WITHOUT A CLUE
Henry Mancini, BSX Records
Michael Caine und Ben Kingsley spielen in diesem Sherlock Holmes Abenteuer aus dem Jahr 1988 das berühmte Detektivduo, wobei Dr. Watson im Film von Thom Eberhardt der eigentliche Superschnüffler ist, während Sherlock Holmes, stets betrunken, nur Fassade ist. Paul Freeman gibt Professor Moriarty.
In einem seiner späten Werke, Henry Mancini verstarb 1994, versprüht der Komponist viel Frische und scheinbaren Spass an der Freud’. Selbst die Kürze von um die ein bis zwei Minuten Grenze fast aller Tracks, kann der 58 Minuten langen CD keinen Abbruch tun. WITHOUT A CLUE (1988) mit seinen verspielten Holzbläsersoli und den Streichern – Blech ist eher zurückhaltend eingesetzt («To Windemere» oder in spannenden Passagen) -, bietet reizvolle Musik und ein gewisses Mass an Pomp und Pracht, jedoch mit Bedacht. Ein typisch geschmackvoll, eingängiger Mancini-Track ist der mit einem Akkordeon ausstaffierte «Watson Sees All». WITHOUT A CLUE ist ein wundervoller, melodischer Orchesterscore und einer der Feinsten des Komponisten aus dieser Schaffensperiode.
Wie schade konnte sich BSX Records nicht dazu durchringen, hier ein Booklet beizusteuern, bietet uns aber immerhin die Chance als CD-on-Demand nach dem ersten Release 2007 dem Score erneut lauschen zu können.
| Phil
APOLOGY
Maurice Jarre, BSX Records
Ein mir völlig unbekannter TV-Thriller mit Peter Weller und Lesley Ann Warren von CHILDREN OF A LESSER GOD Autor Mark Medoff ist APOLOGY aus dem Jahr 1986. Für die Musik besorgt war Maurice Jarre, der damals seine explizite und oftmals sehr erfolgreiche Synthesizerzeit durchlebte. 1986 erschien die Filmmusik bei Varèse Sarabande als 28 Minuten LP, BSX Records legte das gleiche Programm in gleicher Länge neu auf.
Auch APOLOGY hält Jarre rein elektronisch, von langanhaltenden sphärischen Klängen mit kurzen perkussiven Einschüben, die mir teils gar «analog» erscheinen wie in «Nighttime», bis zu spannend-dramatischen Tracks wie «Claude Follows Anna»; Platz gibt es auch für gefällig leichte Momente wie in «Resolution» und «You Have a Nice Smile». Wir hören hier einen typischen Elektronik-Jarre aus der Zeit mit manchmal etwas gar repetitiven und nicht gerade komplexen Spannungsstücken, eingespielt von einem Ensemble aus Keyboardisten, Synthplayern, EWI, etc. wie es Jarre gerne machte. Eindeutig für beinharte Fans des Komponisten und Liebhaber 80er Synthiescores.
Der Score schliesst mit einem Song, ebenfalls aus Jarres Feder, so dass an sich 25 Minuten Score übrigbleiben – Varèse Sarabande, wie das Label in jener Phase leibte und lebte.
| Phil
A HAUNTING IN VENICE
Hildur Guðnadóttir, Hollywood Records
Mit A HAUNTING IN VENICE (2023) meldet sich der smarte Detektiv Hercule Poirot zurück – wieder mit Kenneth Branagh in der Titelrolle und auf dem Regiestuhl, wobei dies seine dritte Agatha-Christi-Verfilmung nach MURDER ON THE ORIENT EXPRESS (2017) und DEATH ON THE NILE (2022) geworden ist. Während Branaghs langjähriger Arbeitskollege und Komponist Patrick Doyle für die ersten beiden Christi-Verfilmungen schöne Orchesterkompositionen beisteuerte, zeichnete für HAUNTING die Komponistin Hildur Guðnadóttir verantwortlich. Scheinbar wollte Branagh einen avantgardistischen, minimalistischen Musikansatz für HAUNTING, der eher ins Sounddesign tendiert als in eine orchestrale Tonsprache – wohl zugunsten der Horrorthriller-Storyline. Das vermag im Film gut zu funktionieren, aber als Hörerlebnis abseits der Bilder ist Guðnadóttirs Filmmusik wenig interessant bis gar nervtötend (bspw. das Stück «Pipes»). Eigentliche melodische Ansätze sind rar und werden von kleinem Ensemble und Solocello-Spiel von Guðnadóttir selbst vorgetragen. Das Ergebnis ist nicht so «radikal» wie beispielsweise Horror-Sounddesign-Arbeiten wie Christopher Youngs SINISTER oder Klangcollagen für SHUTTER ISLAND, dürfte aber für viele selbst mit einer eher kurzen Spielzeit von 34 Minuten zu lang sein und in der funktionalen «Kuriosum»-Ecke landen. Ich für meinen Teil hoffe, dass beim allfällig nächsten Poirot-Film wieder Patrick Doyle den Taktstock schwingen darf.
