Obwohl es das bei Sir Arthur Conan Doyle nie gab, ist die Vorstellung, dass Sherlock Holmes in den Mordfällen des berüchtigten Jack the Ripper ermittelt, sehr reizvoll und anhand der zeitlichen Übereinstimmung naheliegend. Das entging auch findigen Drehbuchautoren nicht, und MURDER BY DECREE (1979) ist einer jener Filme, die sich mit der Thematik befassen. Umgeben von einer ganzen Schar illustrer Co-Stars heften sich ein hervorragender Christopher Plummer als Holmes und James Mason als Watson an die Fersen des Londoner Serienkillers. Inszeniert von Bob Clark, den man vor allem mit dem Kultklassiker A CHRISTMAS STORY (1983) in Verbindung bringt, sind für die Musik mit Carl Zittrer und Paul Zaza zwei von Clarks bevorzugten Komponisten zuständig.
Die Musik orientiert sich grossenteils nicht am viktorianischen England, sondern ist deutlich moderner gestaltet. Die verwinkelten, nebligen Gassen von Whitechapel finden sich atmosphärisch gut getroffen in dumpfen, tiefen Holzbläsern, Streichern, Harfe und Klaviereinwürfen wieder. Volksliedhafte Passagen tauchen auf, werden von den zutiefst beunruhigenden Klängen aber geradezu niedergerungen. Da es zuweilen deftig-heftig wie in einem Horrorfilm zu und her geht, sind auch einige akustische Schockmomente zugegen. Da rüstet sich das Orchester dann mit brutal zu Werke gehendem Blech auf, und ein kurzer Moment erinnert gar an JAWS (1975).
Wenn sich schliesslich die Nebel lichten, wird auch die Musik sanfter und thematischer. Das zuvor einen schweren Stand habende, Volksliedhafte drängt sich nun in den Mittelpunkt, die Holzbläser werden versöhnlich. Sie tragen «Annie’s Theme», das der Schlüsselfigur des Filmes zugeordnet ist, und den «End Title», der sich der traditionellen schottischen Weise «My Last Farewell to Stirling» bedient. Der liebliche Ausklang für einen sehr soliden Score, dem es nicht primär um eingängige Kost geht, sondern der den Geist des Filmes zu ergründen sucht.
Die Musik wurde vor dem endgültigen Schnitt des Filmes komponiert und aufgenommen, überwiegend in London, aber auch in Toronto. Nicht alles fand letztlich den Weg in den Film. Um den Hörgenuss zu optimieren, wurden kürzere und längere Cues zusammengefasst. Das Booklet bietet unter anderem einen Überblick über die Mordopfer Jack the Rippers und ein ausführliches Interview mit den Komponisten. Infos darüber, warum keinerlei Artwork oder Bilder des Films verwendet wurden (oder wahrscheinlich durften), findet man hingegen keine. Aber das ist die geringste Sorge angesichts dieser sehr lobenswerten Erstveröffentlichung von MURDER BY DECREE.
Andi | 22.07.24
MURDER BY DECREE
Carl Zittrer, Paul Zaza
Howlin' Wolf Records
42:19 | 16 Tracks