Executive Producer: Steven Spielberg – Teil 2

von Phil Blumenthal

In Teil 2 geht es weiter mit der Phase nach BACK TO THE FUTURE (1985), in der sich Tops und Flops abwechselten und Spielberg beinahe omnipräsent in Kinos und im TV war. Nicht zu jedermanns Freude: Einige Kritiker begannen sich ob des Blockbusterkinos und der eher leichten, süffigen Unterhaltung bereits negativ zu äussern.

Zu behaupten, Steven Spielberg hätte Barry Levinson entdeckt, wäre eine arge Übertreibung. Immerhin hatte Levinson ein Jahr zuvor mit THE NATURAL (1984) einen der grossartigsten Filme zum ur-amerikanischen Thema Baseball abgeliefert, der bei Kritik und der Academy bestens ankam (4 Nominationen, u.a. Score und Kamera). Levinsons Filmkarriere begann als Drehbuchautor an der Seite von Mel Brooks, nachdem ihn sein Studium in Fernseh- und Radiojournalismus zunächst zum TV brachte. Einige Zeit späte begann seine Filmkarriere mit DINER (1980), dem ersten von insgesamt drei Filmen, die in Baltimore spielten und eine lose Trilogie bildeten. Seine grössten Erfolge feierte er natürlich mit dem Dustin Hoffman/Tom Cruise Film RAIN MAN (1988) und GOOD MORNING, VIETNAM mit Robin Williams. Es folgten Flops (TOYS, 1992; SPHERE, 1998) aber auch vielbeachtete Werke wie SLEEPERS (1996) und die herrlich schwarzhumorige Realsatire WAG THE DOG (1997) mit Robert DeNiro und Dustin Hoffman. Seither ist es eher still geworden um Barry Levinson, wobei für 2021 sein neuer Film HARRY HAFT (mit Musik von Hans Zimmer) angekündigt ist.

Bei YOUNG SHERLOCK HOLMES (1985), der in Europa als PYRAMIDE OF FEAR und im deutschsprachigen Raum unter dem Titel DAS GEHEIMNIS DES VERBORGENEN TEMPELS (ähm, ja, klar, wohin man damit zielen wollte, oder?) gezeigt wurde, hatte Levinson erstaunlich viel freie Hand. Wieder war Chris Columbus (GREMLINS, 1984; THE GOONIES, 1985) als Drehbuchautor tätig – es war gleichzeitig seine letzte Arbeit im «Spielberg presents»-Imperium. Columbus machte sich danach auf, um selber im Regiestuhl Platz zu nehmen und lieferte nach weniger gelungenen Erstlingen Hits wie HOME ALONE (1990), MRS. DOUBTFIRE (1993) und den tollen ersten Teil im HARRY POTTER-Universum, THE SORCERER’S STONE (2001).

Zurück zu YOUNG SHERLOCK HOLMES: Levinson sah vor, bestimmte Effekte richtig horrormässig einzusetzen, während Spielberg darauf bestand, diese mit mehr Komik umzusetzen. Hier kam es denn auch tatsächlich zu Konflikten, aber Spielberg behielt, natürlich, die Oberhand. Auch passt YOUNG SHERLOCK HOLMES bestens ins Amblin Universum und hält einige «Spielbergismen» bereit: Holmes und Watson als Jugendliche und der Traum vom Fliegen beispielsweise. Und eine gewisse Nähe zu INDIANA JONES AND THE TEMPLE OF DOOM ist dem Film in den Templerszenen nicht abzusprechen.  

Der junge Sherlock Holmes (Nicholas Rowe) trifft in der Brompton Academy im viktorianischen London zum ersten Mal auf John Watson (Alan Cox) – somit von Arthur Conan Doyles eigener Erzählung in «A Study in Scarlet» abweichend. Nach einem ersten Abenteuer in der Schule, bei dem Holmes seine Scharfsinnigkeit unter Beweis stellt, versuchen sie, dem Tun einer geheimnisvollen Sekte auf den Grund zu gehen. Holmes trifft auch auf seine erste, allerdings unglückliche Liebe mit Elizabeth Hardy (Sophie Ward), womit der Film die Attribute begründet, mit denen Sir Arthur Conan Doyle in seinen Romanen Sherlock Holmes charakterisiert: Eine berechnende, unnahbare Kälte.

