The Sugarland Express

Steven Spielbergs Erfolgsgeschichte in Sachen Kinotheater begann bei uns zwar mit einer erweiterten Version von DUEL (1971), aber der erste richtige Kinofilm des jungen Filmemachers war THE SUGARLAND EXPRESS (1974) mit der damals hippen Goldie Hawn (Oscar für CACTUS FLOWER, 1969), dem immer gerne gesehenen Ben Johnson, Michael Sacks und William Atherton in den Hauptrollen. Erzählt wird lose eine Tatsachengeschichte, die natürlich für die Filmsäle etwas dramatisiert wurde: Lou Jean überredet ihren Ehemann, der nur noch einige Monate abzusitzen hätte, aus dem Gefängnis zu fliehen damit sie gemeinsam ihren Sohn, der bei einer Pflegefamilie lebt, kidnappen und als Familie weiterleben zu können. Die naive Idee verkommt alsbald zu einer Verfolgungsjagd, als das Paar einen Cop entführt und zu einer kurzfristigen Mediensensation des Paars – mit dramatischem Ende.

Spielberg entwickelte die Story gemeinsam mit Hal Barwood und Matthew Robbins, an der Kamera sass Vilmos Zsigmond, mit dem der junge Regisseur wenige Jahre später, 1977, CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND drehen würde. SUGARLAND ist für einen Erstling eine Sensation, man bemerkt und sieht die Freude sowie das Können eines Filmemachers, der seinen Beruf gemacht ist (was zu beweisen war…).

Steven Spielberg war beeindruckt von John Williams’ THE REIVERS (1969) und nachdem Billy Goldenberg, der unter anderem die Musiken zu Spielbergs DUEL und dessen famoser, ersten Folge (nicht den Piloten) der COLUMBO-Reihe «Murder by the Book» schrieb, terminlich nicht abkömmlich war, sagte Williams schliesslich zu. Doch statt des erwünschten satten Americana-Scores überzeugte Williams Spielberg davon, ein kleiner Score für Mundharmonika werde das Richtige für den Film sei. So entstand eine spezielle Filmmusik auf deren offizielle Veröffentlichung wir satte 50 Jahre warten mussten –eine legendäre Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Komponist begann.

Toots Thielemanns spielte die Mundharmonika, während für den Rest der Instrumentationen (Gitarre, E-Bass – die unvergleichliche Carol Kaye am Fender – , Schlagzeug, Streicher, Perkussion) ein Teil der bekannten Recording Musiker der sogenannten «The Wrecking Crew» (u.a. The Beach Boys, Petula Clark, Frank Sinatra, Simon & Garfunkel) bereitstand.

Knapp 41 Minuten beschert uns La-La Land mit dieser Premiere, die so anders klingt als alles, was John Williams für Steven Spielberg später schreiben würde. Die Mundharmonika ist natürlich omnipräsent und verleiht zusammen mit der sparsamen Orchestration dem Film ein durchaus passendes Roadmovie- und Hinterlandflair, das von der gefühlvollen Interpretation des Hauptthemas (wir kennen es aus THE SPIELBERG/WILLIAMS COLLABORATION von Sony, ebenfalls von Thielemanns interpretiert) bis zu vorantreibenden Rhythmen in Tracks wie «Open Highway» und «Pursuit» (Perkussion, Timpani…) den Geschehnissen im Film Unterstützung bietet. Direkte Spannungsmusik wie in «Setting the Trap» und «Last Conversation» ist sparsam eingesetzt, wie der Score insgesamt auch eher karg verwendet wird (nicht alles der 41 Minuten fand schliesslich den Weg in den Film). Am ehesten ist THE SUGARLAND EXPRESS mit THE MISSOURI BREAKS (1976) und so das Orchester eingesetzt wird wie in «The Last Ride» mit dem exzellenten THE COWBOYS (1972) in eine «Klangfamilie» zu bringen, später vielleicht noch mit THE RIVER (1984). Musikalisch und abseits vom Film ist SUGARLAND EXPRESS den Geschehnissen im Film und der Zeitperiode geschuldet, aber es ist ein filmmusikhistorisch wichtiger Punkt einer unvergesslichen Kollaboration.

Im selben Jahr schrieb Williams die Scores zu EARTHQUAKE (1974) und THE TOWERING INFERNO (1974) und erklomm damit die Leiter zu den Box Office Filmen, die er im Jahr darauf, es ist bekannt, mit JAWS (1975) toppen sollte.

Dieses La-La Land Album ersetzt nun also die diversen Bootlegs (die meisten mit einer 40 Minuten Laufzeit), die kursierten. Toll gelungen ist das 28-Seiten Booklet mit einem Text von Mike Matessino, ein würdiger Aufwand für den Start dieser grandiosen, fast 50 Jahre dauernden Kooperation zwischen Filmemacher und Komponist.

Phil  |  24.07.2024

THE SUGARLAND EXPRESS
John Williams
La-La Land Records
40:31 | 24 Tracks
Limitiert auf 5000 Stück