La vita è bella

Review aus The Film Music Journal No. 19, 1999

Ein schallendes Lachen nach der Oscarverleihung. Wieder einmal hatte ein angeblicher Außenseiter vor den hochgehandelten Werken der Hollywood-Komponisten den Vorzug erhalten, mit dem üblichen, wochenlang anhaltenden Lamento auf den Internetseiten im Schlepptau. Von der eigenen Beschränkung auf Hollywood schließen offenbar nicht wenige Sammler – manchmal ein gestandenermaßen ohne die europäischen Nominierungen überhaupt zu kennen – auf eine Art Unrecht, hervorgerufen durch fachfremde Academy-Mitglieder. Was ist schon ein Oscar, heißt es dann, während zuvor gefiebert worden war, ob auch John oder Jerry oder Hans die Statue bekommen würde.

Das Vergnügen an diesem Vorgang läßt für einige Momente vergessen, daß Nicola Piovanis Musik zu LA VITA È BELLA keineswegs besser ist als die Hollywood-Schmonzetten. Das gilt sowohl für die reine CD-Fassung als auch den funktionalen Einsatz im Film, welcher nun allerdings mit Recht als eines der turmhoch aus der Masse herausragenden Meisterwerke der neunziger Jahre gefeiert wird. Roberto Begninis italienische Tragikomödie hat bei oberflächlichem Besehen zwei ganz verschiedene Hälften, die nur durch die Hauptpersonen miteinander verbunden sind.

Guido, der Kellner, erobert im ersten Teil, der vielleicht als einer von drei oder vier Filmen des letzten halben Jahrhunderts Chaplins Niveau erreicht, das Herz seiner angebeteten „Principessa» Dora. Ein kleiner Schnitt, und wenige Jahre später haben beide einen hellwachen Sohn. Doch eines Tages wird, wir sind in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs, die jüdische Familie in ein Konzentrationslager abtransportiert, und Guido versucht in der Not seinem Sohn weißzumachen, es gehe nur um ein abenteuerliches Spiel. Natürlich sind beide Teile engverzahnt, und fast alle Fäden, die zu Beginn gesponnen worden waren, erfahren – unter tragisch verkehrten Vorzeichen – eine Weiterführung. Zwei Seiten einer Medaille, aber mit sehr verschiedenen formalen Mitteln umgesetzt. Während man im zweiten Teil nicht mehr weiß, ob man über Guidos verzweifelte Eskapaden lachen soll oder weinen, hört man Piovani zu, wie er sich anstrengt, ohne zu moralisieren.

Für das Holocaust-Grauen reichen einigen Intellektuellen zufolge nicht einmal Zwölftonmusiken mehr aus, weil jede musikalische Konstruktion eine gewaltige Verharmlosung darstellt. Die Lösungsversuche erfassen entweder – wie in SCHINDLER’S LIST oder K – den Perspektivenwechsel hin zur Opferseite, verkörpert durch jiddische Melodien; oder aber der Komponist weigert sich überhaupt, eine moralische Haltung einzunehmen. Piovani tut gut daran, die Unverfrorenheit seines Regisseurs nicht durchkreuzen zu wollen – um den hohen Preis allerdings, daß seine Musik nur dann als wirkungsstark anzusehen ist, wenn man ihre Aufgabe auf formale Funktionen und allgemeinen Klanghintergrund eingrenzt. Piovani schreibt kaum einmal durchdringende Melodien, und für die Ankunft im KZ verläßt er sich auf gedehnte Mollakkorde, zu wenig, um als eigener Kommentar zu überzeugen, zu viel, um nicht aufzufallen. Im ersten Teil, teilweise eine Nummernrevue, hilft Piovani dem Film mit anmutiger Leichtigkeit, im zweiten versucht er, nicht zu stören. Vielleicht bestand seine Klugheit einfach in dieser Zurückhaltung.

Matthias  |  1999


LA VITA È BELLA

Nicola Piovani

Virgin

39:39 | 17 Tracks