Kurz und knapp 29

LOVE AND MONSTERS
Marco Beltrami, Marcus Trumpp | Quartet Records

Eines der wenigen Juwele der vergangenen Filmmusiksaison ist nicht nur bei zahlreichen, nein eigentlich allen Awards und bei einigen Fans durchgerutscht. LOVE AND MONSTERS (2020) von Marco Beltrami und Marcus Trumpp. Vielleicht liegt es daran, dass das Filmjahr 2020 eben ein sehr spezielles, pandemisches war? Es kann fast nicht anders sein, denn was wir hier zu hören kriegen ist orchestraler Grusel vom Allerfeinsten. In diesem Monsterfilm von Michael Matthews, erst dem zweiten Eigenwerk, macht sich Joel auf die Suche nach seiner 130km entfernten Freundin. Das wäre an sich nichts Besonderes, wäre die Welt, wie wir sie kennen, nicht von fiesen Bestien bevölkert, die diese Reise zu einem wahren Lebensabschnitt machen. In «Prologue» setzen Beltrami und Trump ein klares Statement und einen der stärksten Momente der ersten Hälfte. Da von den Filmemachern so gewünscht, setzen die Komponisten zwar mitunter auf einen traditionellen, grossangelegten Horrorscore, fügen aber auch Elektronik bei und experimentieren mit Klängen von Grillen, Ameisen etc. Für die zukünftigen Begleiter Joels erschufen sie ein witzig verspieltes Survivormotiv für Banjo, Pizzicatostreicher und elektronische Perkussion, während Joel selber ein wärmeres Thema erhielt (oft von einem Rhodes E-Piano Sound oder Streichern untermalt). Diese beiden Motive stehen im Gegensatz zum orchestralen Bombast (im besten Sinne gemeint) des Slovak National Symphony Orchestra, die Beltrami und Trumpp dem Hörer immer wieder entgegen schallen lassen.
Feiner Genrescore… fast verpasst.

Phil


EINAUDI UNDISCOVERED
Ludovico Einaudi | Decca Records

In Filmmusik-Kreisen dürfte der 1955 in Italien geborene Komponist Ludovico Einaudi bekannt sein für seine Arbeiten für INTOUCHABLES (2011) und SAMBA (2014). Zudem war seine Musik jüngst im Film NOMADLAND (2020) zu hören, wobei er hierfür keine neue Musik komponiert hat, sondern Stücke aus seinem früheren Schaffen lizenziert wurden. Seine Musik besticht mit klaren, eingängigen Motiven, die er effektvoll variiert und wiederholt, was in einem hypnotischen Strudel resultiert. Auf dem 2-CD-Set EINAUDI UNDISCOVERED sind die vorgenannten Titel nicht zu finden, denn hierfür wollte Einaudi ganz bewusst Melodien aus seinen Schaffen der letzten 25 Jahre zusammentragen, die seiner Meinung nach neben den Hits untergegangen sind. Dabei spielt Filmmusik tatsächlich eine untergeordnete Rolle, doch mit seinem World-Music-Ansatz kann man sich auch viele der konzertanten Kompositionen mühelos auf Filmtonspuren vorstellen.

Persönlich gefällt mir die CD 1 besser. Hier ist Einaudis Klavierspiel meist solo oder mit nur wenigen Begleitinstrumenten zu hören. Mich begeistert zwar das grossorchestrale Spektakel, doch der hier vorherrschende Minimalismus, die glasklare Intimität dieser Musik und die davon ausgehende leichtfüssige Ruhe, die einem wortwörtlich umspielt, sind beglückend – als Hintergrund- als auch als Entspannungsmusik. Dass es Einaudi gelingt, in diese Stilistik sogar seine Reinterpretation des Rolling-Stones-Hits «Lady Jane» nahtlos einzubinden, ist eindrücklich und zeugt von seiner Spielfreude über Genregrenzen hinweg. Diesen zweiten Aspekt betont er dann mit der Musik auf der zweiten CD. Hier kommen Gesang, Elektronik, erweiterte Ensembles und auch Remix-Ansätze hinzu. In Stücken wie «Choros» mit Dudelsack-Dreingabe (stellenweise erinnert die Build-Up-Struktur an Kompositionen von Clint Mansell und dem Kronos Quartet) funktioniert das als Kontrast zur CD 1 gut, doch mit «Mali Sajio» und den dort vorherrschenden orientalischen Musikansätzen als auch mit dem Beat-lastigen «Experience (Starkey Remix)» beginnt ein Ziehen den stilistischen Spagat zu begleiten. Hier stellt sich für mein Geschmack eine Überdehnung ein. Doch die CD 1 werde ich mir definitiv gerne wieder anhören und das Entdecken des CD-2-Einaudi, der wohl einigen eher unbekannt sein dürfte, ist kurzweilig.

