Our Christmas Sequence

Dass auf dieser CD so viele meiner Lieblingskomponisten aus dem (hauptsächlich) klassischen Bereich versammelt sind wie auf keinem anderen, mir bekannten Tonträger, ist fast ein kleines Weihnachtswunder. Eine schamlos voreingenommene Rezension ist deshalb ebenso vorprogrammiert wie unausweichlich. Bei besagten Komponisten handelt es sich ‒ das muss natürlich hervorgehoben werden ‒ um Ralph Vaughan Williams, Peter Tschaikowsky, Johannes Brahms, Gustav Holst und, last but not least, Miklós Rózsa.

Von Rózsa stammt denn auch das Herzstück des Programms, das quasi der CD auch ihren Titel gibt. A CHRISTMAS SEQUENCE vereinigt die Musik rund um die Geburt von Jesus Christus, die Rózsa für BEN-HUR und KING OF KINGS geschrieben hat. «Mary and Joseph» (KoK), «Star of Bethlehem» (BH), «Adoration of the Magi» (BH) und «Nativity» (KoK) bilden die Grundlage für dieses von Christopher Palmer exquisit arrangierte, fast zehnminütige Stück mit überaus magischer Ausstrahlung. Im Gegensatz zu den Filmen, wo der Chor wortlos singt, sind hier teilweise Texte zu hören, die Harry Robert Wilson für spätere A-capella-Fassungen der individuellen Stücke verfasst hat.

Zu THE HOLLY AND THE IVY, einem englischen Weihnachtsfilm von 1952, schrieb Malcolm Arnold die Musik, die von Christopher Palmer zu einer «Fantasy on Christmas Carols» verarbeitet wurde. Nebst dem titelgebenden Choral griff Arnold auch auf andere bekannte englische Weihnachtslieder zurück, und Palmer sorgt mit einer ausgewogenen Mischung aus getragenen Klängen und der oftmals exaltierten Ausdrucksart Arnolds für neun ebenso feierliche wie flotte Minuten Musik.

Ein Knabensopran mit Harfenbegleitung ist bei «A Legend» zu hören. Dabei handelt es sich um die Nr. 5 aus Tschaikowskys Op. 54 16 KINDERLIEDER. Auf «The noble Stem of Jesse» ‒ die englische Version von «Es ist ein Ros entsprungen» für A-capella-Chor ‒ folgt eine recht abgewandelte Brahms-Bearbeitung der Weise aus seinem letzten Werk Op. 122 ELF CHORAL-VORSPIELE FÜR DIE ORGEL, hier von Palmer für Streicher arrangiert. Beim Krippenspiel THE FIRST NEWELL handelt es sich ebenfalls um eines der letzten, in diesem Fall unvollendeten Werke eines grossen Komponisten: Ralph Vaughan Williams. Hieraus ist «In Bethlehem City» für Frauenchor zu hören.

Nebst weiteren Chorälen von Johann Sebastian Bach, Percy Grainger, Benjamin Britten u.a. wird mit Frederick Delius› stimmungsvollem, stark von Edvard Grieg geprägten SLEIGH RIDE das einzige, rein orchestrale Stück nebst THE HOLLY AND THE IVY geboten. Es wurde ursprünglich als NORWEGIAN SLEIGH RIDE für Klavier geschrieben. Ein weiterer namhafter Komponist macht mit CHRISTMAS DAY den Abschluss des Programms. Gustav Holst nimmt sich einiger geläufiger Choräle seiner Heimat an und verarbeitet sie mit grosser Hingabe für Chor und Orchester.

Dieses vorzügliche, von Christopher Palmer zusammengestellte und produzierte Album deckt verschiedene Epochen und Kulturen ab, es überwiegen indes englische Komponisten. Es erschien erstmals 1992 bei Carlton Classics. Die mir vorliegende Wiederveröffentlichung von Alto stammt aus dem Jahre 2016. Die Liner-Notes dürften, auch wenn dies nirgends vermerkt ist, ebenfalls von Palmer stammen. Beim Dirigenten John Scott handelt es sich aber wohl nicht um den Filmkomponisten. Nichtsdestotrotz haben wir mit Miklós Rózsa, Malcolm Arnold und Christopher Palmer natürlich Bezüge zur Filmmusik. Die CD empfiehlt sich für alle, die eine Alternative suchen zu den alle Jahre wiederkehrenden Weihnachtsliedern oder den gängigen, saisonalen Filmscores. Sie bietet Musik, die weniger den Geist von «Merry Christmas» bedient, sondern sich mehr der Stimmung besinnlicher Feiertage widmet. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesenden mit den besten Wünschen ebensolche.

Andi  |  14.12.2022

OUR CHRISTMAS SEQUENCE
St. Paul's Cathedral Choir
Royal Philharmonic Orchestra
Cond. John Scott
Alto ALC 1325
68:17 / 15 Tracks