Hard Rain (La-La Land)

Man nehme eine Handvoll grössere und weniger grosse Stars, ein wenig Katastrophenfilm, viel Regen und einen Raubüberfall, schüttle gut durch und erhalte: HARD RAIN (1998) vom einstigen Kameramann Mikael Salomon, der James Camerons THE ABYSS, Steven Spielbergs ALWAYS und Ron Howards FAR AND AWAY in tolle Bilder tauchte. Starpotential hatten damals Christian Slater und allen voran Morgan Freeman, die nicht nur gegen mächtig Wasser von oben (und ja, auch quasi von unten) sondern auch gegen einen fiesen Sheriff (Randy Quaid) ankämpfen mussten, um ihren Plan, einen Geldtransporter, gefahren von Slaters Charakter und dessen Onkel (Ed Asner aus der TV Serie LOU GRANT), auszurauben. Man könnte sagen: Es war ein Schlag ins Wasser. Dem Film erging es nicht besser. Die 70 Mio. $ Produktion, Problemen beim Dreh ausgesetzt, floppte und brachte weder Slater, der ausgerechnet am Tag der Premiere in den Knast musste (es half dem Film nicht wirklich), noch Salomon Glück. Die einzigen, die recht unbeschädigt aus dem Projekt emporstiegen, waren Freeman und Komponist Christopher Young.

Young durfte ein fleissiges Jahr mit fünf Filmen gestalten, von denen nur der Grusler URBAN LEGEND wirklich gut besucht wurde. Ein Jahr später würde er mit dem Connery/Zeta-Jones Film ENTRAPMENT (1999) einen seiner grössten Erfolge feiern und mit THE HURRICANE (1999) auf Wohlwollen, nicht nur bei der Kritik, stossen.

Bei mir ebenfalls auf Wohlwollen stiess damals der Score zu HARD RAIN, auch den Film fand ich trotz (nach enttäuschenden Previews neu gedrehtem) missratenem Ende, ganz unterhaltend. Die CD war ein Dauerbrenner und ich nenne sie nach wie vor gerne und weit vorne bei meinen Christopher-Young-Favoriten.

Milan brachte seinerzeit eine gut getimte 51 Minuten CD auf den Markt, die so manchem Filmmusikfan des Genres gefiel. 22 Jahre später hat sich La-La Land Records wieder des Scores angenommen und diesen mit zahlreichen neuen und erweiterten Tracks ausgestattet. 49 Minuten Nettoscore (huch… dazu gleich mehr) und einige Bonustracks (alternates und album tracks) ergeben 67 Minuten Hörzeit. Nicht dabei ist der 3 Minuten Song «The Flood», der das Milan-Album beschlossen hatte – The Flood lautete übrigens der ursprüngliche Filmtitel. Wie im Abschnitt weiter unten zu sehen, gibt es einige auf dem alten Album nicht erhaltene Tracks (*), ebenso gibt es Stücke, die nicht im Film vorkamen oder gegenüber der Milan CD erweitert bzw. in abgeänderter Form vorkommen.

Auch in dieser neuen Version ist HARD RAIN ein besonderes Ereignis aus einer Zeit, in der der Schift, wie man einen Actionfilm zu vertonen hatte, sich langsam durchzusetzen begann. Mehr in traditioneller Form, wenn auch mit modernen Mitteln angereichert, ist Youngs Musik ausgefallen. Grosses Orchester (es spielt das 120 Musiker starke London Metropolitan), brodelnde Orchestrationen und ganz besonders auffällig die Mundharmonika des Belgiers Toots Thielemans.

Der Score beginnt mit einer Art Fanfare, einem 5-Noten-Motiv, welches nach 2 Minuten in seiner heroischen Version begleitet von Elektronika, Holzbläser-Ostinati, Streichern und Perkussion erklingt, ehe Thielemans Mundharmonika übernimmt: «Main Title (film version)*». Young verschwendet keine Zeit und lässt nach kurzen Spannungs-Durchschnaufern («Bank Pick-Up*/Stuck Truck*», «Truck Heist» und «A Walk in the Rain/The Door is Ajar»*) mit «The Jet Ski Chase (Part 1)» den ersten Actiontrack erklingen – hier ist ein neues, mitreissendes Motiv, das von den Hörnern angeführt wird, zu hören. Ein zwar kurzer, aber toller neuer Track ist der pfundige «Full Reservoir*/The Dam Breaks*». Instrumentatorisch zieht Young die in den Auftaktstücken vorgestellte Form bis zum Schluss durch, reichert diese hie und da mit Röhrenglocken, Tom Toms, Amboss und Gongs an oder lässt die Trompeten gestopft erklingen. Bekannt aus dem vorherigen Album sind u.a. die famosen «The Jail Cell» (Horner lässt hier ebenso wie in «Kenny Gets Zapped»** grüssen), «Up on the Roof» und «Church Chase».

Ähnlichkeiten zu James Horners ALIENS kann Young also nicht verhehlen, doch das stört eigentlich keinen grossen Geist. HARD RAIN ist einfach stark gemacht, zieht seine Motive konsequent durch und bleibt trotz viel Action und Suspense auf der angenehm melodischen Seite. Fans knackiger Genrewerke à la Goldsmith, James Newton Howard (zu dessen 90er Actionbombast HARD RAIN ebenfalls in Beziehung steht) oder Bruce Broughton werden an HARD RAIN ihre wahre Freude haben. Puristen, die Youngs mehr atonale Seite seiner Horrorwerke schätzen, bedürfen vielleicht einer gewissen Eingewöhnungsphase. Fazit: Ein ganz anderes, taufrisches Album werden alle, die HARD RAIN schon kannten, nicht zu hören bekommen. Aber es gibt genügend neue Tweaks und Kniffe, um auch den Fan bei Laune zu halten. Ein bisschen mehr Umfang der Liner Notes hätte ich mir allerdings gewünscht.

Phil 06.04.21

 

HARD RAIN

Christopher Young

La-La Land Records

78:12 Min.
34 Tracks