Basil


TREMORS
Ernest Troost; Robert Folk | La-La Land

Ron Underwoods kultig spassiger Erstling TREMORS sorgte nach einem milden Einspielergebnis für gute Verleihzahlen in den Videotheken, die die Kinoeinnahmen verdreifachten. Die Macher suchten sich als Komponist den damals im Filmbusiness damals wenig erfahrenen Ernest Troost aus, der mit kleiner Besetzung die Lokalität in der Wüste Nevadas ganz gut abdeckte. Sein Score ist pfiffig aus einer Mischung aus Blue Grass, Folk, Country und Rock konzipiert, die mich manchmal an Danny Elfmans MIDNIGHT RUN (1988) erinnert («Poul Vaulting»). Für die Spannungsmomente verwendet Troost Streicher, Blech und Holzbläser (auffallend ist die Bassklarinette). Nach der Abmischung wurde den Machern klar, es braucht mehr – und vor allem andere Musik. Troost spielte die Graboids, wie die unterirdischen, gigantischen Sandwürmer genannt wurden, eher herunter – wie es sich Regisseur und Produzenten (u.a. Gale Anne Hurd) wünschten. Wobei Stücke wie «Horses Stop» und «Graboid Attacks Rhonda/The Split» durchaus ein agiles Bild zeichnen. Da es wie immer eilte, holte man kurzerhand Robert Folk an Bord, der damals mit seinen Scores zu den POLICE ACADEMY-Filmen in Erscheinung trat. Folk seinerseits griff auf ein 98-Mann-und-Frau-Orchester zurück und gab dem Film mehr Tempo und orchestralen Pepp, wo die Filmemacher das wünschten.

Aufgeteilt ist die La-La Land Veröffentlichung wie folgt: CD 1 präsentiert Troosts Score mit 55 Minuten Länge. Dazu gesellen sich 10 Minuten Bonustracks. CD 2 ist für die 20 Minuten «additional music» von Robert Folk reserviert. Gegenüber der tollen Promo SELECTED SUITES aus dem Jahr 1993, haben wir hier also 10 Minuten mehr Musik von Folk. Abgerundet wird das stimmige Doppelalbum mit einem ebenso stimmigen Booklet.

Phil


FINAL DESTINATION 4
Brian Tyler | Varèse Sarabande

Tylers Musik hält sich vornehmlich an das von der verstorbenen Shirley Walker entwickelte Hauptthema ohne seinen eigenen Personalstil aus den Augen zu verlieren. Personalstil bedeutet hier: vorrangig lautes Staccato-Gewummer, stürmische Violinenpattern inklusive ständiger Anleihen bei James Horners Aliens Vertonung. Obgleich sich Tyler kaum Neues einfallen und sich auf bewährte Horror- und Action-Schemata verlässt, muss der Vertonung trotzdem eine gewisse Qualität eingeräumt werden, was sicherlich mit der Vorarbeit Walkers zu tun hat. Dazu kommt ein für Tylers Verhältnisse ungewöhnliches, atmosphärisch  geglücktes Sounddesign, was dem Score – wenn dramaturgische Flaute droht – hin und wieder Spontanität einhaucht. Zu den Highlights der Vertonung gehören neben „Nailed“, „Sushi for Everyone“ und „Memorial“ sowie natürlich auch die dreizehnminütige „The Final Destination Suite“. Diese wurde eigens für die Score – Veröffentlichung aufgenommen, und verhilft dem Album gerade noch zu 3 Scheiben. Actionfans werden ihren Spaß mit der Musik haben. Den Film indes kann man sich getrost schenken.

