kurz und knapp 41: The First Omen, Species, Uncommon Valor, Silent Night, L’Empereur de Paris, Madame Web, Navy Seals, The Joe Kramer Collection, Flyways…

Auf zu seiner neuen Auswahl an Kurzrezensionen, die letzten 2 Monate waren in Sachen Veröffentlichungen überraschend ergiebig.

UNCOMMON VALOR
James Horner | Quartet Records

Erneute Auflage, dieses Mal vom spanischen Label Quartet Records, des frühen James Horner Scores zu einem Film im Fahrwasser von FIRST BLOOD, aber weit von dessen Qualitäten entfernt, interessanterweise vom selben Regisseur stammend. Musikalisch ist der Score zwischen den Jack Ryan Filmen, STAR TREK II: WRATH OF KHAN und ganz viel ALIENS (1986) anzusiedeln. Höhepunkte des Scores sind der deftige Marsch («Tag», «End Credits») à la Frank DeVol und Elmer Bernstein sowie die Actionmomente, während die eingeschobenen Lokalkolorite mittels Shakuhachi, Gamelan & Co. vertreten sind. Die Tonqualität der 64 Minuten (gegenüber den 51 Minuten der Intrada CD aus 2010, geschuldet hier vor allen Dingen den zusätzlichen «Extras») ist absolut top, der Score klingt so frisch wie nie zuvor. Fans von Horner-Action werden ihre wahre Freude an UNCOMMON VALOR (1983) haben.
Ein bisschen mehr zur Musik gibt es in der Rezi aus dem Jahr 2010 zu lesen.
|  Phil

SPECIES
Christopher Young | Intrada 2-CD

Nachdem Intrada selbst seinerzeit eine vielgesuchte Promo anbot, dieser 2008 mit dem ersten offiziellen Release folgte, schiebt das Label nun eine Doppel-CD zu SPECIES (2005) nach. Wobei… nur CD 1 ist an sich neu, die zweite Scheibe bietet exakt das Programm von 2008 wieder. Somit sind es 37 Tracks verteilt auf knapp 80 Minuten, die für den Sammler wirklich beachtenswert sind, es sei denn man habe das 2008er Album ausgelassen. SPECIES war mit 171 Millionen $ weltweit ein ganz anständiger Erfolg umso erstaunlicher war es, dass damals kein Soundtrackalbum erschienen ist. Der Film von Roger Donaldson ist durchaus nicht schlecht geraten und selbst Mr. Alien, H.R. Giger, mischte hier mit. Youngs Musik ist eine flotte orchestrale Tour-de-force mit Frauenchor (manchmal mit verführerischer Solostimme) und Synthesizer sowie deftigen, oft rhythmisch geprägten Actionelementen (Young baut durchwegs immer wieder Spannung auf), hier nun auf CD 1 in nicht ganz chronologischer Form zu hören – wie Jerry Goldsmith in ALIEN musste auch Young einige Tracks umgestalten und die Macher verwendeten seine Musik desöfteren so und dort, wie und wo sie es für richtig hielten. Dennoch: Verständlich, dass Youngs Musik, die etwas James Horner Geschmack hat, damals von manch einem Fan gewünscht wurde. Abgerundet wird die Doppel-CD mit einem 24-Seiten Booklet.
|  Phil

THE FIRST OMEN
Mark Korven | Hollywood Records

Hat die Welt wirklich auf ein Prequel zu THE OMEN (1976) gewartet? Man weiss es nicht, aber die zahlreichen wohlwollenden Reaktionen auf den überraschenden Neuzugang der Horror-Reihe machen immerhin neugierig auf den Film. Und auch der schon vorab digital abrufbare Score von Mark Korven (vielleicht nicht gerade ein bekannter Name, aber mit gefeierten Streifen wie THE WITCH und THE LIGHTHOUSE im Palmares schon so etwas wie ein alter Genre-Hase) gibt eine gute Visitenkarte ab. Wie Jerry Goldsmith mit Orchester und Chor arbeitend, aber deutlich moderner und experimenteller, nicht nur, aber vor allem was die vokalen Einsätze betrifft, die so ziemlich alles streifen, was die menschliche Stimme hergibt. Auch wenn es zuweilen leichte Annäherungen zu Goldsmiths Vorlage gibt, so überwiegen doch die kompromisslosen Klänge, die den Score auszeichnen. Erst im letzten Track, «Ave Satani», übernimmt Korven praktisch 1:1 das Hauptthema von THE OMEN und baut damit die musikalische Brücke zum Klassiker von 1976. Meilenweit entfernt von heutzutage gängigen, austauschbaren und mit Jump-Scares durchsetzten Horror-Filmmusiken, haben wir es hier mit einem mutigen, wenn auch praktisch themenlosen und keine leichte Kost bietenden Score zu tun, der so richtig schön unter die Haut fährt.
|  Andi

