Desillusioniert von der Arbeit als klassischer Komponist wandte sich der junge James Horner an Roger Cormans New World Pictures und bat darum ihn unter Vertrag zu nehmen. Dabei half der Einfluss seines Vaters, zweimaliger Oscar-Gewinner als Production Designer (u.a. für das Billarddrama THE HUSTLER), wohl mit und so kam Horner nach einem Treffen mit Corman und Regisseur Lewis Teague (CUJO, 1983) zu seinem ersten Filmprojekt, THE LADY IN RED mit Pamela Sue Martin (die später vor allem dank ihrer Rolle in DYNASTY in aller Munde war) in der Hauptrolle, die sich plötzlich in einem Netz aus Prostitution und Verbrechen wiederfindet. In weiteren Rollen in vom späteren Regisseurs John (LONE STAR) Sayles geschriebenen Drehbuch sind Robert Conrad (als John Dillinger) und Louise Fletcher, ja sogar Christopher Lloyd zu sehen.
Horners schrieb die Musik für kleine Besetzung mit Holzbläsern, zwei Trompeten und Posaunen, Klavier, Harfe, zwei Gitarren, Schlagzeug, Vibraphone und einer Violine und einem Bass. Nebst dem Score verarbeitete er die Musik der 30er Jahre und im speziellen Harry Warrens «42nd Street».
Die CD eröffnet mit dem Liebesthema das Films, «Theme from The Lady in Red» für Gitarren, Holzbläser, Harfe, welches so nicht verwendet wurde. Im kurzen «Main Title Music» ist Horners Arrangement von «42nd Street» zu hören, es dominieren die Blechbläser ebenso wie im temporeichen «First Bank Robbery», in dem auch der Klarinette und dem akustischen Bass grosse Bedeutung zukommen, während sich das Klavier in «Now that You Know» dazugesellt und die Klarinette, das Altsaxophon, die gestopfte Trompete im Arrangement von «Lonely» die Hauptrolle spielen. Beeinflusst vom Tangorhythmus spielt das kleine Ensemble in «The Garden Party» auf und ein weiteres source music Stück ist in «42nd Street – Juke Box Source» für Trompeten, Posaunen, Klarinette, Bass und Schlagzeug zu hören.
«Playing Baseball» ist das erste «richtige» Scorestück, das wir einem jungen James Horner (à la TESTAMENT) zuschreiben können ohne an die 30er Jahre Zeit erinnert zu werden, ebenso das darauffolgende «Love Theme (film version)» und «California», dieses Mal mit Querflöte und gestrichenem Bass. Dramatisch wird es in «Laying the Trap Part 1» und «Part 2» und «Dillinger’s Death #1» (mit «42nd Street» in kurzen Bruchstücken, ähnlich auch in «The Getaway» gestaltet) und «#2» (das mich an Bernard Herrmanns TAXI DRIVER erinnert hat). Der Scoreteil schliesst im 30er Ragstil mit «End Titles» und dem von Horner als eigentliche Schlusstitel erdachten «Love Theme – Postlude». Als Bonustrack ist «Oriental Blues» enthalten.
THE LADY IN RED ist sicherlich alles andere als «der typische Horner Score», sein Talent für Jazz- (und später Swing) Arrangements ist hörbar vorhanden und seine Arbeit mit dem Love Theme (Track 1, 9 und 21 und in «Play Baseball» sowie «California») lässt den emotionalen James Horner erahnen, der uns später so sehr mit seiner gefühlvollen Musik verwöhnen würde.
Als Intrada letztes Jahr ankündigte eine Reihe von James Horner Scores zu veröffentlichen, haben die wenigsten dabei wohl mit Horners Erstling THE LADY IN RED gerechnet. Schön, dass das geklappt und die Diskographie an Horner Musiken seiner Komplettierung zugeführt wird. Der knapp halbstündigen CD liegt ein 24-Seiten Booklet bei, das uns wissen lässt, wie Horner am letzten Aufnahmetag von THE LADY IN RED das Finale zu UP FROM THE DEPTHS, einem sorglosen JAWS-Mimiker, mit dem gleichen kleinen Setup an Musikern aufnehmen musste.
Phil | 16.04.2024
THE LADY IN RED
James Horner
Intrada
27:28 | 22 Tracks