Young Woman and the Sea

2013 legte die Langstreckenschwimmerin Diana Nyad den 177 km langen Seeweg zwischen Kuba und Florida schwimmend zurück. 1926 schaffte es Gertrude Ederle als erste Frau, den 34 km langen Ärmelkanal zu durchschwimmen. Beide Ereignisse inspirierten jüngst zu Kinofilmadaptionen, die das Sportdrama-Narrativ schulbuchähnlich pflegten.

Von Selbstzweifel geprägte, traumatisierte und von gesellschaftlichen Vorurteilen unterdrückte Hauptfiguren – hier zwei Frauen – trotzen allen Widrigkeiten und feiern am Ende einen herausragenden Triumpf, der alle Zweifler in den Senkel stellt. Dazu gesellen sich tosende Wellen, peitschende Stürme, sich nähernde Haie und üble Quallenschwärme. Das verlangt natürlich nach einer Filmmusik, die mindestens zum Finale hin alle Register zieht und emotional vereinnahmt.

Im Falle von NYAD (2023) lieferte Alexandre Desplat eine Filmmusik, die tatsächlich die sonst charakteristisch zurückhaltende, klassische Art dieses Komponisten etwas vermissen lässt bzw. ablegt und mit vielen New-Age-Elementen und Steady-Synthi-Rhythmen ein sportliches Tempo anschlägt – womit er sich überraschend stark der Sportdrama-Musiktradition nähert.

Noch einen Gang höher schaltet Amelia Warner mit ihrer Musik zu YOUNG WOMAN AND THE SEA (2024). Sie verbindet schöne, eingängige, starke Themen mit pulsierenden Streichern, Chor und elektronischen Beats zu regelrecht aufschäumender Euphorie. Damit reist einem ihre unerschrocken emotionale Musik von Beginn an mit, doch mit wiederholtem Hören verleidet einem dieser ungezügelte Charakter auch ein bisschen.

Für YOUNG WOMAN AND THE SEA spannte Regisseur Joachim Rønning nach PIRATES OF THE CARIBBEAN: DEAD MEN TELL NO TALES (2017) erneut mit Produzent Jerry Bruckheimer zusammen und dessen Einfluss macht sich nicht nur im PEARL HARBOR-Look des Films, sondern auch in der Musik bemerkbar. Wobei hinsichtlich letzterem auch Lorne Balfe als Co-Produzent mitgeprägt haben dürfte. Jedenfalls fällt Amelia Warners Kompositionsansatz hier schon deutlich pompöser und epischer aus als in früheren Arbeiten. Das tut dem Unterhaltungswert keinen Abbruch, aber es wirkt gekünstelter als bisherige Kompositionen von ihr.

Während ihre herausragende Musik für WILD MOUNTAIN THYME (2020) noch einen ganz eigenen, intimeren Charakter hatte, glaubt man hinter YOUNG WOMAN AND THE SEA zahlreiche Temp-Track-Einflüsse zu hören. Von George Kallis‘ CLIFFS OF FREEDOM (2019) im Hauptthema über Pinar Topraks THE WIND GODS (2013) und Lee Dong-Juns ROAD TO BOSTON (2023) hinsichtlich der Pop-Rhythmen bis hin zu Stilismen von Michael Giacchino (besonders stark aus TOMORROWLAND in «We Go to England or Die Trying»), John Debney und Rachel Portman.

Basil | 17.03.2025

YOUNG WOMAN AND THE SEA 
Amelia Warner
Walt Disney Records
55:42 | 25 Tracks