The River (Intrada)

THE RIVER (1984) gehört in eine Zeit, in der ich Filmmusik so richtig zu entdecken begann. Um ins gelobte Land, sprich zu Froschmayer nach Thalwil zu gelangen, war ich auf Mitfahrgelegenheiten angewiesen. Irgend jemand aus der Familie fand sich schliesslich immer. Und so kam es, dass ich eines Tages diese LP dort am Zürisee entdeckte und diesen John Williams erstehen konnte, der mir natürlich dank aufsehenerregenden Science-Fiction-Musiken und Kinobesuchen ein Begriff war. Aber das Geld als Schüler war eher mau und so konnte ich mir vielleicht alle paar Monate mal eine Platte leisten. THE RIVER war nun also eine und wie es damals eben noch war, hegte ich jeden Kauf wie einen Schatz, auch wenn mich der Score damals ein bisschen enttäuschte, schliesslich war ich ganz anderes, sprich gewaltiges und sinfonisches, von Williams gewohnt.

Dennoch, THE RIVER lief auf und ab, schliesslich und endlich war es eben «ein Schatz» und thematisch ist diese Musik definitiv ein kleines Träumchen.

Intrada hat es nach 26 Jahren geschafft, die originalen Filmbänder aufzutreiben und präsentiert den Filmscore ab Track 12 bis und mit 25. Die Stücke vorher entsprechen der von Williams speziell für das Album angefertigten Version und die Tracks 26 bis 28 stellen Extras dar.

Mit Mark Rydell hat Williams an insgesamt vier Filmen gearbeitet. Der erste war THE REIVERS (1969) mit Steve McQueen, für den sich der Komponist eine Oscarnomination abholen konnte. THE COWBOYS (1972) und CINDERELLA LIBERTY (1973, Nominationen für Song und Score) folgten.

THE RIVER ist ein Film über eine Farmerfamilie, die in Tennessee am Rande ihrer Existenz schuftet und es mit der Hausbank zu tun bekommt – man will ihnen ihr Gut wegen ausbleibender Zahlungen wegnehmen, wie es einigen Nachbarn zuvor wiederfahren ist. Gleichzeitig will ein Senator einen Damm bauen, um Elektrizität zu erzeugen, was das Ende vieler Farmen bedeuten würde. Noch mehr Unglück im Unglück als heftige Stürme das Land der Garveys zu überfluten drohen.

In den Hauptrollen sind Mel Gibson (in seiner ersten Rolle in einem US-Film), Sissy Spacek und Scott Glenn zu sehen. Eigentlich als Oscaranwärter geplant, erhielt der Film fast ausschliesslich Nominierungen in technischen Sparten (Kamera, Ton, Musik plus Sissy Spacek als weibliche Hauptrolle). THE RIVER gewann einen Special Achievement Award für den Tonschnitt und schaffte es nicht an den Kinokassen aufzutrumpfen. Mitunter lag es wohl daran, dass noch zwei andere Streifen ähnlicher Thematik im gleichen Jahr in die Filmtheater kamen: PLACES IN THE HEART und COUNTRY.

Wie auch immer, ein Höhepunkt von THE RIVER ist John Williams’ Musik, auch wenn es davon relativ wenig gibt; rund 35 allerdings bemerkenswerte Minuten, schrieb Williams. Sein Hauptthema wird oft von einer akustischen Sologitarre gespielt («The Family»); es ist zu Unrecht eines der unbekannteren und unterschätzten Motive aus des Komponisten Feder. In der Albumversion ist dieses Thema übrigens präsenter als im Filmscore. Für die Familie hält Williams ein weiteres Thema bereit, mal interpretiert von einer Trompete («The Hotel»), mal als synthetische Version («Dialing the Hospital»), übernommen von Streichern in dem einen und von Holzbläsern in einem anderen Track, von optimistischerer Natur in Stücken wie «The Garveys». Es ist dies auch das Thema, das schliesslich den Zusammenhalt der Farmer in der Sequenz unterstreicht, in der diese der Familie helfen ihre Felder vor den Fluten zu bewahren.  

Auffallend ist der Unterschied zwischen Albumversion (die auf der alten LP und der längst vergriffenen CD enthalten war) und dem eigentlichen Filmscore. So kann man sich aber problemlos durch die ganze CD hören und entdeckt andere Zugänge, Arrangements und Aufbauten. Spannend. THE RIVER war übrigens die letzte Filmmusik, für die Williams eigens eine Aufnahme für ein Album ausführen konnte. Tolle Musik aus einer anderen Williams-Ära, viele Erinnerungen und Momente aus jener Zeit, die Umstände, die Mitte-Achtziger eben – eigentlich unwiederbringlich und doch dank einer Musik wie THE RIVER stets ein wohliges Gefühl erzeugend.

Phil, 11.6.2020

 

THE RIVER

John Williams

Intrada Special Collection

79:32 Min.
28 Tracks