THE JOE KRAEMER COLLECTION
Joe Kraemer, Dragon Domain Records

Nun bin ich, ich gestehe es, kein Fan des Labels, doch der Komponist ist interessant genug (THE MAN WHO KILLED HITLER AND THEN THE BIGFOOT), um diese CD auszuprobieren, auf der sich die Scores zu zwei Sequels befinden: THE HITCHER II: I’VE BEEN WAITING (2003) und JOY RIDE 2: DEAD AHEAD (2008). Beide Originale hätten käumlich eine Fortsetzung gebraucht, wobei es bei THE HITCHER noch eher zu verstehen ist, war der Film doch ein recht anständiger Sleeperhit mit Musik von Mark Isham. Kraemers Score ist orchestral mit elektronischen Beigaben, wobei der akustische Teil klar überwiegt. Spannung und Action dominieren in THE HITCHER II, Schlagwerk, Klavier, Blech und Streicher geben den Ton an, bemerkenswert sind elektronische Beigaben und eine (allerdings sehr leise abgemischte) Solostimme in «The Empty Water Tower». JOY RIDE 2 ist rein elektronisch mit Orchestersamples, die zumeist ganz gut klingen (Streicher, Perkussion), der Score ist durchweg eher atonal und zuweilen experimentell in den Synthesizersegmenten gehalten. Stilistisch sind die beiden Scores durchaus vergleichbar, wobei Letzterer in Sachen Blechbläservirtuosität aus gegebener Machart nicht mit THE HITCHER II mithalten kann (eben: da Samples).
  |  Phil

NAVY SEALS
Sylvester Levay, La-La Land Records

Ohne Zweifel ist Sylvester Levay in erster Linie für sein schmissiges Titelthema zur TV-Serie AIRWOLF (1984 – 1986) bekannt, immerhin lief diese in den heimischen Flimmerkästen rauf und runter. Es folgten COBRA (1986) – genau, der üble Stallone Film – und die Teeniekomödoe MANNEQUIN (1987) sowie weitere Fernseharbeiten. 1990 stand, ganz im Fahrwasser von TOP GUN, Rambo & Co. NAVY SEALS auf dem Plan: Beachtlich besetzt mit den Newcomern Charlie Sheen, Michael Bean, Bill Paxton, Joanne Whalley-Kilmer und inszeniert von Lewis Teague (THE JEWEL OF THE NILE, 1983). Levay liefert einen den damaligen Anforderungen passenden Synth-Pop-mit-Rock-Elementen Score, da und dort mit Orchestersamples aber auch einem realen Klangkörper, The Munich Philharmonic, ausgestattet, der zünftig Drive hat und dank heutigen Retroscores gar nicht mal so «aus der Zeit gefallen» erscheint, aber doch eine volle Dosis zurück in die Vergangenheit garantiert. Spassig!
La-La Land präsentiert 61 Minuten Musik, wobei 6 Tracks unter dem Motto «additional music» laufen (source, mono, extended…). Die guten Liner Notes stammen von Jeff Bond.
  |  Phil

MADAME WEB
Johan Söderqvist | Madison Gate Records

Zum misslugenen Teenie-Filmchen MADAME WEB aus dem DC-Universum fällt die Vertonung des schwedischen Komponisten Johan Söderqvist (AMUNDSEN, 2019) generisch aus. Will heißen: kontextloses Blechbläser Gemurmel, langweilige Kontrabass-Akkorde und gelegentlich aufkeimende Klavierläufe überhört man genauso, wie das einfallslose Sounddesign, das für düstere Atmosphäre sorgen soll. Technisch auf der Höhe der Zeit, aber kompositorisch von der ermüdenden Stange. Film und Musik darf man sich also in der Tat sparen.
 |  Oliver

L’EMPEREUR DE PARIS
Marco Beltrami, Marcus Trumpp | Music Box Records

Für den in der schrecklichen Zeit nach der französischen Revolution spielenden Film L’EMPEREUR DE PARIS (2018) von Jean-François Richet mit Vincent Cassel und Olga Kurylenko schrieben Beltrami und Trumpp eine hübsch geratene Musik für ein in Paris aufgenommenes Orchester. Richets und Beltramis Zusammenarbeit geht zurück auf insgesamt vier Filme, zuletzt taten sie sich bei PLANE (2023) zusammen.
Die CD mit knapp 37 Minuten Laufzeit wurde von Music Box Records mit einer erstaunlich tiefen 300 Stück Limitierung aufgelegt – und was wir zu hören bekommen, ist ein orchestraler Score, der sich Mühe gibt, die Zeitperiode, in der der Film spielt, zumindest anzuschneiden. Das gelingt Beltrami und Trumpp, auch abseits des Films funktioniert ihre Musik bestens, beginnend mit dem beeindruckenden «1805». Der Stil des Scores ist nicht darauf aus die Periode in der der Film spielt korrekt wiederzugeben, eher konzentriert sich das Duo sich ansonsten auf die musikalische Dramaturgie. Kein Meisterwerk, aber einen Kauf wert. Sechs Jahre dauerte es, ehe L’EMPEREUR DE PARIS auf Tonträger erschienen ist, ein Dank dafür an das rührige Label aus Paris.
  |  Phil

