Review aus The Film Music Journal No. 28, 2002
Ich erinnere mich an dieser Stelle an ausgedehnte Diskussionen mit Steve über den James Horner, der uns alte Fans der ersten Stunde in den 90ern aber irgendwie spätestens seit TITANIC (1997), natürlich mögen wir ihm den Oscar von Herzen gönnen, einfach nicht mehr richtig zu überraschen und packen vermochte. Oft sprachen wir von den glorreichen 80er Jahren, in denen der junge James Horner so oft zur Hochform auftrumpfte und mit WOLFEN (1981), KRULL (1983), BRAINSTORM (1983), COCOON (1985), TESTAMENT (1983), FIELD OF DREAMS (1989) oder ALIENS (1986) für Hochgefühle bei uns sorgte – und das sind nur ein paar Titel aus dieser starken Phase. Sicher erklomm Horner auch später immer wieder Höhen, gerade auch mit kleinen Filmen wie dem wunderbaren SEARCHING FOR BOBBY FISHER (1993), rüstigen Einfällen wie bei SNEAKERS (1992) oder der monumentalen Musik zu LEGENDS OF THE FALL (1994). Aber irgendwie ging immer wieder ein Zauber, eine Magie verloren, es fehlte die Horner-Würze, die wir so gerne genossen haben – auch wenn seine Scores unverkennbar Horner blieben. Das Intime in der Post-TITANIC Phase ging da und dort verloren. Es toste und rumste was es das Zeugs hielt, manchmal gefiel es, manchmal war vieles nach einiger Zeit wieder vergessen.
Nun haben wir innerhalb von wenigen Wochen mit der Veröffentlichung von drei Scores eine richtige Horner-Renaissance erlebt – und zumindest musikalisch gehören diese drei Kompositionen in die Ecke der kleineren Musiken. A BEAUTIFUL MIND (2001) sei mit einem Denksternchen behaftet, da fast alles was Ron Howard anfasst, alles andere als ein kleiner Film ist. Fast gleichzeitig ist IRIS (2001) erschienen und tatsächlich, da hören wir sowas wie den alten James Horner wieder. Tonale Referenzen vergangener Zeit kehren nostalgisch angehaucht (und in einen wunderschönen Film verpackt) zurück. Besonders ist die Innigkeit, die die Musik hier ausstrahlt. Ausschlaggebend dafür der dosierte Einsatz des Orchesters und der «forcierte», also oft und fein gemachte Gebrauch von Soloinstrumenten, allen voran Violine (Joshua Bell), Cello, Horn (entzückend!), Oboe, Klavier und Harfe. Still, zurückhaltend und weniger arg gewollt als ein TO GILLIAN ON HER 37TH BIRTHDAY (1996). Nicht unbändig leidenschaftlich, aber ästhetisch, sich in engen musikalischen Räumen bewegend mit kurzen, knappen Variationen auskommend. Nicht kompliziert, aber sehr reizvoll. IRIS ist ein unverzichtbarer Genuss, ein inspirierter und ein inspirierender.
Der Dritte im Bunde ist ein Score aus den Anfangs-90ern: JACK THE BEAR (1993), ein leises Familiendrama mit Danny DeVito und Gary Sinise von Marshal Herskovitz nach einem Drehbuch von Steven Zaillian. Erschienen bei Intrada im erlauchten Kreis der Special Collection Reihe und ein weiterer Vertreter der «kleineren Filme». Horner, sicherlich aus Budgetgründen zum Gebrauch von Orchestersamples gehalten und nur in Solopassagen mit akustischen Instrumenten anreichernd, wählt auch hier den Weg des Zurückstehens, der Intimität, der Zurückhaltung. Simpel ist das kurze Eröffnungsmotiv gehalten, ebenso unkompliziert das eigentliche «Jack the Bear»-Thema, das sich durch oftmaliges Wiederholen zum Hauptthema mausert. Demgegenüber stellt Horner eine etwas komplexere Linie in Moll gehalten, die Schattenseiten, die der Film innehat, beleuchtend. Die Bassmundharmonika vergibt zusätzlich dunkle Eindrücke. Keine einfach zu geniessende Musik zu einem Film, der schon mal schwer auf dem Magen liegen kann.
Kehren wir zurück zum Oscar-Contender A BEAUTIFUL MIND, zu dessen musikalischem Innenleben noch nichts gesagt wurde. Besonders hier gilt der in diesen Zeiten oft zu hörende Satz «leider nichts Neues», insbesondere, aber nicht nur, in der Gestaltung des Hauptthemas, welches sich stark an das SNEAKERS-Muster anlehnt. Mehrere, mächtige wogende Klaviere, Streicher, Holzbläser und Horn, sowie ein Mezzosopran als führende Stimme. Aber es ist nicht die Orchestration als solche, die die Verwandtschaft zu anderen James Horner Musiken ausmacht, es ist der Stil, der von James Horner manchmal ad Nausea immer und immer wieder verwendet wird. Seine Komposition hier dreht sich um ein Hauptthema, strickt hie und da etwas drum herum, dabei fällt einiges Belangloses ins Gewicht, aber kommt es auch zu träumerischen Momenten wie in «Car Chase», hinter welchem man eher einen wohlbeleibten Actioner vermutet. Immerhin, in seinen besten Momenten ist A BEAUTIFUL MIND hypnotisierend und aufwühlend und doch engt sich Horner wieder zu sehr ein und mag nicht so recht ausbrechen aus dem Korsett. Auch deshalb wirkt die 70minütige CD bisweilen ganz schön ausgedehnt, um es so auszudrücken.
So, dreimal Horner auf einen Schlag und das mit drei komplett unterschiedlichen Musiken, was die ganze Sache dann eben doch wieder wahnsinnig interessant macht. Der Fan wird sich alle drei CDs ohnehin zulegen. Wer zögert, dem sei aus dem Dreigestirn vor allen Dingen der herrliche Score zu IRIS ans Herz gelegt, mit bestem Wissen und Gewissen.
Phil 2001
IRIS
James Horner
Sony Classical
49:58 Min.
8 Tracks
JACK THE BEAR
James Horner
Intrada
47:52 Min.
12 Tracks
A BEAUTIFUL MIND
James Horner
Decca
71:36 Min.
18 Tracks