Zeichentrickfilme sind nicht mein Ding, spärlich bis nie konnten mich diese Filme in ihren Bann ziehen. Es gibt jedoch einige wenige Ausnahmen und dazu gehört THE IRON GIANT, der mich 1999 verzückte mit seiner zauberhaften Geschichte über eine gigantische Maschine, den Iron Giant, die eigentlich als Waffe konzipiert wurde, aber keine Waffe mehr sein will und einen vaterlosen Jungen – und was sie gemeinsam erleben. Die Story spielt in den USA der 50er Jahre, der Kalte Krieg wütet und Hysterie macht sich allseits breit (wer hätte gedacht, dass wir 70 Jahre danach wieder gleich weit sind). Braid Bird nahm sich der Aufgabe an mit kleinem Budget gegen die grosse Konkurrenz von Disney anzutreten, deren Animationsfilme, stets mit Singsang ausgestattet wurden und eine wahre Renaissance erlebten. Dagegen kam THE IRON GIANT (1999) an den Kinokassen zwar nicht an, der Qualität dieses charmanten Films tut das aber keinen Abbruch. Bairds Film ist eine reizende, fein gemachte Parabel über Verständnis, Freundschaft und Vertrauen.
Als Komponist wurde Michael Kamen engagiert, der kurz zuvor Ennio Morricones Musik für WHAT DREAMS MAY COME (1998) ersetzte und den vierten Teil der LETHAL WEAPON Serie scorte. Baird seinerseits war ein Fan von Kamens BRAZIL (1985) und THE ADVENTURES OF BARON MUNCHAUSEN (1988), Kamen kannte und liebte das Buch von Ted Hughes. Umso erfreuter war er, dass er den Film basierend auf eben Hughes Geschichte musikalisch betreuen durfte. Wie Goldsmith bei THE SECRET OF NIMH (1982), Elmer Bernstein bei THE BLACK CAULDRON (1985) oder James Horner bei THE LAND BEFORE TIME (1988) sollte der Score – Songs von tanzenden Kaffeetassen vorgetragen, gab es zum Glück keine – die Dramaturgie der Geschichte fassen – Kamen erfüllte die Aufgabe mit Bravour. THE IRON GIANT gehört zu seinen ansprechendsten Arbeiten. Wer hätte damals, 1999 gedacht, dass Michael Kamen nur 4 Jahre später nicht mehr unter uns weilen würde?
Kamen hat für THE IRON GIANT zwei Hauptthemen geschrieben, eines für den eisernen Giganten und eines für den Jungen, die sich im Laufe des Scores vereinen werden. Nebst diesen beiden Themen besticht der Score durch seinen fast altmodischen, warmen und klassischen Sound. Dazu hat Kamen das Czech Philharmonic Orchestra ausgewählt, scheinbar war diese Wahl nicht des Budgets wegen gefallen. Die einwöchige Aufnahme habe viel Geld verschlungen und Ort als auch Orchester wurden bewusst ihres Klangs wegen ausgesucht. Das Klangergebnis ist denn auch tatsächlich gelungen, es passt zu Kamens lebendiger, probater und oft elegischer, stellenweise verspielter und gerne melancholischer Musik. Nur swingen, so ist im Booklet zu lesen, das konnten die tschechischen Musiker scheinbar nicht.
Im Vergleich mit dem 1999er Album, knapp 50 Minuten lang und ebenfalls bei Varèse erschienen, präsentiert die Club-Ausgabe 77 Minuten Musik, wobei die sieben Tracks nach «End Credits: Suite» als Zusatzprogramm angesehen werden können und rund 13 Minuten ausmachen. Tim Greivings Liner Notes des üppigen Booklets vervollständigen diese auf 2000 Stück limitierte Ausgabe. Für die Fangemeinde des Komponisten und des Films dürfte sich die Frage eh nicht stellen, ob man sich die neue Scheibe zulegen solle…! Für alle anderen sei hier klar eine Empfehlung ausgesprochen.
Phil | 25.04.2022
THE IRON GIANT Michael Kamen Varèse Sarabande Club 76:58 | 37 Tracks