YOUNG SHERLOCK HOLMES ging in die Filmgeschichte ein als erster Film, in dem ein CG Effekt (per Laser) direkt auf Film gebannt wurde und zwar in der Kirchen-Szene, in der ein Ritter aus einem bunten Kirchenfensterglas schreitet und einem Pastor erscheint. Dafür gab es für die Crew von Industrial, Light & Magic sogar eine Oscarnomination. In der Sequenz nach den Schlusstiteln ist ein eindeutiger Hinweis auf eine Fortsetzung enthalten, leider kam es nie dazu. YOUNG SHERLOCK HOLMES floppte auf ganzer Linie und spielte in den USA mit Ach und Krach gerade noch sein Budget ein. Eigentlich schade, ist der Film doch ein locker flockiges Abenteuer mit einigen dunklen, mysteriösen Momenten, das bestens unterhält und technisch hochstehend umgesetzt wurde.

Ein ganz grosses Plus des Films ist die Musik von Bruce Broughton. Kurz davor hatte der Komponist mit seinem grandiosen SILVERADO (1984) für Aufsehen gesorgt und völlig verdient eine Nomination für die beste Filmmusik bei den Oscars eingeheimst. Die LP, die ich damals überraschenderweise bei einem Musikalienhändler entdeckte, verfügt über das deutsche Cover. Diese Platte wurde damals von mir beinahe «zu Tode gehört».

Broughton, der sich seine Sporen zunächst im TV verdiente, erhielt das Drehbuch zu YOUNG SHERLOCK HOLMES während er an SILVERADO arbeitete. Für den orchestralen, reich mit Themen ausgestatteten Score standen Broughton lediglich vier Wochen zur Verfügung – für rund 90 Minuten Musik wohlverstanden! Zum guten Glück war Barry Levinson, der bei den Aufnahmen in London anwesend war, mit der Musik so glücklich, dass es kaum zu Nachbesserungen kam. Angeführt wird die Komposition vom Hauptthema, das in den Titeln zu hören ist. Dazu gehört auch ein Liebesthema, welches in Verwandtschaft mit dem Holmes-Abenteuer-Thema steht und der Chorgesang, der das Tun der ominösen Sekte beschreibt. Für das Originalalbum nahm Broughton eine spezielle Version des Liebesthemas auf. Lange musste die Filmmusikgemeinde warten, ehe es endlich zu einem «offizielleren» Release kam. Intrada veröffentlichte 2002 eine streng limitierte Doppel-Promo und erst 2014 folgte schliesslich eine rundum offizielle Veröffentlichung. 2018 erschien eine Neuauflage mit «improved sound», bei der als Bonus erstmals das alte Album auf CD herausgebracht wurde. Nun sollten aber auch wirklich alle mit diesem unwiderstehlich toll gemachten und mitreissenden Score bedient worden sein. Mir ist er mit GREMLINS und INNERSPACE (1987) der Liebste aller Amblin-Musiken. Eine kleine Randbemerkung: Bruce Broughton lernte bei den Aufnahmen zu YOUNG SHERLOCK HOLMES seine künftige Frau Belinda kennen.

