Raphael Fimm: Ein Interview

Weiter geht es mit unserer Reihe junger, deutschsprachiger Filmkomponisten.

Raphael Fimm hat als Kind Klavierstunden geniessen dürfen. Bei der Triagon Academy in Köln hat er einen Abschluss in Medienkomposition erarbeitet, ausserdem nahm er an Kursen am renommierten Berklee College of Music in Boston teil. Beim deutschen Filmkomponisten Gerd Wilden jr. hat er ein Praktika absolviert und für Alex Heffes war er als Assistent während den Aufnahmen in Wien für THE ARCTIC: OUR LAST GREAT WILDERNESS (2021) tätig.

fmj: Erzähl uns doch wie Du zur Filmmusik gekommen bist? 

Raphael Fimm: Ich habe bereits im frühen Kindesalter mit dem Klavierspielen angefangen. Auch durch die Musikalität meines Vaters war die Musik schon früh ein wichtiger Teil meines Lebens. Meine ersten bewussten Erlebnisse mit Filmmusik waren STAR WARS: RETURN OF THE JEDI (1983) und LIKE MIKE (2002), einer meiner Lieblingsfilme als Kind. Allerdings hat mich später CINEMA PARADISO (1988) in dieser Hinsicht besonders geprägt und maßgeblich meine Entscheidung, Filmkomponist zu werden, beeinflusst.

fmj: Gibt es filmmusikalische Vorbilder oder Komponisten, deren Musik Du besonders schätzt?

Raphael Fimm: Ennio Morricone zählt von Beginn an zu meinen wichtigsten Vorbildern in der Filmmusik. Ich bin sowohl als Konsument, als auch in meiner Arbeit sehr Melodie orientiert. Für mich persönlich kann eine Melodie eine unglaublich starke emotionale Wirkung hervorrufen, die eine reine Soundtextur nicht erzeugen kann. Die Filmmusik hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert, es gibt einen Zweig, in dem Melodien teilweise keine so große bis gar keine Rolle mehr spielen. Das ist einfach Teil der Entwicklung und liegt in erster Linie daran, dass die Musik in gewisser Weise eine andere Rolle im Film spielt, als sie es vor 50 Jahren getan hat. Es gibt allerdings auch heutzutage noch viele Filme, in denen der (leitmotivischen) Filmmusik viel Raum gegeben wird und ich freue mich immer, wenn ich Teil eines solchen Projektes sein darf. 

fmj: Du gehst ja eher nach der traditionellen piano-and-paper-first Methode vor. Wo siehst Du darin den Vorteil für Dich und für die Filme, für die Du komponierst? 

Raphael Fimm: Es kommt immer stark auf das jeweilige Projekt und den Zeitplan an. Wenn ich die Zeit habe, empfinde ich diese Methode als die kreativere für mich. Ich bin gerade beim Orchestrieren ein sehr visueller Mensch und bin am kreativsten, wenn ich direkt an der Partitur arbeite und die Noten vor mir habe und aufschreibe. Da ich im Anschluss dennoch ein Mockup in der DAW (Digital Audio Workstation) mache, ist dies natürlich ein zusätzlicher, zeitintensiver Schritt. Ich hatte bisher das Glück, dass viele meiner Projekte eine solche Arbeitsweise zeitlich zugelassen haben. Wenn ein Spielfilm in drei bis vier Wochen vertont sein muss, wäre das zu viel, dann mache ich alles direkt in der DAW. 

fmj: Welches würdest Du als Deine bisher beste Arbeit beschreiben oder die Musik, die Dich mit besonderem Stolz erfüllt? 

Raphael Fimm: Ich hatte bisher das Glück, an vielen interessanten Projekten beteiligt gewesen zu sein. Zwei Arbeiten stechen für mich in dieser Hinsicht besonders heraus. Die beiden Dokumentarfilme KEEPING CHRISTMAS (2021) und THE FIRE CATS (2022). KEEPING CHRISTMAS weil es stilistisch eine große Herausforderung war und mich nach anfänglichen Schwierigkeiten zu einigen Melodien inspiriert hat, auf die ich heute noch stolz bin. THE FIRE CATS war eines dieser Projekte, die mich auch persönlich sehr bewegt haben. Die Regisseurin hat mir sehr viel Freiraum gelassen, wodurch ich mich kreativ entfalten konnte. Die Musik spielt eine große emotionale Rolle im Film, was mir in meiner Arbeitsweise und Art zu komponieren sehr entgegenkam. 

fmj: Und Deine beste Erfahrung mit einem Regisseuren?

