War and Peace, Orchestral Rehearsal u.a.

Auf dieser soeben erschienenen, prall gefüllten CD von Capriccio präsentiert sich Nino Rota sowohl von seiner filmmusikalischen wie auch konzertanten Seite. Eröffnet wird das ansprechende Programm mit einer fast halbstündigen Suite aus WAR AND PEACE (1956), King Vidors starbesetzter, aber auch ziemlich glattgebügelter Adaption von Leo Tolstois berühmtem Roman. Da die Veröffentlichungen des Soundtrack-Albums sowohl auf LP als auch auf CD an knapp noch akzeptablem Klang leiden und bisherige Neueinspielungen allzu kurz ausfielen, ist es eine Wohltat, sich nun diesem recht grosszügigen und toll interpretierten Querschnitt hingeben zu können.

Während im Gegensatz zum Original auf Eingangs-Chor, Schlachtmusiken und balalaika-bestückte Kosakenklänge verzichtet wird, kommt mit einer prächtigen Polonaise ein bislang unveröffentlichtes Stück zu Gehör, wie überhaupt nach dem mitreissenden «Introduzione», wo nebst Leitmotiven auch die «Marseillaise» verarbeitet ist, zunächst Tänze wie der «Natasha-Walzer» im Zentrum stehen. Es folgen eher schwermütige Romantik und bedrückende Tracks wie «La ritirata della Grande Armée», wo eine Windmaschine zum Einsatz kommt. Trauer befällt vorübergehend sowohl die mit Russland als auch mit Frankreich verbundenen Themen, ehe sich der russische Sieg im «Finale» langsam, aber stetig ins Triumphale steigert. Etwas Opulenz, aber vor allem Romantik, Liebe und Verlust stehen also im Fokus dieser gehaltvollen Suite, die damit die emotionalen Stärken von WAR AND PEACE hervorhebt.

Es folgen drei Konzertwerke, die zum Traditionellen neigen, aber auch Einflüsse früher Avantgarde aufweisen können, und sie veranschaulichen Rotas Umgang mit Harmonien und sein Geschick, vielschichtige Stimmungen zu erzeugen. CASTEL DEL MONTE (Ballade für Horn und Orchester, 1974), zeigt ein gut aufeinander abgestimmtes Spiel von Solist und Orchester, lyrisch zu Beginn, zupackend im Mittelteil, sphärisch im Finale. Das viersätzige CONCERTO PER ARCHI (Konzert für Streicher, 1964–1965) bewegt sich souverän zwischen Stimmungen, Welten und Zeiten hin und her, und immer mal wieder macht sich der vertraute Filmkomponist bemerkbar. Das hübsche, dreisätzige CONCERTO PER ARPA E ORCHESTRA (Konzert für Harfe und Orchester, 1947) gibt dem Solo-Instrument viel Gestaltungsraum, und das Orchester bewegt sich von leicht-verspielt über melancholisch-verträumt bis munter-beschwingt.

Zu guter Letzt gibt’s noch drei Stücke aus PROVA D’ORCHESTRA (1978), denen es, da dem letzten gemeinsamen Film von Rota und Fellini entsprungen, an Veröffentlichungen nicht mangelt, die aber gerne immer wieder genommen werden. Ein schräges Walzerchen wird umrahmt von der für die Zusammenarbeit von Regisseur und Komponist so typischen Quirligkeit, die vom Orchester sehr gut rübergebracht wird.

Mit beinahe 84 Minuten Spielzeit handelt es sich hier um die längste CD, der ich bislang begegnet bin. Man kriegt also viel Musik für sein Geld. Das WDR Funkhausorchster Köln spielt sehr engagiert unter der Leitung von Felix Bender und Michael Seal (Harfenkonzert). Solisten sind Esther Peristerakis (Harfe) und Marcel Sobol (Horn). Der Booklet-Text ist nicht allzu üppig ausgefallen, wobei dem Personal mehr Platz eingeräumt wird als der Musik. Trotzdem – gerade für den Rota-Einsteiger oder jene, die auch mal seine konzertante Seite kennenlernen möchten – ist das eine ideale Scheibe. Aber auch für Komplettisten wegen WAR AND PEACE vermutlich unverzichtbar.

Andi  |  14.03.2023

WAR AND PEACE, ORCHESTRAL REHEARSAL u.a.
Nino Rota
Capriccio C5494
83:51 Min. | 22 Tracks