Zur Rezi

Wie im ersten Teil kurz angetönt, gehörte TWILIGHT ZONE (1959 – 1964) zu Spielbergs favorisierten TV-Sendungen. Wer von uns alle Seasons reingezogen hat, kann das durchaus nachvollziehe. Einige Episoden funktionieren und wirken heute noch ganz hervorragend und bestanden den Test der Zeit. Nach seiner Kinoversion TWILIGHT ZONE-THE MOVIE (1983) war es nur eine Frage der Zeit ehe Spielberg mit Amblin Entertainment ein ähnliches Format im US-Fernsehen platzieren sollte. So meinte er vor der Lancierung: «Die AMAZING STORIES sind ein Pflegeheim für Ideen, die niemals erwachsen werden und nicht stark genug sind, um über 23 Minuten hinauszugelangen.» Bei Sid Sheinberg, dem Chef von MCA, erwähnte er seine Idee und lief damit beim Sender NBC offene Türen ein. 44 Folgen über einen Zeitraum von zwei Jahren räumte man Spielberg nebst vielen Freiheiten ein, die man beim Fernsehen ansonsten regelrecht suchen musste. Und mit 800’000 bis 1 Mio. $ pro Folge war das Budget doppelt so hoch wie es sonst im TV-Bereich für eine Serie üblich war. Spielberg war überzeugt von der Mammutproduktion, deren kreative Kontrolle er sich ausbedingte. Regisseure wie Martin Scorsese, Clint Eastwood, Peter Hyams, Irvin Kershner, Joe Dante, Robert Zemeckis, Tim Burton oder Nick Castle konnten gewonnen werden.

Am 29. September 1985 war es soweit: Die erste Episode ging über den Äther. «Night Train» hiess sie und Regie führte Spielberg selber. Wieder stellte er eine Familie in den Mittelpunkt der Geschichte und mit Lukas Haas einen ganz jungen Darsteller, der im selben Jahr in WITNESS neben Harrison Ford zu sehen war. Hinter der Kamera sass Allen Daviau (E.T. – THE EXTRA-TERRESTRIAL; 1982, im April 2020 verstorben) und die Musik schrieb John Williams, der auch gleich das Titelthema der Serie komponierte. Doch die rührselige Geschichte kam weder beim Publikum noch bei den TV-Kritikern gut an und die Lust weitere Episoden zu schauen, nahm mehr und mehr ab, bis die Serie nur noch Platz 64 im sogenannten Nielsen-Rating für Fernsehserien belegte (nach Startplatz 12). Richtig durchstarten konnte die Serie eigentlich nie. Das lag mitunter an den oft flachen und wenig «unglaublichen Geschichten», die weder verzaubern noch erstaunen konnten. Ein Vergleich mit TWILIGHT ZONE zu ziehen, ist schwierig. Andere Zeiten, andere Macher – und vor allem andere Autoren. Ja, es gab gute Stories, aber nicht viele. Eine der witzigsten ist die Episode «Mummy Daddy» von William Dear, in der ein an einem Filmdreh teilnehmender, als Mumie verkleideter Darsteller unbedingt bei der Geburt seines Kindes dabei sein will. Das bringt einige Missverständnisse mit sich, die beinahe zum Lynchmord führen. Dass dabei nebensächlich noch eine echte Mumie auftaucht, geht zum Glück fast vergessen. Weitere ganz gute Episoden sind Zemeckis’ «Go to the Head of the Class» und «Mirror, Mirror» von Martin Scorsese, Joe Dantes’ «The Greibble» und «Blue Man» von Paul Michael Glaser.

Technisch absolut gelungen ist Steven Spielbergs Einstünder «The Mission» (mit Kevin Costner), der mit einer tollen, üppig langen Kamerafahrt beginnt. Nicht ganz so brillant ist allerdings das Ende der Episode. Viele der Geschichten sind recht naiv, das Ende oft zuckersüss, den meisten sieht man allerdings Wertigkeit in Sachen Produktion an. Doch gut gemacht ist lange noch nicht gut erzählt. Und so verschwand AMAZING STORIES schliesslich wieder von der Bildschirmfläche. In Europa versuchte man es zunächst mit einer Kinofilm-«Auskopplung» und platzierte «The Mission», «Bring Me to the Head of the Class» und «Mummy Daddy» in den Kinos als Episodenfilm, was aber komplett misslang. Später nahm RTL2 einige Episoden in das Programm auf. Ich habe stets versucht AMAZING STORIES zu mögen, das Konzept an sich sprach an, durchaus namhafte Darsteller sind zu sehen, doch für jede einigermassen gelungene Episode gibt es eine total misslungene. Schade.

