Jurassic World: Fallen Kingdom

Mit JURASSIC WORLD: FALLEN KINGDOM (2018) geht die JURASSIC-Filmreihe in die fünfte Runde. Nun geht es darum, die Urzeitgiganten von der Isla Nublar zu retten, denn ein bevorstehender, gewaltiger Vulkanausbruch bedroht deren Existenz. Doch als die Rettungsaktion bereits in vollem Gange ist, müssen Claire, Owen und Co. – die sich mit der neu gegründeten Theropod Presservation Society für das Wohl der Dinosaurier einsetzen – erkennen, dass einige ihrer Helfer die Dinos lediglich retten wollen, damit sie diese an Meistbietenden versteigern können. Darunter befinden sich wahre Killermaschinen-Echsen, die keinesfalls losgelassen gehören… Unter der Regie von J.A. Bayona ist FALLING KINGDOM in der ersten Filmhälfte ein bildgewaltiges, geradezu aberwitziges Actionspektakel und in der zweiten Hälfte ein klaustrophobischer Thriller geworden. Die Kritiker liessen am Film kaum ein gutes Haar, aber dieser Mischung aus Monster, Naturgewalt, ironischen Sprüchen und Horror, visuell auf Hochglanz poliert und mit viel Drive inszeniert, kann man sich kaum entziehen – ein Film der Kategorie «guilty pleasure». Jenseits von «guilty pleasure» ist hingegen die Filmmusik von Michael Giacchino – keine leichte Kost, aber wahrlich meisterlich!

Für JURASSIC WORLD: FALLEN KINGDOM kehrt Michael Giacchino nach JURASSIC WORLD (2015) in den Dino-Park zurück. Doch während sich seine Musik für JURASSIC WORLD noch stärker an die liebgewonnenen Themen von John Williams aus JURASSIC PARK (1993) und THE LOST WORLD: JURASSIC PARK (1997) anlehnte und kombiniert mit einem neuen, eigens komponierten, sehr erhabenen Thema mehr Anmut, Ehrfurcht und vergnüglichen Wohlklang präsentierte, entfesselt er für FALLEN KINGDOM mit grosser Orchester- und Chor-Besetzung wahrlich apokalyptische Klänge. Hier spielen die betörenden Williams-Melodien und das fantastische «As the Jurassic World Turns»-Thema aus JURASSIC WORLD die zweite Geige. FALLEN KINGDOM wartet mit viel Action-Musik auf – dunkel, perkussiv, laut und stampfend. Das erfordert eine gewisse Empfänglichkeit für solche Filmmusik, wenn man sich das Album (zum ersten Mal) anhört. Doch soll die thematische Verschiebung hin zu neuen Themen nicht dazu führen, dass man das Album vorschnell als austauschbare Actionmusik abtut. Dass die bekannten Melodien «in die zweite Reihe» verwiesen werden, dürfte einige enttäuschen, doch die neuen Themen, die das Rampenlicht ausfüllen, sind nicht minder gut. Es ist auch nicht so, dass FALLEN KINGDOM gar nicht nach einer JURASSIC-Musik klingen würde. Es hat durchaus Zitate aus den Williams-Themen drin («Welcome to Jurassic Park», «Raptor»-Thema) und auch das «Jurassic World Turns»-Thema erhält ein paar Anspielungen, doch sind diese meist kurz und dicht verwoben mit bombastischer Action.

In einem Interview sagte Michael Giacchino, dass viele Passagen so «simple und repetitiv sind». Diese Aussage vermag man nicht so richtig einzuordnen, wenn man sich die Musik anhört. Er habe Kompositionstechniken und Themenstrukturen von Komponisten wie Igor Strawinsky (L’OISEAU DE FEU (1910), LE SACRE DU PRINTEMPS (1913)) und Bernard Herrmann (THE 7th VOYAGE OF SINBAD (1958), MYSTERIOUS ISLAND (1961), JASON AND THE ARGONAUTS (1963)) aufgreifen wollen. Zusammen mit Regisseur Bayona habe er beschlossen, deren kompositorischen Stile für FALLEN KINGDOM aufeinander treffen zu lassen. Während Strawinsky und Herrmann für Avantgardismen und kurze, sehr funktionale Melodiesegmente bekannt sind, schuf Giacchino für FALLEN KINGDOM dennoch eine durch und durch «eigene» Filmmusik. Das neue Hauptthema erweist sich als besonders wandlungsfähig. Im ersten Stück, «This Title Makes Me Jurassic», erhält es gegen Ende hin einen ersten sehr kraftvollen Auftritt. In dieser Manier ist es auch in der Folge immer wieder zu hören, doch erhält es auch in kleiner, feiner Orchestrierung melancholische und mysteriöse Auftritte. Ein weiteres neues Thema wartet mit viel militärischem Schlagwerk und Marschstruktur auf und gilt den Bösewichten des Films – jene, die Claire belügen und die geretteten Dinosaurier versteigern wollen. Da sie stets mit viel Geschützt und militärischem Equipment wenig zimperlich auftreten, passt diese musikalische Charakterisierung bestens. Das dritte neue Thema portraitiert das Anliegen der Presservation Society und sorgt damit für melancholische, emotionalere bis stellenweise auch traurige Zwischentöne. Gerade diese sind im ansonsten überwiegend tosenden Score sehr willkommen und damit höchst effektiv. Nun sind diese drei neuen Themen keine «sofortigen Hinhörer», wie das beispielsweise bei «As the Jurassic World Turns» der Fall war, aber nach wiederholtem Hören entwickeln auch sie starken Wiedererkennungswert. Diese Themen verzahnt Michael Giacchino nun in packender und oftmals auch wirklich beindruckender Art und Weise mit den berühmten Themen der Vorgängerfilme und lässt sie «gegeneinander auflaufen». Das Ergebnis fordert mit Volumen, Wucht und viel schwerer Action, vermag aufgrund der thematischen Zitate und der häufigen Highlights aber durchgehend zu unterhalten. Stücke wie «The Theropod Preservation Society», «March of the Wheatly Cavalcade», «Nostalgia-Saurus», «Operation Blue Blood» und «To Free or Not to Free» bilden schöne Kontraste dank Melancholie und Zitate bekannter Themen zu den bombastischen Chor-Orgel-Orchester-Stücken «Shock and Auction», «Thus Begins the Indo-rapture», «There’s Something About Maisie», «World’s Worst Bedtime Storyteller», «Declaration of Indo-pendence» und die abschliessende, tolle Suite «At Jurassic World’s End Credits / Suite».

Fazit: Mit der Filmmusik für JURASSIC WORLD: FALLEN KINGDOM ist Michael Giacchino erneut ein grosser Wurf gelungen. Dies, nachdem er auch letztes Jahr mit WAR FOR THE PLANET OF THE APES einer der besten Filmmusiken des Jahres hingelegt hat. FALLEN KINGDOM wird es schwere haben, da vom Klangcharakter her empfindlich kratzbürstiger, aber wiederholtes Hören eröffnet unzählige eindrückliche, vielschichtige Momente, mit deren Entdeckung die Filmmusik immer faszinierender wird. Das ist keine Williams-Nostalgie-«Fahrt», aber deswegen nicht minder packend.

Basil, 18.8.2018

JURASSIC WORLD: FALLEN KINGDOM 

Michael Giacchino 

Backlot Music 

79:54 Min.
26 Tracks