Auf die Frage, was ihr Ehemann heute machen würde, wenn er noch lebte, antwortete Camille Fielding kurz und bündig: «sich beschweren». Diese Bemerkung und auch der Umstand, wie Jerry Fielding starb, lassen unweigerlich an Bernard Herrmann denken, sind doch ein paar Parallelen unübersehbar. Beide Komponisten hatten starke Egos, waren alles andere als pflegeleicht und, vor allem was ihre Arbeit betraf, kompromisslos. Und beide schlossen nur wenige Stunden nach Fertigstellung ihrer letzten Filmmusiken in fremden Hotelbetten für immer die Augen, weil ihre Herzen aufhörten, zu schlagen.
Im Gegensatz zu Herrmanns Taxi Driver ist Fieldings Funeral Home (Alternativtitel: Cries In The Night) indes schwerlich als Klassiker zu bezeichnen, ist dies doch eine kanadische Low-Budget-Produktion von geringem Bekanntheitsgrad. Der Horrorstreifen in der Tradition von Psycho handelt vom Besuch der jungen Heather bei ihrer fürsorglichen Grossmutter, die das kleinstädtische Bestattungsunternehmen ihres Gatten, nachdem dieser mit einer anderen Frau durchgebrannt ist, in ein Hotel umfunktioniert hat. Schon bald aber stellt sie fest, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht.
Obwohl Jerry Fielding während seiner Karriere oft grauenvolle Szenen vertonen musste, hatte er kaum reine Horrorfilme in seinem Palmares. Natürlich gibt es The Nightcomers, aber der ist eher gepflegter Grusel als Horror, und wie bei diesem benutzt Fielding bei Funeral Homekaum Schockeffekte, aber auch nicht dessen vordergündige, lyrische Romantik. Zwar fährt er, um den Hörer einzulullen, zu Beginn mit lieblichen und idyllischen Themen in Main Title, Heather’s Arrival und Home, Sweet Home ein wenig auf dieser Schiene, wendet sich dann aber rasch seiner Hauptaufgabe zu, um mit ambivalenten Klängen die Ungewissheit über die im verwinkelten Gasthaus lauernden Gefahren zu schüren.
Er tut dies ‒ einigen seiner Thriller-Musiken nicht unähnlich ‒ indem er auf die unbehagliche Wirkung atonaler Klänge vertraut. Fein abgestufte Schattierungen in den Streichern, die ‒ egal, ob sie sich in lichten Höhen oder tiefsten Tiefen bewegen ‒ jederzeit den Anschein machen, das Böse zu demaskieren, in Bewegungslosigkeit verharrende Passagen und Ostinati, die die Spannung fast unerträglich ausdehnen. Immer wieder verschaffen sich aber auch konkretere Emotionen Gehör. Kurze, mysteriöse Oboen-Soli in Home, Sweet Home und You Like The Way I Look, ein Aggressionsausbruch in Whispering Corridors, eine kummervolle Solo-Violine in Mysteries Of The Dark und Home, Not So Sweet Home, welches auch mit einer panischen Fuge aufwartet. Leidgeprüfte Streicher in Animal Magnetism, Billy’s Demise und Coffin Ready, hektisches Pizzicato-Spiel in Water Rescue und Grandma Unhinged. Und zu guter Letzt deutet die Rückkehr des friedvollen Hauptthemas in Finish ein Happy End an.
Es dürfte Fielding-Kenner nicht überraschen, dass der Komponist auch hier gelegentlich zu Selbstzitaten aus früheren Filmen greift. So verweist beispielsweise The Cat auf The Nightcomers, Voices In The Basement auf Straw Dogs oder Davis Whacked auf The Big Sleep.Und, um nochmals auf Herrmann zurückzukommen, ahmt Fielding dessen gern verwendete tiefe Holzbläser in Going, Going… Gone und Water Rescue zwar nur kurz, aber unverkennbar nach.
Funeral Home mag zwar nicht zur ersten Garde von Fieldings Filmmusiken gehören, dieser psychologisch ausgeklügelte Horror-Score schliesst seine jäh zu Ende gegangene Karriere jedoch würdevoll ab. Intrada präsentiert den kompletten, in Kanada aufgenommenen und klanglich sehr gut erhaltenen Score in der vom Komponisten vorgesehenen Reihenfolge. Als Bonus findet sich eine Handvoll typische Fielding- Source-Cues; es handelt sich hierbei um Country- und Jazzstücke sowie Choräle für Blechbläser und Orgel. Obwohl für den Score wegen der höheren kanadischen Musiker-Gebühren 10 Dollar mehr zu bezahlen ist als üblich, sollte dies niemanden ‒ und am allerwenigsten loyale Fielding-Fans ‒ davon abhalten, sich diese CD zuzulegen. Denn wenn man bedenkt, wie viel man in den 1990er-Jahren für manch ein Bootleg noch hinblättern musste, ist selbst dieser Preis fast ein Klacks.
FUNERAL HOME Jerry Fielding Intrada Special Collection Volume 186 59:52 Min. / 28 Tracks Limitiert
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