Oliver


MIDNIGHT COWBOY
John Barry | Quartet Records

Obwohl das Thema aus MIDNIGHT COWBOY (1969) mit zu den bekanntesten im Oeuvre des John Barry gehört, Auszeichnungen, ja gar Nominationen bei den Oscars oder Golden Globes gab es keine – obwohl der Film mit drei der wichtigsten Academy Awards geehrte wurde: Bester Film, Regie, Drehbuch nach Vorlage. Nun frage ich mich, woher kennen selbst nicht überaus Barry-affine Filmmusikhörer dieses eingängige Thema? Vermutlich dürfte es daran liegen, dass das Thema auf John Barry Samplern oft vorkommt, andererseits könnte die Verbindung möglicherweise auch über den bekannten Song «Everbody’s Talkin’» von Fred Neil, gesungen von Harry Nilsson, bestehen. Themen gehen manchmal ihre eigenen Wege, auch wenn sie verschiedene sind. MIDNIGHT COWBOY ebnete mit seinem Musikkonzept, das für Schlesingers Film ausgezeichnet funktionierte, neuen Annäherungen hinsichtlich Songs und Score den Weg. Barry amtetet hier gar als Music Supervisor und eigentlich wäre ein anderer Titelsong geplant gewesen, den ebenfalls Nilsson gesungen und Barry geschrieben hätte, doch stiess dieser nicht auf genügend Gegenliebe bei Schlesinger, der sich in «Everybody’s Talkin’» vernarrt hatte – nicht ganz unverständlich, denn die Lyrics und die Melodie passen zum Film wie die Faust aufs Auge. An der Mundharmonika, in Song und Score, ist übrigens Toots Thielemanns, später für John Williams in CINDERELLA LIBERTY (1973) SUGARLAND EXPRESS (1974) oder auch erneut mit Barry bei THE DAY OF THE LOCUST (1975) zu hören.
So oder so, Quartet Records hat hier eine insbesondere für Fans des Briten tolles Album produziert und präsentiert auf Scheibe 2 das Originalalbum von 1969 plus Bonustracks und auf CD 1 den gesamten Filmscore inklusive der im übrigens ganz hervorragend gespielten John Schlesinger Film (Dustin Hoffman, Jon Voight) vorkommenden Songs und der durchaus steten Präsenz des Hauptthemas (44 Minuten sind dies dann auf Disc Nummer Zwei).

Phil


THE MARKSMAN
Sean Callery, Lakeshore Records

Manche Scores benötigen Einhörarbeit. Aber bei Callerys THE MARKSMAN gibt es trotz mehrtägigem Durcharbeiten nichts zu entdecken. Atmosphärisches Ödland wurde verwoben mit Ideenlosigkeit. Dazu gesellt sich der ein oder andere Actioncue: Strukturlose Schlagwerk-Attacken welche Chaos verbreiten, aber in Selbigem absaufen. Dass die Komposition angestaubt klingt und zwanzig Jahre alt sein könnte, sei rasch noch angemerkt. Callery vertont fast nur Serien, dies ist dem Album schmerzlich anzumerken.

Oliver


A BRIDGE TOO FAR
John Addison, Quartet Records

Richard Attenboroughs Film über die Operation Market Garden war ein teures und ambitioniertes Projekt, besetzt mit vielen damaligen Stars wie Sean Connery, Michael Caine, Robert Redford, James Caan, Gene Hackman u.v.a. In den Kinos waren die Reaktionen unterschiedlich: In den Staaten erfolglos, in Europa durchaus erfolgreich. Aber die Welt sprach in diesem Jahr sowieso von einem anderen Film, STAR WARS (1977).

Für A BRIDGE TOO FAR (1977) engagierten die Macher John Addison, er selber ein Veteran und Panzerkommandant des 2. Weltkriegs und für TOM JONES (1963) mit dem Oscar ausgezeichnet. Hier komponierte Addison eines seiner bekannteren Themen, einen omnipräsenten Marsch, der optimistisch die Ausgangslage präsentiert, die später in einem Fiasko enden sollte – und den Marsch mit einer bitteren Note anhören lässt. Weitere wichtige Themen sind für die Bevölkerung Arnheims reserviert, die zuerst von Befreiung träumte, nur um schliesslich ihre Stadt in Schutt und Asche erleben zu müssen sowie ein Motiv für die Landkräfte des britischen XXX Corps.

Das Originalalbum von 1977 wurde von Ryko und Kritzerland neu aufgelegt, Quartet Records geht einen kleinen Schritt weiter und präsentiert den Score in 24 Tracks und einer Länge von 32 Minuten (auch das ein Kontrast zu Filmen wie Lucas‘ KRIEG DER STERNE) plus diversen Bonustracks auf CD 1, während CD 2 mit dem obligaten Original Soundtrack Album belegt ist. Pluspunkt der Veröffentlichung ist ohne Zweifel das gelungene Booklet.

Phil