Nicht gespart wurde bei der Musik. 32 bis 66 Musiker zählten die Orchester. John Williams, Jerry Goldsmith, Bruce Broughton, James Horner, Leonard Rosenman, Craig Safan, Billy Goldenberg, Georges Delerue, Danny Elfman, John Addison, Fred Steiner, David Shire und andere Komponisten lieferten Kurzscores ab. Verbunden wurden alle mit John Williams’ Titelmusik. Intrada veröffentlichte von 2006 bis 2007 drei Doppelalben (das dritte darf als das Beste bezeichnet werden) und präsentierte die Scores aus 31 Episoden. Sammler bestimmter Komponisten dürften um die CDs kaum herumgekommen sein – immerhin dauerte es fast 20 Jahre bis es zu deren Veröffentlichung kam. Fast, denn 1999 nahm Joel McNeely mit dem Royal Scottish Orchestra für Varèse Sarabande die Musik zu «The Mission» (John Williams) und «Dorothy and Ben» (Georges Delerue) auf.

Regisseur Richard Benjamin dürfte für die meisten seit seiner Rolle als Peter Martin in WESTWORLD (1973) ein bekanntes Gesicht sein. Allerdings tauchte er nach seinem Filmdebüt als Regisseur immer seltener vor der Kamera auf. Seine grössten Erfolge als Filmemacher feierte er mit der Whoopie Goldberg-Komödie MADE IN AMERICA (1993) und mit MERMAIDS (1990; mit Cher, Bob Hoskins und Winona Ryder). THE MONEY PIT (1986), bei uns unter GESCHENKT IST NOCH ZU TEUER in den Kinos, war immerhin in den USA, nicht zuletzt dank Tom Hanks’ steigender Popularität seit SPLASH (1984), ein mässiger Erfolg.

Anwalt Walter Fielding ersteht mit seiner Freundin Anna (Shelley Long, die eine Bratschistin spielt) aus Mitleid, aber auch weil es sich als vermeintliches Schnäppchen präsentiert, eine Villa, die sich als wahre Bruchbude herausstellt. Herausfallende Türen, zusammenbrechende Treppen, Badewannen, die durch die Decke fallen, durch die Luft fliegende Truthähne und elektrische Leitungen, die sich nach Betätigung des Schalters durch die Tapeten brennen – und natürlich immer die gleiche Antwort der Handwerker auf die Frage, wie lange es denn dauern würde: «2 Wochen!». Jeder von uns, der vielleicht ein älteres Haus erstanden und sich gutgläubig und frohen Mutes an Renovationsarbeiten gewagt hat, weiss bestens, welche Debakel man mit und ohne Handwerker erleben kann – und dass das Ganze zweifellos immer mehr kostet, als veranschlagt. Das Leben eines Hausbesitzers eben.

Benjamins teils wirklich ganz lustiger Slapstick-Klamauk, ein Remake des 1948 produzierten Mr. BLANDINGS BUILDS HIS DREAM HOUSE, wurde in New York gedreht und war von Spielbergs direkter Einflussnahme mehr oder weniger abgeschottet. Seine Mitproduzenten Frank Marshall und Kathleen Kennedy waren hier mehr involviert.

Immerhin war THE MONEY PIT der Beginn einer langen Freundschaft zwischen Hanks und Spielberg, die zu mehreren gemeinsamen Filmen führte: SAVING PRIVATE RYAN (1998), CATCH ME IF YOU CAN (2002), THE TERMINAL (2004), BRIDGE OF SPIES (2015) und THE POST (2017). Böse Zungen würden behaupten, diese Begegnung sei das Beste an THE MONEY PIT gewesen, so ganz falsch ist es trotz treffendem Do-it-Yourself-Gehalt der Komödie nicht, irgendwann wird man den Gags doch überdrüssig.

