Als Intrada die News von THE PUBLIC EYE verkündete, war die Vorfreude und die Erwartung bei den Fans des Komponisten gross. Könnte es, immerhin waren die Voraussetzungen ähnlich, in Richtung CHINATOWN (1974) oder L.A. CONFIDENTIAL (1997) gehen? Die vorliegende Musik kann diesen Wunsch allerdings nicht erfüllen, PUBLIC EYE ist eher ein milder Dämpfer.
Zunächst fand die Themenidee, die Goldsmith hier verwendet, in ALIEN NATION (1988) keine Verwendung, danach tauchte sie in leicht anderer Form und deutlich ausgebaut in THE RUSSIA HOUSE (1990) und später in GLADIATOR (1992; der Boxerfilm mit Cuba Gooding jr., nicht das Römerepos von Ridley Scott) auf. Danach hörten wir ähnliches in THE VANISHING (1993). Jerry Goldsmiths «Main Title» für THE PUBLIC EYE (1992) erhält in dieser nicht verwendeten Musik zu Howard Franklins Film also die insgesamt fünfte Aufwartung. Das ist schon spannend für einen Komponisten wie Goldsmith, der stets für Originalität und Frische in seinen Kompositionen stand. Glück sollte ihm diese idée fixe aber keines bringen, ist THE PUBLIC EYE doch der bereits dritte verworfene Score des Komponisten innerhalb von vier Jahren.
In PUBLIC EYE spielt Joe Pesci den Newsfotografen Leon Bernstein im New York des Jahres 1942. Er ist spezialisiert darauf, einer der ersten an einem Tatort zu sein. Von der Clubbesitzerin Kay (Barbara Hershey) wird er angefragt, ob er hinter den Mob blicken könne, der versucht sich ihren Club unter den Nagel zu reissen. Leon erklärt sich dazu bereit, immer ein gutes Foto vor Augen. Doch er, der bisher wenig Glück mit Frauen hatte, verliebt sich in Kate. Neben Pesci und Hershey spielen Stanley Tucci, Jared Harris und u.a. Charakterkopf Richard Riehle. Für Howard Franklin (Buch zu DER NAME DER ROSE, 1986), der zehn Jahre dafür kämpfte, dass sein Drehbuch von einem Studio akzeptiert wurde, sollte es bei drei Arbeiten als Regisseur bleiben. Franklin war überrascht, dass er Goldsmith als Komponist gewinnen konnte – und nachdem er das Hauptthema zum ersten Mal in Goldsmiths Studio hörte, war der Regisseur sich sicher, sie seien auf dem richtigen Weg. Doch bei den folgenden Musikaufnahmen sei er, Franklin, enttäuscht gewesen. Er hatte das Gefühl, Goldsmiths Musik gebe nicht mehr her als eben dieses eine Thema. Goldsmith protestierte und Franklin gelangte an Mark Isham, um einen neuen Score zu schreiben.
Intradas Überraschung präsentiert uns in erster Linie oben beschriebenes Thema für Stand-up-Bass, Schlagzeug, Streicher, Klavier und Klarinette, das in ein Übergangsmotiv für Klavier und wieder zurück zum Ausgangspunkt findet. Dieses erhält in mehreren Variationen seine Aufwartung im Score. Ein weiteres, kürzer gehaltenes Motiv ist in «First Sale» enthalten. Aus diesem extrahiert Goldsmith die Spannungsmomente wie in «The Body» oder in «Someone to Trust» mit Pizzicatostreichern über einem Synthesizerrhythmus zu hören, ehe die Streicher für einen ruhigeren Moment sorgen und Platz für eine einfache Klaviermelodie schaffen – vertieftere Spannung verwendet Goldsmith schliesslich in «The Slaughter». In «After Hours» strickt Goldsmith alles um sein Zweinoten-Motiv aus «First Sale». So richtig voran und in die Gänge will der Score aber nie wirklich kommen. Wer Goldsmiths Arbeiten kennt, erfährt mit dieser Komposition wenig Neues; kommt hinzu, dass THE PUBLIC EYE kein sonderlich ereignisreicher Score ist. Wer die pumpende Aggressivität eines L.A. CONFIDENTIALs oder die nostalgische Eleganz eines CHINATOWN, wie eingangs erwähnt, erwartet, dürfte eher enttäuscht sein.
Phil, 15.08.2021
THE PUBLIC EYE
Jerry Goldsmith
41:28 Min.
22 Tracks
Limitiert