Alan J. Pakula ist Garant für düstere Thriller, als gritty werden diese im Englischen gerne umschrieben. Aus seinen Anfangsjahren als Regisseur stammen eben solche Filme wie KLUTE (1971) und der geniale ALL THE PRESIDENT’S MEN (1976) – danach dauerte es jedoch 14 Jahre bis Pakula wieder zu dieser Form zurückfinden würde, dazwischen gab es ein wahres Auf und Ab an Erfolgen, Misserfolgen, guten und missratenen Filmen.
PRESUMED INNOCENT fusst auf dem Roman von Scott Turow und erzählt die Geschichte des Staatsanwalts Rusty Sabich, der in einen Mordfall verwickelt wird – dummerweise hatte Sabich mit der Toten, ebenfalls in der Staatsanwaltschaft tätig, ein (durchaus besonderes) Verhältnis. In weiteren Rollen sind der grossartige Brian Dennehy, ein kühlberechnender Raul Julia, Bonnie Bedelia, Greta Scacci und John Spencer zu sehen. Hinter der Kamera sass der spätestens mit THE GODFATHER berühmte gewordene Gordon Willis, mit dem Pakula zuvor bei den oben erwähnten Werken als auch bei THE PARALLAX VIEW (1974) oder COMES A HORSEMEN (1978) arbeitete. Auch PRESUMED INNOCENT (1990) profitiert enorm von Willis Stil der Ausleuchtung.
Etwas überraschend wurde John Williams als Komponist für diesen Film ausgesucht, obschon dieser schon zuvor desöfteren von der Blockbusterschiene abbog. Doch PRESUMED INNOCENT war ein besonderes Projekt: Atmosphärisch, beklemmend, manchmal hoffnungslos und von politischen Spielereien geprägt – von erstklassigen Schauspielleistungen begleitet und eben jenem Twist, der einst die 70er Thriller berühmt machte.
Mittendrin ist ein kurzer Score, der (im Film) um die 40 Minuten Marke pendelt, bisweilen melancholisch, düster, resignierend und nur mit kurzen Momenten, in denen das Familienleben scheinbar normal verläuft («Family Morning», «Family Theme», «Return to Normal» in bester Americana Manier). Williams präsentiert unter anderem Solo-Horn, Klavier, Streicher, Holzbläser, Timpani-Schläge und, besonders auffällig, einen Synthesizer, was beim damals 58jährigen Komponisten in der Tat erwähnenswert ist.
Das Hauptthema, gleich zu Beginn in «Main Title (from the Motion Picture Presumed Innocent)» zu hören, ist Haupt- und Angelpunkt, um das Williams die Musik strickt. PRESUMED INNOCENT ist jedoch mehr als ein one-themer, versteht es Williams doch meisterhaft das Thema zerstückelt und variantenreich wiederzugeben. Nach und nach erklingt die Komposition düsterer und fragmentierter, spürbar kühler und manchmal distanziert, kunstvoll und vortrefflich verarbeitet, bis der Score im fantastischen «End Credits (from the Motion Picture Presumed Innocent)» richtiggehend explodiert.
Neu hinzugekommen sind sieben Tracks sowie weitere sieben mit bisher nicht veröffentlichter Musik. Von der alten Version unterscheidet sich dieses Club Album – insbesondere für jene Hörer, die Ersteres gut kennen – hörbar, da die 1990er CD mehrere Cues in einen Track versammelt präsentierte und der chronologische Aufbau fehlte.
PRESUMED INNOCENT hat seinen Platz in der Gruppe anderer bleiern schweren und aussergewöhnlichen Williams-Werken wie SLEEPERS (1996), NIXON (1994) oder IMAGES (1972) mehr als verdient, insbesondere in dieser neuen Varèse Club Version, die deutlicher die bedrückende Gefühlswelt des Films wiedergibt als das alte, von Williams produzierte Album.
Phil | 20.09.2022
PRESUMED INNOCENT
John Williams
Varèse Sarabande Club
77:56 | 35 Tracks
Limitiert auf 2500 Stk.