Der mässige Erfolg des Films führte jedenfalls dazu, dass es zu keiner Soundtrack-Veröffentlichung kam. Michel Colombiers Musik hat bis heute das Licht der Welt abseits des Films nicht erblickt, obwohl scheinbar geplant. Colombier ist in Lyon, Frankreich, 1939 geboren, schrieb unter anderem die Musiken zu UN FLIC (1972), L’HÉRITIER (1973) und L’ALPAGEUR (1976), war damals aber bereits auch in den USA tätig. Einen Namen machte er sich als Komponist des Eddie-Murphy-Flops THE GOLDEN CHILD (1986), wo er einen Score von John Barry ersetzte. Er betreute aber auch Filme, die eher durch ihre Songs als den Score bekannt wurden: AGAINST ALL ODDS (1984) und PURPLE RAIN (1984). RUTHLESS PEOPLE (1986) und WHITE NIGHTS (1985) waren weitere Filme, für die Colombier in der Phase um THE MONEY PIT komponierte.

Filmmusikalisch ist in THE MONEY PIT kaum etwas zu hören. Während den Titeln trällert Stephen Bishop seinen Song, «The Heart is so Willing», der von Colombier mitgeschrieben wurde. Auch weitere Lieder, die im Film mal länger, mal weniger lang zu hören sind, entstammen seiner Feder. Instrumentale Filmmusik ist kaum vorhanden und wenn, dann basiert sie auf Songs, ich meine sogar ein orchestrales Arrangement eines Beatles-Liedes gehört zu haben. Da Shelly Longs Ex (Alexander Godunov, der sein Hollywood-Debüt ein Jahr zuvor in THE WITNESS, 1985, von Peter Weir gab) Dirigent des Orchesters ist, in dem sie spielt, gibt es auch das ein oder andere klassische Stück zu hören. Einmal sogar ganz nett parallel geschnitten zwischen Hanks Kampf mit dem Haus und dem Spiel des Orchesters selber.

Interessanterweise war es Mitte der Achtziger Jahre nicht Disney, das eine Wiederauferstehung des Zeichentrickfilms vorantrieb. Im Gegenteil, das genannte Studio verdankt den Erfolg mit THE LITTLE MERMAID vor allem Don Bluth und Steven Spielberg, die 1986 mit AN AMERICAN TAIL quasi einen Testballon starteten, nachdem sich Zeichentrickfilme an den Kinokassen immer schwerer taten.

Don Bluth stand bereits Mitte der 1950er Jahre als Animations-Assistent in Diensten Walt Disneys . Danach studierte er an der Brigham Young University, ehe er 1971 erneut zu Disney stiess. Vom Zeichner arbeitete sich Bluth dort innerhalb kürzester Zeit zum Animations-Regisseur hoch. Er verliess aber wegen der Qualität der Filme, die ihm nicht mehr entsprochen haben soll, 1979 Disney unter einigem Getöse und gründete eine eigene Firma, die Videospiele entwickelte und mit THE SECRET OF N.I.M.H. (1982, zusammen mit einstigen Kollegen von Disney) Bluths ersten, eigenen Zeichentrickspielfilm herausbrachte. Darauf wurde Spielberg aufmerksam und erfüllte sich mit AN AMERICAN TAIL einen Herzenswunsch. Zuvor hatte er erfolglos versucht, mit Disney zusammen zu arbeiten, um einen Animationsfilm zu produzieren. Für Bluth kam der Kontakt genau zum richtigen Zeitpunkt, stand seine Firma doch damals gerade vor dem Ruin.

