The Great Hack

Tia, wir alle nutzen fortwährend digitale Technik. Und das, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung davon zu haben. Klar, um mir mit dem Smartphone eine Pizza zu bestellen brauche ich kein tieferes Verständnis von Verschlüsselung oder künstlicher Intelligenz. Und so werden wir immer weiter von Digitaltechnik umzingelt und abhängig gemacht. Wehren ist unmöglich. Selbst wenn man untertaucht und jede Form von Technik meidet, tauchen Infos über die eigene Vergangenheit früher oder später auf. Plötzlich findet man via Suchmaschine  ein uraltes Klassenfoto, oder einen Leserbrief, den man geschrieben hat, als es noch gar kein Internet gab.

Dann kommt ein Film wie THE GREAT HACK ins Spiel. Er zeigt was vor unseren Augen passiert, ohne das wir es sehen. Mit dem Klassenfoto wird die KI trainiert, der Leserbrief lässt Rückschlüsse auf den Schreiber zu. Technik erweist sich als hinterhältig und unzuverlässig. Gerade noch dienlich, lotet sie uns aus, und lässt uns Dinge tun, die wir eigentlich gar nicht wollen.

Genauso schräg, wie die Technik, die wir nutzen, zeigt sich auch Gil Talmis Synthesizer-Scoring zu THE GREAT HACK. Urban und minimalistisch wie MR. ROBOT oder David Arnolds CHANGING LANES sollte man Einhörzeit mitbringen oder eine Vorliebe für solches Scoring haben.

Die Schwäche der Komposition ist zugleich ihre Stärke: Sie ist nervig, aber das soll sie auch sein. Krasse Soundeffekte in «Self Protection» klingen nach kaputtem CD-Player. Man geht der Sache auf den Grund – nein, Player ist in Ordnung. Einmal dachte ich tatsächlich einer der PC-Lüfter hätte einen Lagerschaden («Grossly Unethical Experiment»): Falscher Alarm, nachdem ich meinen Rechner kurz inspizierte. Talmis Musik klingt also wie ein kaputter CD-Player oder nach einem Lagerschaden. Das ist so frech, dass es schon wieder genial zum Filmthema passt. Genauso tückisch wie Regierungen und Konzerne Technik nutzen, hat Talmi seinen Score mit akustischen Hindernissen gespickt, die am Anfang Verwirrung stiften. Aber nachdem man das Album ein paar Mal durch gehört hat entpuppt es sich als ein Geheimtipp aus 2019. Fazit: Talmi hat mit Hollywood Mainstream nichts am Hut, was man auch dieser Vertonung anmerkt. Sein Scoring präsentiert sich subversiv, aber auch mal bezaubernd oder monoton, aber nie langweilig. Wer es gerne zwei Noten ruhiger hat, und nicht immer Orchester-Bombast braucht, sollte mal das ein oder andere Ohr riskieren.

Oliver 29.3.2020

THE GREAT HACK

Gil Talmi

BMG

69:45 Min.
20 Tracks