Joe versus the Volcano

Review aus The Film Music Journal No. 29, 2002

Bei dieser belanglosen romantischen Komödie aus dem Jahr 1990 konnte nicht einmal das Star-Potential des überaus beliebten Leinwandpärchens Tom Hanks und Meg Ryan einen Erfolg an der Kinokasse herbeiführen. Zu hanebüchen dümmlich ausgefallen ist allein schon die Story um einen Angestellten, der plötzlich erfährt, daß er nur noch sechs Monate zu leben hat und sich daraufhin zum Helden aufschwingt, der bereit ist, zum Wohle eines polynesischen Stammes in einen glühenden Vulkan zu springen. Kein Wunder folglich, daß dieses bescheidene Opus keinen erhebenden Rang in den Annalen der Filmgeschichte gefunden hat und mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden ist. Doch soll es hier nicht um die Qualität des Films gehen, sondern vielmehr um die des Soundtracks von Georges Delerue – und die ist exzellent.

Gerade wenn man im Vergleich etwa Arbeiten von Randy Edelman oder Marc Shaiman heranzieht, die in den letzten Jahren Spezialisten für solcherlei Komödienware geworden sind, hört man sehr deutlich die Unterschiede im Kompositionsstil heraus. Während sich jene der Oberflächlichkeit der Filme mit sterilen Rezepten wie dem immer gleichen Klaviergeplätscher und sentimentalen Streicherbegleitungen hingeben, bezaubert Delerue durch ausnehmend schwungvolle Themen und eine farbenprächtige Eleganz, mit der er dem Komödienspektakel förmlich davonfliegt, um sich selbst auf den Weg ins musikalische Paradies zu begeben. Diese nun vorliegende schöne CD berichtet daher auch von einem Verlust, der uns durch Delerues Tod im Jahre 1992 -also zwei Jahre, nachdem er diesen Film vertont hatte – zuteil wurde, einem Verlust an melodischer Anmut, an aufrichtiger, inniger Herzlichkeit und Wärme, die einen aus den Delerue-Partituren so unmittelbar anspringen und die von den epigonalen US-Routiniers der 90er Jahre nur noch müde und schwachbrüstig, ohne Schliff und Raffinesse, imitiert werden. Nun mag sich der eine oder andere darüber schon wieder mokieren und eventuell sogar anmerken, daß doch Delerue auch stets aufs Neue dieselben kulinarischen Streicherteppiche ausbreite sowie dieselben melodischen Wendungen ins Spiel bringe. Zum Teil mag eine solche Aussage zwar ihre Berechtigung haben, dennoch vergißt man dabei schnell, wie oft Delerue bei seinen Scores für eine unnachahmliche Frische und Lebendigkeit gesorgt hat, indem er immer wieder feinfühlige und durchdachte Instrumentalsoli eingearbeitet hat, die seiner Musik erst ihren unverwechselbaren Reiz verleihen.

Und dann ist da selbstverständlich die melodische Erfindungskraft, die nur den wirklich großen Meistern unter den Komponisten zuteil wird und die sich auch nicht aus zweiter Hand erlernen läßt Alle diese Stilmerkmale sind in der hier vollständig dargebotenen JOE VERSUS THE VOLCANO-Musik, von der zuvor nur etwa 20 Minuten auf einem klanglich katastrophalen Bootleg zu hören waren, in Reinform wiederzuerkennen. Das Hauptthema, mit dem Delerue seinen herrlichen Score ausgestattet hat, ist eine grandiose, schwelgerisch ausladende Melodie, die erstmals in Track 3 Dinner with DeeDee, intoniert von einer Gitarre nebst gefühlvollen Streichern, vorgestellt wird, bevor es im nächsten Stück (Love Theme) in voller Streicherbesetzung auf große romantische Fahrt geht. Einfach unnachahmlich, wie becircend Delerue dabei seine Streichergarnison hochfahren läßt und sich damit ins Herz des Zuhörers einschmeichelt. Die schönste Version dieses Themas findet sich im 9-minütigen The Storm/The Rescue, einer langen Sequenz, in der Hanks und Ryan auf ihrem Boot von einem Taifun überrascht werden und sich dann doch noch auf ein Eiland retten können:

In glutvollem Glanz darf sich das Orchester emotionsgetränkt baden, während dramatisch-heroische Blechbläser Fanfaren im Gegenzug auffahren, die geradewegs aus einem zur Barockzeit angesiedelten Historienfilm stammen könnten. Vielleicht war Delerue auch einfach noch etwas von der rauschenden Pracht seiner kurz zuvor verfertigten französischen Eposmusiken CHOUANS (1988) und LA REVOLUTION FRANÇAIS (1989) befangen, die ganz ähnliche Klangbilder zelebrieren und durchaus im würdevollfeierlichen Track 7 1’ll Do It ihre Spuren hinterlassen haben. Das zweite, öfters auftauchende Thema ist ein apartes Glockenspiel-Motiv, mit dem die CD einsetzt, und das in den hinreißenden End Credits noch weiterverarbeitet wird. Gar elegische Ausmaße im berühmten LE MEPRIS (1963)-Stil nimmt der äußerst intensive Track 2 Brain Cloud an, bei dem man fast meinen könnte, Delerue hätte eher eine tieftraurige Tragödie zu vertonen gehabt anstatt eines Komödienstoffes. Eine Anpassung an die leichte Muse findet sich allerhöchstens in den popigeren Saxophonklängen von Fishing und in der etwas mißratenen Adaption von When Johnny Comes Marching Home, die reines Füllmaterial darstellt und nicht unbedingt mit auf die CD gehört hätte. Ansonsten blüht der Charme der Delerueschen Musik bei dieser Komposition in voller Blüte auf, und durchweg stellt man sich die Frage, woher er eigentlich die Inspiration für diesen wunderbaren Score hernahm, die ihm der dämliche Film wohl kaum geliefert haben kann.

Im Übrigen wurden in der endgültigen Schnittfassung des Films zahlreiche von Delerue schon komponierte Stücke durch Pop-Songs ersetzt und sind nun auf dieser von Robert Townson produzierten CD erstmals überhaupt zu hören. Nach langer Zeit meldet sich mit dieser Veröffentlichung auch die von Townson 1988 in Kanada ins Leben gerufene, streng limitierte «Masters Film Music»-Reihe wieder in die Soundtrack-Szene zurück, die man eigentlich schon für mausetot gehalten hatte. Das Label, das um 1990 herum viele rare Soundtrack-Preziosen auf den Markt gebracht hatte, scheint für Townson selbst mit großer Nostalgie verbunden zu sein, und so ist es wenig verwunderlich, daß er die Serie mit einer Art Hommage an einen seiner Lieblingskomponisten wiederaufleben läßt.

Mit JOE VERSUS THE VOLCANO schließt sich eine wichtige diskographische Lücke aus dem amerikanischen Delerue-Spätwerk. Die Tonqualität ist insgesamt recht gut ausgefallen, wenn auch bei den leisen Stellen ein leichtes Bandlaufgeräusch aus dem linken Kanal herauszuhören ist, das wohl nicht mehr entfernt werden konnte. Wer Delerues Musikstil schätzt und liebt, sollte gar nicht erst lange fackeln und sich im Nu die auf 3000 Exemplare limitierte Scheibe an Land ziehen, selbst wenn sie zu etwas arg teuren Preisen angeboten wird.

Stefan  |  2002

 

JOE VERSUS THE VOLCANO

Georges Delerue

Master’s Film Music

48:19 | 21 Tracks