Als John Williams 1972 für Robert Altman die Musik zu IMAGES komponierte, befand er sich an einem Punkt seiner Karriere, der zu mehr Engagements für Kinofilme und immer grösser werdenden Projekten führte. Für THE REIVERS (1969) holte er sich eine Oscar-Nomination und lieferte im gleichen Jahr, in dem IMAGES entstand, die Musik zu zwei weiteren angesehenen, aber völlig anders gearteten Werken: THE COWBOYS (1972) und THE POSEIDON ADVENTURE (1972).
IMAGES handelt von einer Buchautorin, die unter scheinbar unerklärlichen Erscheinungen leidet. Unter anderem erkennt sie ihren Ehemann nicht wieder. Die beiden entscheiden sich des Stresses und der Schwangerschaft wegen aufs Land in ein kleines Cottage zu ziehen. Doch besser wird es dort nicht, im Gegenteil. Die Visionen und die Paranoia manifestieren sich als allgegenwertig und nehmen zu.
Ein für Robert Altman sehr ungewöhnlicher Film mit Susannah York und dem späteren STAR TREK: DEEP SPACE NINE Star René Auberjonois. Auch John Williams liefert einen ungewöhnlichen Score mit Stimmen, teils bizarren Perkussionsklängen (gespielt vom damals populären Japaner Stomu Yamash’ta) und den mit Stahl, Glasröhren und Saiten ausgestatteten «Skulpturen» der Gebrüder François und Bernard Baschet, an denen Yamash’ta sich vertat. Zu diesen Elementen setzte Williams Streicher und Tasteninstrumente. Alles wurde, auch wenn es im ersten Moment und der scheinbar improvisatorischen Art wegen nicht so erscheinen mag, so ausnotiert – oder mindestens notiert – dass das Timing der Szenen und Schnitte erreicht wurde.
Zu Beginn des ersten Stücks «In Search of Unicorns» ist das Hauptthema des Films für Streicher und Klavier zu hören, gefolgt von einem zweiten Motiv, das einen unschuldig kindlichen Charme versprüht. Diese werden immer wieder unterbrochen von Yamash’tas perkussiven Einwürfen und gegen Ende des Tracks sind auch erstmals Stimmexperimente zu hören. «The House» ist bestimmt von der avantgardistisch, experimentellen Seite des Scores – zurückhaltender als sie uns im Verlauf der CD begegnen wird. Das zu Beginn asiatisch anmutende «Visitations» ist ein erster Vorkoster, während die Streicher in «Reflections» in 12-Ton-Musik eintauchen und deren tiefere Register CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND (1977) erahnen lassen. In «The Killing of Marcel» vereint Williams die Elemente Streicher und Stimmeffekte, setzt scharfe Piccolotöne, Celesta und zurückhaltender die perkussiven Elemente ein. «The Love Montage» wird von einem Uhrwerk-artigen Rhythmus getragen, Klavierdissonanzen bestimmen daneben die erste Hälfte des Tracks. Im späteren Verlauf spielt Williams das nun fast irr klingende Hauptthema kurz an, kleine, verfremdete Versatzstücke des zweiten Themas sind ebenfalls zu vernehmen. Etwas durchatmen darf man bei «Blood Moon», in dem das Hauptthema auf klassisch akzentuierte Weise vorgetragen wird – ein starker, eindringlicher Höhepunkt. Auch in «Dogs, Ponies and Old Ruins» zeigt sich das Hauptthema auf gefällige Art und Weise. Neben dem erwähnten Instrumentarium ist hier auch eine Laute zu hören. Auf diese Bahnen kehrt Williams für den Rest des Scores nicht mehr zurück: «The Land of the Ums» und «The Night Witch Ride» sind von Klangcollagen, perkussiven Clustern, metallisch anmutenden und schaurigen Tönen bestimmt, aber auch Pizzicato und dissonante Streicher unterstütze, klangbildlich, den mentalen Status der Protagonistin. Erst mit dem letzten Track «The Waterfall and the Final Chapter» kehrt Williams wieder zu konventionelleren Ufern zurück, stets jedoch mit der unterschwelligen, inzwischen etablierten Stimmung – in Williams eigenen Worten: «…ging es darum, einen Einblick in Kathryns Seele und Verstand zu erhalten.»
Fans von Williams Blockbustern werden ins Staunen kommen, ein wenig «einstecken» müssen und Bereitschaft zeigen: Williams’ avantgardistischste, experimentelle Seite, die wir in diesem Ausmass und derart massiert in keinem seiner kommenden Scores mehr hören werden.
Beim belgischen Label Prometheus erschien 2007 eine damals sehr willkommene CD, allerdings war der Klang eher bescheiden (als Ausgangsmaterial wurde die in den 1970er Jahren erschienene Bootleg-LP herangezogen). Dieses neue Quartet-Album wurde von keinem Geringeren als Mike Matessino aus kürzlich aufgetauchten Stereoelementen gemastert und mit einem Booklet mit Liner Notes von Jon Burlingame und den Notizen aus der Feder von Williams für die einst angedachte, aber nicht realisierte Soundtrackveröffentlichung versehen.
Phil, 20.10.2021
IMAGES
John Williams
Quartet Records
36 Min.
11 Tracks