Mit THE INCREDIBLES (2004) gelang Disney/Pixar ein gigantischer Erfolg. Dass es 14 Jahre gedauert hat, bis mit THE INCREDIBLES 2 (2018) die Fortsetzung in die Kinos kommt, hätte man nach dem damaligen Hype und den bereits kurz danach folgenden Ankündigungen, dass an einer Fortsetzung gearbeitet wird, nicht gedacht. Doch nun ist sie da, erneut unter der Regie von Brad Bird, und wieder hoch in der Gunst der Kritiker und des Publikums. In der Fortsetzung rückt Elastigirl in den Mittelpunkt des Action-Geschehens und Mr. Incredible übt sich zuhause als Hausmann – arg strapaziert vom Energiebündel und Über-Super-Baby Jack-Jack. Neben Action-Einlagen ähnlich dem Vorgänger regieren Slapstick und Überraschungseffekte das überdrehte Leinwandabenteuer. Diese Power und Energie betont auch Michael Giacchino mit seiner Filmmusik. Dies jedoch dermassen beharrlich, dass das Ergebnis mit fortschreitendem Zuhören strapaziert.
Die Musik zu THE INCREDIBLES 2 knüpft nahtlos an jene vom ersten Film aus dem Jahr 2004 an. Die Themen sind zurück, der Groove ist vertraut, das Perkussionsspiel ist knackig und omnipräsent und allem voran gibt das Blechregister wieder mächtig Gas. Dennoch vermag THE INCREDIBLES 2 punkto Unterhaltungswert dem Vorgänger nicht das Wasser zu reichen – ja, das anhaltende Mickeymousing, das pausenlos hohe Tempo und die wiederholt lauten und schrillen Bläserattacken gehen einem zusehends auf die Nerven. Was THE INCREDIBLES vor 14 Jahren so besonders gemacht hat, war, dass sich Michael Giacchino damit von einer gänzlich anderen Seite gezeigt hat – weg vom MEDAL OF HONOR- und ALIAS-Sound und hin in dieses aberwitzige Action- und Funk-Potpourri, das den Bond- und M:I-Klängen von Barry und Schifrin immer mal wieder neckisch ein Schnippchen schlug oder anmutig Tribut zollte. Mit der Musik zu THE INCREDIBLES katapultierte sich Giacchino zurecht an den Hollywood’schen Kinofilmmusik-Himmel. Seither geht seine Karriere durch die Decke – kaum eine bedeutende Franchise ohne einen Giacchino-Soundtrack, querbeet durch alle Genres, und immer mit noch mehr Qualität in Orchestrierung und Narration. Das ist beachtlich. Und nun, mit 14 Jahren mehr Erfahrung auf dem Buckel, wagt er sich wieder an sein «Durchbruch-Projekt». Die damit verbundenen hohen Erwartungen waren wohl unvermeidbar und sicherlich fällt nun auch deshalb die Filmmusik zum zweiten INCREDIBLES-Film in der Gunst ab. Aber hier wäre wohl etwas weniger tatsächlich mehr gewesen – etwas weniger schrille Bläser, mal etwas weniger Tempo, mal eine musikalische Effektnachzeichnung auslassen. Sicherlich wäre bereits ein kürzeres Album dem Spass zuträglicher gewesen – wobei man natürlich auch selber einzelne Stücke wegprogrammieren kann. Beispielsweise mag man sich ein Stück wie «Looks Like I Picked the Wrong Week to Quit Oxygen» schlicht kein zweites Mal anhören. Nachdem man sich bereits seit über 50 Minuten hyperaktive Musik angehört hat, kommt nun dieses von schrillen bis fast kreischenden Bläsern dominierte Non-Stopp-Action-Stück, was einem einfach fast schon kirre macht. Dann gibt’s für die «blutenden» Ohren eine einmütige Verschnaufpause mit «Happily After-Deavor», bevor Giacchino mit «Out and A Bout» und den «Incredits 2» wieder aufs Gas tritt und die Dezibelwerte wieder in die Höhe pfeffert. Und nach «Incredits 2» herrscht nicht etwa Ruhe, sondern es kommen drei Jingle-Songs für die Hauptprotagonisten Elastigirl, Frozone und Mr. Incredible sowie noch drei Disco- und Bumper-Themen. Für jene, die sich den Digital-Download-Anhören, runden dann noch vier «A Capella»-Versionen der vorangegangenen Songs und Themen das Programm ab. Auch wenn sich diese Zugaben nach den «Incredits 2» in Klang und Tonalität grundsätzlich gut in den Score einfügen, ist es doch überraschend, dass die Melodien der drei Songs nicht klarer Bestandteil der übrigen Musik sind – schliesslich sind die Songs unter anderem Bezeichnet als «Elastigirl’s Theme», «Frozone’s Theme» und «Mr. Incredible’s Theme».
Der thematische Anker ist auch im Falle von THE INCREDIBLES 2 das tolle Hauptthema, das Michael Giacchino für THE INCREDIBLES gezaubert hat. Neue thematische Ideen sind zwar vorhanden, aber nach dem Hördurchgang ist es allem voran erneut das «Incredibles»-Hauptthema, das einem im Gedächtnis bleibt. Das neue Thema für Elastigirl «in Action» wird in «Consider Yourselves Undermined!» und «Train of Taut» prominent dargeboten und auch der Bösewicht erhält in «Searching for a Screenslaver» eine eigene musikalische Identität. Doch hinterlassen beide keinen nachhallenden Eindruck. Damit ist die Musik zu THE INCREDIBLES 2 primär ein «INCREDIBLES auf Steroide» geworden. Wer mit diesem Sound von Giacchino nur in homöopathischen Dosen umgehen kann, dem dürften die «Incredits 2» für die eigene Playlist ausreichen. Fans der jazzigen und funkigen Seite von Giacchino kommen hier jedoch voll auf ihre Kosten.
Ich für meinen Teil erfreue mich anhand der «Incredits»-Suite an der beeindruckenden Vielfältigkeit von Michael Giacchino, wende mich jedoch gerne wieder seinen dramatischeren Werken wie WAR FOR THE PLANET OF THE APES (2017), TOMORROWLAND (2015) oder auch seiner jüngsten Arbeit JURASSIC WORLD: FALLEN KINGDOM (2018) zu.
Basil, 17.08.2018
THE INCREDIBLES 2 Michael Giacchino Walt Disney Records 69:12 Min. 32 Tracks