Eine Filmmusik mit dem Titel SWASHBUCKLER (1976) – welcher Filmmusikfan erwartet dabei nicht Kompositionen für famose Piratenstreifen à la Erich Wolfgang Korngolds THE SEA HAWK (1940), CAPTAIN BLOOD (1935), der Alfred Newmans THE BLACK SWAN (1942) oder William Alwyns THE CRIMSON PIRATE (1952). Messer zwischen den Zähnen, Enterhacken schwingend, donnernde Kanonen, Douglas Fairbanks, Errol Flynn. Fasst man das Genre noch etwas weiter, dürfen Filme wie SCARAMOUCHE (Victor Young, 1952), THE ADVENTURES OF DON JUAN (Max Steiner, 1948) und THE ADVENTURES OF ROBIN HOOD (Korngold, 1938) ebenfalls erwähnt und von deren Musiken geschwärmt werden. Die gute, alte Zeit, als mit Kinderaugen dem Tun auf den weiten Meeren, auf Schiffen und in Burgen gefolgt und danach gerne draussen nachgespielt wurde. Erst im neuen Jahrtausend hat man mit der PIRATES OF THE CARIBBEAN-Serie (2003) das Genre in unsere Zeiten und Sphären zurückgeholt. Doch seien wir ehrlich: Weder die Filme noch die Scores können es mit dem Golden Age der Fecht-und-Entern-Filme aufnehmen.
SWASHBUCKLER entstand in einer Zeit, in der Spielberg mit JAWS (1975) und bald George Lucas mit STAR WARS (1977) die Welt erobern würden. Immerhin, es gab die erfolgreichen THE THREE MUSKETEERS Filme (1973, THE FOUR MUSKETEERS 1974) von Richard Lester, die bei Genrefans eine bescheidene Hoffnung auf Genre-Wiedergeburt nährten. Mitte der 70er kündigte Universal die millionenschwere und mit einem Topcast besetzte Produktion an. Regisseur James Goldstone, ein routinierter TV-Macher, sagte: «Meine Absicht ist, das Genre weiterzuführen, welches in den 40er Jahren verschwand, als sei es in den letzten 30 Jahren nie weg gewesen.» Als Star wurde Robert Shaw engagiert, der ein Jahr zuvor in JAWS Kritiker und Publikum überzeugte. Ihm zur Seite stellte man Jungstar Geneviève Bujold (ANNE OF THE THOUSAND DAYS, 1969 und EARTHQUAKE, 1974), Charakterdarsteller Peter Boyle als Bösewicht (TAXI DRIVER, 1976) und James Earl Jones (später unvergesslich als die Stimme Darth Vaders). Kurz vor dem Release des Films änderte man den Titel in THE BLARNEY COCK und dann doch wieder in SWASHBUCKLER. Goldstones Versuch dem Genre neuen Atem einzuhauchen, missriet, der Film floppte und machte damals als teurer Flop die Runde – oder anders ausgedrückt: SWASHBUCKLER soff ab. Es sollte wie oben bereits erwähnt bis 2003 dauern, ehe Piratenfilme dank PIRATES OF THE CARIBBEAN: THE CURSE OF THE BLACK PEARL (2003) wieder erfolgreich in die Kinos zurückkehrten.
Etwas überraschend scheint im Gesamtzusammenhang John Addison als Filmkomponist, der 1963 den Oscar für TOM JONES gewann und für Hitchcock bei TORN CURTAIN (1966) Bernard Herrmann ersetzen würde. Nach einem kurzen Ausflug nach Frankreich liess er sich in Hollywood nieder, die grossen Engagements aber blieben zunächst aus. Nach SWASHBUCKLER kamen Filme wie der erfolgreichere THE SEVEN -PER-CENT SOLUTION (1976) und A BRDIGE TOO FAR (1977) sowie später das bekannte TV-Thema für MURDER, SHE WROTE (1984). Doch nun endlich zur Antwort der alles entscheidenden Frage: Klingt SWASHBUCKLER denn auch wie ein Swashbuckler? Leider nein.
Bereits «Swashbuckler – Main Titles» lässt keine eigentliche Seefahrer- oder gar Seeräuber-Stimmung aufkommen. Diese Hauptthema, das eher ferne Ziele und exotische Plätze vermuten lässt, wird von Addison im Verlauf des Scores erstaunlich wenig eingesetzt. Mehr zu hören ist ein zweites, verspieltes Thema («The Coach Robbery»), hie und da vom Cembalo gespielt. Shaws Gegenspieler wird mit einer fast albern klingenden Melodie unterlegt («Duellist Dies») und Bujold/Shaw stellte er ein Liebesthema zur Seite, auch dieses eher wenig zu hören («Love Theme» wurde eigens für das Album eingespielt). Insgesamt bleibt nach den 50 Minuten Score ein unbefriedigendes Gefühl zurück. Ja, Addison weiss zweifellos auf seine Art mit der Thematik umzugehen, verwendet da eine Polka und dort einen Walzer, anstatt furiose und mitreissende Themen zu schreiben und nochmals ja, ein bisschen Spass macht der Score schon. Aber einige Momente klingen mehr nach Komödie, statt mit Salz und Pfeffer gewürzt sowie mit einem Schluck Rum abgelöscht vom Wind aufgeblähte Segel und flinke Degen- und Säbelgefechte erahnen zu lassen. Quartet präsentiert Addisons Score auf CD 1 (ohne den Track «Swimming Sequence / A New Awareness», dafür mit dem «Love Theme»), dazu gesellen sich 14 Minuten zusätzliche Musik (Alternates und Source Music). CD 2 enthält das Originalalbum mit knapp 34 Minuten.
Phil 1.12.20
SWASHBUCKLER
John Addison
Quartet Records
CD 1: 64 Min. / 29 Tracks
CD 2: 33 Min. / 13 Tracks