Raphael Fimm: Ich habe bisher sehr viele gute Erfahrungen mit verschiedenen Regisseurinnen sammeln können. Besonders in Erinnerung ist mir die Zusammenarbeit mit Rick Van Velsor, dem Regisseur von KEEPING CHRISTMAS, geblieben. Dies war zu dem Zeitpunkt erst meine zweite Spielfilm-Dokumentation und ich habe sehr viele Anläufe gebraucht, um den richtigen Ton zu treffen. Das hat mich natürlich anfangs sehr verunsichert, doch Rick hat mir immer das Gefühl gegeben, dass er mir zu 100% vertraut, was sehr wichtig war. Gemeinsam haben wir uns letztendlich auf einen klassisch inspirierten, kammermusikalischen Ansatz geeinigt, der sehr gut funktioniert hat.

fmj: Siehst Du im momentanen Hoch an Streamingdiensten und der Vielzahl an Serien und Filmen einen Vorteil oder hat das Ganze auch negative Seiten? 

Raphael Fimm: Ich sehe darin sowohl positive als auch negative Seiten. Durch die Masse an Produktionen bieten sich natürlich viele Möglichkeiten, besonders in beruflicher bzw. geschäftlicher Hinsicht. Aus der künstlerischen Perspektive ist dies allerdings nicht immer zielführend, da Quantität und Qualität nicht zwangsläufig miteinander einhergehen. Ich denke, es ist ein Trend, der wie jeder Trend irgendwann sein Maximum erreicht und schlussendlich neuen Trends weichen muss.  

fmj: Welche Deiner Auszeichnungen bedeutet Dir am meisten? 

Raphael Fimm: Ich wurde relativ früh in meiner Karriere für eine meiner ersten Arbeiten bei den Hollywood Music in Media Awards in Los Angeles nominiert. Der Film hieß LE CONSTRUCTEUR DE MALHEUR (2015). Ich bin damals leer ausgegangen und dennoch hat mich das Erlebnis sehr geprägt und viele Türen geöffnet. Im Jahr 2018 habe ich für die kanadische Dokumentation THE SUNRISE STORYTELLER (2017) beim Sunlight International Film Festival in Berlin die Auszeichnung für die beste Filmmusik bekommen. Das war für mich die erste physische Auszeichnung bei einem vor-Ort-Event und bedeutet mir deshalb auch heute noch sehr viel.

fmj: Wo siehst Du Deine Zukunft als Filmkomponist? Gibt es einen Traum? Und für welchen Film hättest Du gerne die Musik geschrieben? 

Raphael Fimm: Heutzutage spielt es keine große Rolle mehr, von wo aus man arbeitet. Ich fühle mich hier in Wien sehr wohl und arbeite dennoch vermehrt an internationalen Projekten, auch wenn der Anteil der deutschsprachigen Projekte in den letzten zwei Jahren zugenommen hat. Ich möchte auch in Zukunft eine gute Balance in dieser Hinsicht finden, da ich es sehr inspirierend finde, mit Menschen aus vielen verschiedenen Ländern und Kulturen zu arbeiten. 

Musikalisch freue ich mich immer, wenn mir der Raum gegeben wird, Musik zu komponieren, die auch unabhängig vom Film funktioniert. Auch wenn die Priorität immer dem Film gilt, ist es schön, wenn Leute meine Musik unabhängig dessen hören und wahrnehmen. Auch habe ich vor einigen Jahren angefangen, nebenbei an kleineren Konzertwerken zu arbeiten und möchte dies in Zukunft auf alle Fälle mehr vertiefen.

Es gibt sicher den ein oder anderen Film, bei dem ich mir gewünscht hätte, mitgewirkt zu haben, aber das finde ich im Nachhinein immer sehr schwer zu beurteilen, wenn man dann die letztendliche Filmmusik kennt und weiß, wie gut diese funktioniert. Ich freue mich einfach darüber, an Projekten arbeiten zu dürfen, die mir Spaß machen.

fmj: Welche Projekte stehen an? 

Raphael Fimm: Ich habe gerade die Arbeit an einem französisch-britischen Kurzfilm begonnen, der mir musikalisch viel Freiraum lässt. Das macht sehr viel Spaß. Danach stehen u.a. zwei Spielfilm-Dokumentationen an, beides sehr interessante Projekte und Geschichten. Auch arbeite ich immer wieder mit Sänger und Sängerinnen innen zusammen und schreibe Song-Arrangements. Zudem wird eines meiner Konzertwerke im Februar in der Händel Halle in Halle uraufgeführt.

fmj: Herzlichen Dank für Deine Antworten!

Unter www.raphael-fimm.com sind u.a. Klangbeispiele zu hören.