Die Story zu AN AMERICAN TAIL weisst erstaunliche Parallelen zu Spielbergs Biographie auf: Sein Grossvater verliess vor der Jahrhundertwende Russland und emigrierte in die USA – und Opa Spielbergs Vorname war Fievel, wie der Heldenmäuserich seines ersten Zeichentrickabenteuers also. Gemeinsam mit Papa, Mama und Schwester flüchtet Fievel Mouskewitz vor den bösen Katzenkosaken, die ihre Heimat heimsuchen. Bei der Überfahrt ins gelobte Land nach New York, wo es laut der Legende keine Katzen geben soll, gerät das Schiff in einen schweren Sturm und Fievel wird von seiner Familie getrennt, die ihn der Folge für tot glaubt. In einer Flasche dümpelt der kleine Mäuserich aber weiter und lernt, irgendwie in New York angekommen, verschiedenste Charaktere kennen: Den fiesen Warren T. Rat (der sich im Verlauf der Geschichte als kleine, verkleidete Katze herausstellt), die italienische Strassenmaus Tony Toponi und den freundlichen Kater Tiger (herrlich intoniert von Dom DeLuise). Schliesslich gelingt den Mäusen gemeinsam mit Tiger die Verkleidung von Warren T. Rat zu lüften und die Katzen, die es in NY doch gibt, endgültig zu verjagen. Happy End… Fievel findet auch seine Familie wieder.

AN AMERICAN TAIL wurde teils in Dublin (wo sich Don Bluth danach niederliess), teils in den Staaten gefertigt. Ähnlichkeiten mit Disney-Filmen aus den 1940er Jahren sind nicht zufällig, sondern waren durchaus beabsichtigt. Man wollte zum Knuddelgefühl der animierten Protagonisten zurückkehren, die das Publikum einst verzückten. Doch die Produktion war nicht ohne Schwierigkeiten. Don Bluth schwebten düsterere Szenen vor. Beispielsweise hätten der Sturm auf hoher See und die Angst von Fievel, der in der Flasche gefangen war, sowie die Figur des bösen Warren T. Rat weitaus furchterregender gestaltet werden sollen. Doch Spielberg war dagegen («Ausgerechnet der Mann, der JAWS machte», wie Bluth meinte), der Erfolg des Films, zweifelsohne für Kinder gemacht, gab ihm allerdings recht. Aber auch die Einmischung anderer Parteien, die täglich Dailies erwarteten und sich einmischten, drückte auf die Stimmung bei Don Bluth. Dazu kam, dass die Produktion langsamer voranschritt als geplant und einige der Zeichnungen nicht die gewünschte Qualität erreichten. Als Konsequenz wurden ganze Sequenzen (und Songs) rausgeschmissen und durch kurze Übergangsszenen ersetzt. Aus den zunächst veranschlagten 6.5 Mio. $ wurden 9 Mio. $. Dennoch wurde AN AMERICAN TAIL damals zu einem der erfolgreichsten Zeichentrickfilme überhaupt (weltweit über 100 Mio. $ an den Kinokassen) und stachelte Jeffrey Katzenberg an, sich bei Disney wieder auf die alten Tugenden zu besinnen und herzerwärmende Märchen, gepaart mit eingängigen Songs herauszubringen. Daraus resultierten THE LITTLE MERMAID (1989), BEAUTY AND THE BEAST (1991) und ALADDIN (1992). Dass nur zwei Jahre danach Katzenberg zusammen mit Steven Spielberg und David Geffen DreamWorks gründen würde, war damals noch nicht abzusehen. Bluth und Spielberg sollten sich nach AN AMERICAN TAIL nur noch ein Mal, für THE LAND BEFORE TIME (1988), zusammentun – mit der Fortsetzung AN AMERICAN TAIL: FIEVEL GOES WEST (1991) hatte Bluth nichts mehr zu schaffen.

Vier Songs mussten vor den eigentlichen Aufnahmen gefertigt werden, da diese im Film von den gezeichneten Figuren gesungen werden würden. Barry Mann und James Horner schrieben die Musik, Cynthia Weil die Texte. James Horner war es also, der in diesem mit ALIENS (1986) für ihn schwierigen Jahr für den Score engagiert wurde – ursprünglich war Jerry Goldsmith vorgesehen. Horner erschuf eine wundervolle, mannigfaltige mit verschiedenen Themen bestückte Zeichentrickmusik, aufgenommen mit dem London Symphony Orchestra in den Abbey Road Studios. «Somewhere Out There» wurde in der von Linda Ronstadt und James Ingram gesungenen Version, die während den Schlusstiteln lief, mit einem Grammy ausgezeichnet. Der Song erhielt ausserdem eine Oscar-Nomination, während Horners Score zweifellos einen Eckpfeiler bildete, der mit zum Erfolg des Films beitrug. Zusammen mit AMAZING STORIES («Alamo Jobe») würde Horner noch einige Male für Amblin tätig sein, so schrieb er die Musik zu *BATTERIES NOT INCLUDED (1987), THE LAND BEFORE TIME (1988), TUMMY TROUBLE (1989), DAD (1989), AN AMERICAN TAIL: FIEVEL GOES WEST (1991), WE’RE BACK! A DINOSAUR’S STORY (1993), BALTO (1995) und CASPER (1995). Für

