Dreamcatcher – The Deluxe Edition

Als im Oktober 2017 die «Stephen King Collection Box» erschien, war jedem klar welche Musik der eigentliche Aufhänger und Kaufgrund sein würde: James Newton Howards DREAMCATCHER. Doch wer dafür keine 90 Dollar ausgeben mochte, wurde nun, etwas mehr als zwei Jahre später, für die Geduld belohnt: Varèse Sarabande veröffentlichte die Doppel-CDs zu Lawrence Kasdans Film im Clubprogramm und limitiert auf 1000 Stück. Geht doch! Somit kann die unschöne 40 Minuten Auswahl, die 2003 erschien, endgültig ins Archiv gelegt werden.

Kasdans Film beruht auf Stephen Kings Roman «Duddits» und erzählt von vier Freunden, die sich alljährlich in einem Blockhaus tief in einem tief verschneiten Wald treffen. 20 Jahre ist es her, seit sie den geistig zurückgebliebenen Duddits vor fiesen Jugendlichen retteten. Doch dieses Mal haben sie nicht nur mit ihren eigenen Erinnerungen zu kämpfen, sondern auch mit grauslig-gruseligen Ausserirdischen. Geschrieben von Kasdan und William Goldman (ALL THE PRESIDENT’S MEN), überzeugt der Film in der ersten Hälfte mit seiner gut eingefangenen Stimmung. Leider ist das Finale nur mässig befriedigend. Selbiges gilt für die Einspielergebnisse und so manche Kritiken. Dennoch finde ich unterhält DREAMCATCHER wirklich gut und die eingefangene Atmosphäre kommt bestens rüber – und den ein oder anderen gelungenen scary moment kann man der King Verfilmung ebenfalls attestieren. FRENCH KISS (1995) war Kasdans letzter richtig erfolgreicher Film, seither konnte der Drehbuchautor von THE EMPIRE STRIKES BACK und RAIDERS OF THE LOST ARK nicht mehr an seine beachtenswerten Werke wie SILVERADO, THE ACCIDENTAL TOURIST oder GRAND CANYON anknüpfen.

James Newton Howard vertonte für Kasdan zuvor WYATT EARP, GRAND CANYON und MUMFORD und man darf behaupten, dass mit DREAMCATCHER das einsetzte, was der Komponist für einige Zeit weiterverfolgen würde: Keine ausschweifend grossen Themen, enge Anbindung ans Sounddesgin. Doch das heisst nicht, dass dieser Score nicht gut anhörbar wäre, im Gegenteil. DREAMCATCHER ist eine erstaunlich üppige Komposition mit vielen Elementen, die James Newton Howard Fans in den 90ern so schätzten, kein atonaler und unaufhaltsamer Schockeffektehorror, der uns hier in 96 Minuten entgegenschallt, sondern eine toll gemachte, unterhaltsame und dichte Filmmusik, zusammen mit THE VILLAGE (2004) für erstaunlich lange Zeit das Beste aus der Feder von Howard. Eine Musik dieses Genres, die über eineinhalb Stunden durchzieht, ist keine Selbstverständlichkeit.

Das grosse Orchester mit einer üppigen Blechbläsersektion (massig Hörner!) und mächtig Perkussion, sinnbildlich für die meisten 90er Jahre Howards, wird von einer stets präsenten Dosis Elektronik unterstützt, so entsteht eine gesunde Mischung, wie sie Howard bestens beherrscht.

Wie eben erwähnt, DREAMCATCHER ist ein nie langweiliger Genrescore, der auch warme Motive für Klavier «Finding the Keys/Be Careful», emotionalere Tracks wie «Memory Warehouse» oder «Gathering Wood/Remembering Duddits» zeigt, aber auch Stücke, die es wahrlich in sich haben («Weasel Kills Beaver», «Weasel Attacks Pete»…), kurzen, heftig militärisch brachialen Einschüben («Military Moves In») und Howardspezialitäten wie «Animal Exodus». So richtig in Schussfahrt kommt der Score in der zweiten Hälfte, wo die Spannung mehr und mehr zunimmt und der Terror nicht mehr nur vom bösen Ausserirdischen stammt. Abgeschlossen wird DREAMCATCHER mit einem «echten» James Newton Howard Schlusstitel «End Credits», in dem Synthesizer und pfundige E-Perkussion die Hauptrolle spielen, ehe Howard das Orchester abermals erklingen, ehe das eigentliche DREAMCATCHER Motiv den Abschluss macht.

Traurig ist, was Varèse in Sachen Booklet anstellte. Gerade mal eine Seite in Mikroschrift, die ohne Lupe kaum zu lesen ist, mehr hat man für diesen tollen Score nicht übrig. Einst entgegnete mir ein Besitzer eines Filmmusiklabels, den Fans müsse alles hingesch… werden und sie seien nicht fähig sich von der Musik ohne Liner Notes ein Bild zu machen. Kopfschüttelnd entgegnete ich ihm, im Gegenteil, der Fan möchte für sein gutes Geld schlicht ein bisschen Liebe zum Detail sehen – und dazu zählt eben auch ein wenigstens anständiges Booklet. Bei DREAMCATCHER – The Limited Edition gibt es dafür eine (schlechte) 1!

Phil, 22.4.2019

DREAMCATCHER
The Limited Edition

James Newton Howard

Varèse Sarabande Club

96 Min.
36 Tracks