SILENT NIGHT
Marco Beltrami | La-La Land Records

Weihnachts-Racheaction mit einem stummen Joel Kinnaman (FOR ALL MANKIND) von Genrespezialist John Woo (FACE/OFF, 1997). Marco Beltramis Musik ist eine Mischung aus Betrübnis – mit kurz und knapp auftauchendem Hauptthema (Ohren spitzen ist angesagt) -, die vom Schicksal des Protagnisten ausgeht und viel düsterer Actionmusik. Der Komponist und sein Mitproduzent Buck Sanders mischen Synthesizer mit dem Klangkörper des Czech Symphony Orchestra. Zwei Sprösslinge (aka. Kinder) Beltramis sind ebenfalls beteiligt, einerseits als Arrangeur und Gitarrist des Schlusstracks «Silent Night», andererseits als Schlagzeuger. Musikalische Anhaltspunkte für den Hörer bietet SILENT NIGHT nur wenige: Ein kurzes Motiv für Kinnamans Charakter und das Spiel einer Musicbox, das Beltrami gekonnt in die Dissonanz einbindet, sonst viel pulsierende Elektronik, die wenig Hörspass bietet. So hinterlässt SILENT NIGHT vor allem nebst weihnachtlichen, einige gemischte Gefühle.
  |  Phil

GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE
Rob Simonsen | Sony

Beinahe an mir vorbeigeschrammt ist die Musik zum 2021er, spassigen und kurzweiligen GHOSTBUSTERS Revival GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE, die Oliver in «kurz und knapp 31» besprochen hatte. Regie führte Jason Reitman, Sohn des Regisseurs des Originals, seinerseits hier als Produzent waltend. Rob Simonsen scheute sich nicht Elmer Bernsteins Hauptthema wiederzuverwenden, manchmal in seiner Gänze, oft in Fragmenten, und eine Filmmusik von gutem altem Schrot und Korn hinzulegen, die mit zum Besten gehört, was aus Hollywood in den letzten Jahren zu uns kam. Simonsen bot sogar Ondes Martenot Musikerin Cynthia Miller auf, die bei so manchem Bernstein Score an der Seite des legendären Komponisten war. Fast ist es ein wenig schade, dass Simonsen nicht für den aktuellen GHOSTBUSTERS: FROZEN EMPIRE engagiert wurde. Gleichzeitig bin ich gespannt was Dario Marianelli, der 2018 den tollen THE DARKEST HOUR hinlegte, aufs Notenblatt zaubern wird. Die Wartezeit wird versüsst mit den 70 Minuten Musik auf dieser Sony-CD – und weil mir dieser Score so gut gefällt und unsereins in 1984 schwelgen lässt, wollte ich hier doch nochmals darauf hinweisen.
  |  Phil

FLYWAYS: THE UNTOLD JOURNEY OF MIGRATORY SHORE BIRDS
Cezary Skubiszewski, Moviescore Media

Es ist für mich immer wieder verblüffend, wie es Mikael Carlsson von Moviescore Media gelingt, Juwelen im ausgedörrten Filmmusikmarkt zu finden und diese auf seinem Label zu veröffentlichen. So auch mit FLYWAYS des polnisch-australischen Komponisten Cezary Skubiszewski für einen 90minütigen Dokumentarfilm. Seine mehrheitlich melodiöse, manchmal in der minimal music angesiedelte Komposition wurde für Streicher, Holzbläser, elektronische Beigaben und ethnische Instrumente (der Track «China» ist ein gutes Beispiel für letzteres) geschrieben. Sein Score fliesst, bewegt sich auf und ab und hin und her, fast wie die Wogen, über die die Watvögel im Film fliegen. Ab und an setzt Skubiszewski die Rufe der Vögel ein, musikalisch mal feiner, dann wieder offensichtlicher eingebunden. Eine tolle, 45 Minuten dauernde Filmmusik eines mir bis anhin unbekannten Komponisten.
  |  Phil

LIVE AND LET DIE
George Martin, La-La Land Records

Der erste James Bond mit Roger Moore in der Titelrolle, die er bis und mit A VIEW TO A KILL (1985) ausfüllen würde und den Agenten mit der Lizenz zum Töten mit seinem eigenen, spritzigen Humor ausstatten würde. Zum ersten Mal war John Barry nicht für die Musik besorgt, an seiner Statt sorgte Beatles-Produzent George Martin für den Score, während Paul McCartney und seine Frau Linda den Titelsong schrieben. Martin arrangierte das Orchester für den Song und blieb auf Wunsch der Produzenten schliesslich als Komponist für den Score an Bord, um einen frischen, rockigeren Sound für den neuen Bond zu liefern und McCartneys Song einzuarbeiten. Barry war damals mitten in seiner Phase als Musicalist und war froh aussetzen zu können. Erst 2003 wurde das alte EMI-Album durch eine erweiterte EMI/Capitol CD ersetzt. Jetzt präsentiert La-La Land die Jubiläumsausgabe (50 Jahre) mit dem kompletten 55 Minuten Score und 27 Tracks sowie 6 Tracks in der «Additional Music» Sektion von CD 2, auf der sich auch das originale Soundtrackalbum befindet. Etwas knapp geraten mit 16 Seiten ist das Booklet mit Liner Notes von Jon Burlingame.
  |  Phil

02.06.2024