| Basil
KILLERS OF THE FLOWER MOON
Robbie Robertson, Sony Music
Martin Scorseses dreieinhalb Stunden Megaepos mit Leonardo DiCaprio, Robert DeNiro und John Lithgow hat einen wenig epischen Score des Kanadiers Robbie Robertson (THE IRISHMAN, THE COLOR OF MONEY) erhalten. Ein bisschen zeitperiodisch angehaucht und durchwegs zurückhaltend aber mit «native American» Einfluss, könnte man die Musik (auch durch die Verwendung bestimmter Instrumente) fast als authentisch bezeichnen. Der Track «Heartbeat Theme Ni-U-Kons-Ska» hat beinahe etwas Hypnotisches (interessant die Mischung mit Flöten, Hammondorgel, Bass, Mundharmonika, Perkussion). Ausserdem verwendet Robertson, der selbst mütterlicherseits indianischen Ursprungs ist, unter anderem eine Fiddle, akustische und elektrische Gitarren sowie eine Stimme und mischt etwas Blues und Bluegrass dazu, dabei immer irgendwie einen Hauch Indianisches beigebend und oft sein Heartbeat-Thema verwendend. Wer etwas für Rag übrig hat, wird bunt eingemischte Stücke vorfinden. Sicher kein umwerfendes filmmusikalisches Ereignis, aber ein ernsthafter Oscar-Contender in Sachen Musik und möglicherweise auch Song («Still Standing»), auch weil Robbie Robertson im August 2023 im Alter von 80 Jahren verstarb. Die CD mit allem Drum und Dran hat eine Länge von 53 Minuten.
| Phil
BLOOD SIMPLE
Carter Burwell, Varèse Sarabande Club
BLOOD SIMPLE (1984) war die erste Filmmusik des Computergrafikers und damals häufig für Bands spielenden Carter Burwell. Es war auch der Beginn einer langen Zusammenarbeit mit Joel und Ethan Coen, die bis heute andauert. Die Musik ist oft elektronisch, enthält Klavier und andere akustische Elemente, aber auch experimentelle Toneffekte, den Film mit John Getz, Frances McDormand, M. Emmet Walsh und Don Hedaya in den Rollen sowie Burwells musikalischer Ausrichtung auf mehreren Ebenen unterstützend. Den ersten richtigen, auch in späteren Werken unverkennbaren Burwell-Touch gibt es im Viereinhalber «Blood Simple» und später in «Blood Simpler», in denen er Platz für ein Motiv und Musik für die Hauptdarstellerin hat. Weiters verwendet Burwell auffällig Stimmen, Geräuschsamples, E-Bass, Gamelan und perkussive (synthetische) Elemente. Burwell überliess den Coens die Instrumentenspuren, so dass sie diese nach ihrem Bedarf verwenden konnten (was auch geschah).
Die Varèse Club CD ist auf 2000 Stück limitier und enthält ein 20-Seiten Booklet von Daniel Schweiger. Die alte Varèse Scheibe von 1987 enthält sieben Stücke aus BLOOD SIMPLE nebst 10 Tracks aus RAISING ARIZONA (1987), die neue CD kommt mit 13 Tracks und 35 Minuten Laufzeit daher – der Titel «Deluxe Edition» ist vielleicht ein bisschen weit hergeholt.
| Phil
GRAN TURISMO
Lorne Balfe, Andrew Kawczynski, Sony Music
Mit GRAN TURISMO (2023) lieferte Regisseur Neill Blomkamp einen Spielfilm, der nicht nur auf dem gleichnamigen Racer-Videospiel basiert, sondern sich tatsächlich auch an wahren Begebenheiten orientieren soll. Hier treffen zwei Aussenseiter aufeinander – ein angefressener Racer-Gamer und ein verblendeter Motorsportmanager. Zusammen wollen sie den knallharten Formel-1-Piloten auf der realen Rennstrecke das Fürchten lehren… Der Film zeigt viel Sportsdrama-Pathos und natürlich haufenweise schnelle Karren und halsbrecherische Rennstrecken-Manöver.
