLEY OF GWANGI (Jerome Moross), BATTLE OF BRITAIN (Ron Goodwin, William Walton), Frank Cordell mit MOSQUITO SQUADRON, Michel Legrands LA PISCINE.

Hätte gewinnen müssen:Hätte wenigstens nominiert sein müssen:

25.4.2019

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