Review aus The Film Music Journal No. 21, 2000
Eine schöne Überraschung im 1999er-Kino: der in Frankreich finanzierte, vor Ort im Himalaya-Gebirge gedrehte Film HIMALAYA. L’ENFANCE DU CHEF. Bis heute weiß ich nicht, ob nicht zumindest die Hauptfiguren von professionellen Darstellern gemimt wurden. Im Grunde ist es egal, weil das Ergebnis absolut überzeugt.
In manchen Kino-Kritiken las man als Aufmacher den Begriff «Hochgebirgswestern», und obwohl die Kameraführung, der Schnitt und die Menschen im Nepal und Tibet natürlich nicht gerade an John Wayne hoch zu Roß erinnern, so legt die Handlung doch den Vergleich mit einigen Westernklassikern nahe, speziell RED RIVER (1948).
Hier wie dort geht es um einen Viehtreck, der unter großen Strapazen bewältigt werden muß und unterwegs in einem Generationenkonflikt eskaliert. Anstelle von Rindern werden hier aber Yaks, die zotteligen Gebirgswesen, über steile Pässe und Eisfelder getrieben.
Bruno Coulais, ein zuletzt häufig gefragter Komponist französischer TV- und Filmproduktionen, hatte natürlich wieder mal mit dem typischen Problem zu kämpfen. Was sollte er tun? Einfach westliche Musik schreiben, wie John Williams für SEVEN YEARS IN TIBET? In diesem Film hätte das alles verklumpt. Andererseits hilft die exotische Stilkopie auch nicht unbedingt weiter, wie viele mißglückte Hollywood-Schnulzen alter Tage beweisen. Coulais ließ sich von seinen Eindrücken leiten, griff einerseits auf westliches Instrumentarium zurück, verpflichtete jedoch einige tibetanische Sänger und Solisten. Die Mixtur ist geglückt: während das Sängertimbre zweifellos die couleur locale des Films transportiert, orientiert sich Coulais in der Begleitung und den Instrumentalstücken eindeutig an westlichen Vorläufern, mal eher der Meditationsmusik entnommen, dann wieder im Schlepptau des Minimalismus.
Das Ergebnis berührt durch seine ausdrucksstarke Intensität und Originalität. Ein Highlight unter den neuesten Filmmusik-Alben. Achtung: die meisten Versandhändler bieten nur die über teure Importpressung an. In mehreren deutschen Läden habe ich aber auch eine günstigere Variante mit offensichtlich gleichem Inhalt gesichtet.
Matthias | 2000
HIMALAYA. L’ENFANCE DU CHEF
Bruno Coulais
Éditions Galatée
47:30 | 21 Tracks