Die Filmmusik stammt von Lorne Balfe und Andrew Kawczynski. Die Musik bietet eine eingängige «Power Anthem», die im ersten Stück präsentiert wird. Ein unterhaltsamer, mitreissender Auftakt mit ausgeprägtem Ohrwurmcharakter. Doch anschliessend ist dieses Thema in beinahe jedem Stück zu hören und erinnert stark an den Titelsong «No Time to Die» aus dem gleichnamigen Bond-Film, was dann doch ordentlich irritiert und während 74 Minuten zu repetitiv wird. Daneben gibt es noch ein melancholisches Vater-Sohn-Thema, doch dieses verblasst leider. Tempo erzeugen die Komponisten mit ausgeprägtem Einsatz elektronischer Rhythmen – von stroboskopischer Intensität bis hin zu hypnotischem Pulsieren. Dieser markante Elektro-Sound-Einsatz erinnert an TENET von Ludwig Göransson und lässt stellenweise vergessen, dass dieser Musik auch Studioaufnahmen mit 100 Musikerinnen und Musikern zu Grunde liegen sollen. Das strapaziert auf die Dauer. Nicht topp, nicht Flop, aber für die meisten dürfte der Titeltrack «And We’re Off» ausreichend sein.
| Basil
FOUNDATION Season 1
Bear McGreary, Lakeshore Records
Apple TV hat mit FOUNDATION (2021), kreiert von David S. Goyer und Josh Friedman, eine aufwändig gestaltete Serie, basierend auf der Geschichte von Isaac Asimov, produziert, die hauptsächlich positiven Stimmen scheinen den Machern rechtzugeben und so entstand bereits eine zweite Staffel. Bear McCreary, zuletzt mit der Musik zur nicht minder aufwändigen Streamingserie LORD OF THE RINGS: THE POWER OF THE RINGS (2022) erfolgreich und preisgekrönt, nahm den Auftrag an und komponierte eine voluminöse, orchestrale Filmmusik für FOUNDATION, die mit Chor und den unvermeidlichen Perkussionsspuren daherkommt. Voluminös bedeutet so viel wie massig, episch und meist immer etwa auf dem gleichen Lautstärkelevel erklingend, dennoch gibt es ruhigere, besonnene Stücke und Momente wie «Gaal Leaves Synnax», «Visions and Arrest» und «The Dream of Cleon the First». An seine unbestritten starke Musik zur LORD OF THE RINGS TV-Serie kommt FOUNDATION Season 1 nicht heran, trotz der thematischen Ausrichtung, die sich aber hier aber doch mehr zurückhalten muss. Es ist vor allem ein Hauptthema, das McCreary in den vorliegenden knapp 62 Minuten oftmals hervorholt und variiert.
So oder so, man darf behaupten, dass, wenn ein talentierter Komponist an eine TV-/Streaming-Serie seine Hände legt, etwas Anständiges rauskommen kann. Leider ist das im Grossteil der Masse an Streamingprojekten eher selten der Fall. Ich persönlich hätte hier gut ohne die so oft schon gehörte Rhythmusmaschinerie auskommen können. Sei es wie es ist und sehen wir mal, was McCreary bei Season 2 zaubert. Beide Scores sind leider bisher nur als Download erhältlich.
| Phil
THE HOUSE WHERE EVIL DWELLS
Ken Thorne, Buysountrax
Dieser in Japan spielende (Horror-)Film aus dem Jahr 1988 von THE LAND THAT TIME FORGOT (1974) Regisseur Kevin Connor wurde von Ken Thorne vertont, jenem Komponisten also, der nach SUPERMAN-THE MOVIE (1978) das Zepter für den stählernen Superhelden übernahm.
Unvermeidlich eröffnet Thorne mit «Kyoto Prologue / Otami’s Lover / Watched» mit japanischen Flötenklängen (Shakuhachi), die er in «Opening Titles / Drive and Tour the House» mit einem Orchester unterstützt (Harfe und Querflöte sind vorherrschend). Ausgesprochen hübsch ist «First Night / The Ghosts Appear / Ted and Laura Make Love» mit Klavier und Streichern, doch wehe, mit «Ted Sees Otami / Looking at the Slides / Otami Sees the Witch» vollführt der Score eine stimmungsvolle Wendung – zum ersten Mal sind fernöstliche Schlagwerke zu hören, die auch im späteren Verlauf wieder auftauchen – auch (Track 6) verwendet Thorne Synthesizer. Mit «Ghosts Leave / End Credits» findet Thorne einen versöhnlichen Abschluss. Durchaus ein spannender Score, wenn man ein Faible für japanisches Ambiente hat und nicht auf einen kratzbürstig atonalen Orchestralgrusler hofft. Zwei Alternatetracks runden die 39 Minuten kurze CD ab.
| Phil
EL CUCO
Diego Navarro, Moviescore Media
EL CUCO (2023) ist ein Horrorthriller, der von einem «speziellen» Haustausch eines spanischen und deutschen Ehepaars erzählt, inszeniert von der Spanierin Mar Targarona, die 2007 EL ORFANATO produzierte. Da in dem Film das Thema «Kuckuck» und «Kuckuckusuhr» eine wichtige Rolle spielt, verarbeitete Diego Navarro den Sekundentakt einer Uhr sowie den Ruf des Kuckucks in seiner Musik. Das ist allerdings sehr fein, klug und gut eingebunden gemacht; wenn man es nicht wüsste, man würde es wahrscheinlich nicht direkt heraushören – am ehesten noch in «El cuco (Tema principal)» und «El cuco Suite». Navarro verwendet ein Streichorchester mit Klavier, Harfe, Schlagwerk und einem Chor um einen intensiv eindringlichen, häufig auf manchmal unterschwellige, manchmal bewusste Spannung gemachten und im Verlauf der knapp 60 Minuten dauernden Musik an Intensität zulegenden Score entstehen zu lassen. Wunderbar ist das zweite Thema in «Llegenda a casa». Eine wirklich starke Arbeit von Navarro und einer der besten Scores 2023. Die Disc ist als CD on Demand mit einem leider nur zweiseitigen Booklet vom schwedischen Label Moviescore Media produziert worden.
| Phil
BLUE BEETLE
Bobby Krlic, WaterTower Music
In den einschlägigen Fan-Foren wurde viel über BLUE BEETLE (2023) von Regisseur Angel Manuel Soto und dessen Filmmusik von Bobby Krlic geschrieben. Der Film war mässig erfolgreich und wurde grossmehrheitlich als Durchschnittsware bewertet, die Musik erntete fast ausschliesslich negative Kritiken, wobei sich einige Rezensenten richtiggehend kreativ in ihren Verrissen zeigten – bspw. die Kritik auf filmtracks.com, die Krlics Arbeit im Rahmen eines Tierversuchsszenarios hin zur gefürchteten abschliessenden «Frisbee»-Bewertung zerpflückt. Das ist unterhaltsam zu lesen, schürt indes ihrerseits übersteigerte Erwartungshaltungen an Krlics BLUE BEETLE. Man fragt sich mit ansteigender Neugier: Ist der Score wirklich so schlecht?
Nach dem Hören dann die Ernüchterung: Eigentlich handelt es sich bei diesem Score einfach nur um eine anonyme, austauschbare Filmmusik, die den Bogen mit Trance- und Grunge-Elementen sowie Retro-Synthi-Effekten oftmals tatsächlich ins Nervtötende überspannt. Dass der Digital-Release auch noch mit einer Laufzeit von 86 Minuten aufwartet, hilft natürlich nicht. Am Ende dieser 86 Minuten – wobei die letzten zwei Stücke spanische Versionen der Songs «Blame It On the Boogie» und «Be My Baby» sind – hallt nichts nach. Das drei Töne umfassende Hauptmotiv klingt wie vieles, was man in anderen Marvel-/DC-/Superhelden-Scores bereits gehört hat. Es fehlen thematische und emotionale Schwerpunkte. Das ist schade, aber auch nicht mehr.
| Basil
SOLO: A STAR WARS STORY
John Powell, Intrada
Geduld bringt bekanntlich Rosen. Fünf Jahre, nach dem Normalo-Album von Disney (67 Minuten) und der 35 Track, 123 Minuten Extended Download «Deluxe Edition», dauerte es bis eines der Specialty Labels, in diesem Falle Intrada, die Deluxe Edition mit 36 Tracks und einer hübschen Aufmachung mit 24 Seiten Booklet, das aus einem Interview mit John Powell besteht, veröffentlichte. 127 Minuten beste Unterhaltung sind garantiert und die Benotung für den Score bleibt auf dem gleich hohen Niveau wie 2020 beim Review der damaligen Deluxe Version – eine satte 5 aber für Intradas Arbeit hier. Trotz vieler negativer Kritiken und Kommentare schaue ich mir auch den Film von Ron Howard nach wie vor gerne an.
Eben doch: Long live the CD!
| Phil
07.12.2023