Zu AN AMERICAN TAIL erschienen eine LP und CD mit 44 Minuten Laufzeit (inklusive fünf Filmsongs). 2019 veröffentlichte Intrada ein auf 78 Minuten erweitertes Album.

Zur Rezi

Der kanadische Werbefilmer William Dear, der auch Kurzfilme für die erfolgreiche TV-Show SATURDAY NIGHT LIVE drehte, wurde Spielberg von seinem damaligen Go-to-Kameramann Allen Daviau empfohlen und nutzte seine Chance mit der AMAZING STORIES-Episode «Mummy Daddy». Spielberg besuchte Dear bei den Schnittarbeiten und fragte ihn, was er als nächstes machen möchte. HARRY AND THE HENDERSONS war ein Projekt, das Dear seit längerem mit sich herumtrug und nun bei Amblin einen Abnehmer fand. Er hatte weitestgehend freie Hand für diesen Film über den sagenumwobenen Sasquatch, Yeti oder wie auch immer man ihn nennen möchte, den die Familie Henderson, nachdem George Henderson (John Lithgow) ihn in den nahen Cascade Wäldern angefahren hat und zunächst für einen Hirsch hielt, kurzerhand aufs Auto spannt und mit nach Hause nimmt. Dort sorgt der naiv-gutmütige Harry, wie er fortan genannt wird, für mächtig Aufruhr. Harry entwischt, als George ihn wieder in der Wildnis aussetzen möchte. Ihm auf der Spur ist der Bigfoot-Jäger La Fleur (David Suchet, bestens bekannt geworden mit der britischen Poirot TV-Serie) und George und seine Familie begeben sich ebenfalls wieder auf die Suche, nachdem in der Stadt die Sichtung eines Bigfoot gemeldet wird.

Allen Daviau selber sass hinter der Kamera, produziert wurde der Film von William Dear, der auch als Drehbuchautor aufgeführt wurde. In die Rolle und die aufwändige Maskerade des Bigfoot schlüpfte Kevin Peter Hall, der bereits an viel Aufwand bei PREDATOR (1987) und PREDATORS II (1990) gewöhnt war. Neben John Lithgow ist Melinda Dillon zu sehen, die Spielberg-Fans aus CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND (1977) kennen. Don Ameche und M. Emmet Walsh übernahmen weitere Rollen. Rick Baker war für die tollen Make-Up-Effekte besorgt. Baker brachte Erfahrung aus THE HOWLING (1981) und GREYSTOKE: THE LEGEND OF TARZAN, LORD OF THE APES (1984) mit und gewann für seine Arbeit am liebenswürdig dreinblickenden HARRY einen Oscar.

Wie berichtet wurde, waren die Amblin-Chefs mit HARRY AND THE HENDERSONS (1987) durchaus zufrieden und Spielberg liess Dear immer eine offene Tür für Rückfragen. Wieso das Trio dennoch keine Titelcredits wollten, darüber kann nur spekuliert werden. Die Thematik selber passt jedenfalls in das Portfolio von Amblin: Vorstadtfamilie und ein unbekanntes, aber friedliches Wesen – anstatt Ausserirdische eben der zottelige Harry. Trotz des nicht überwältigenden Einspielergebnisses (50 Mio. $ weltweit) schaffte es HARRY sogar ins TV und überstand drei Seasons. Die Kritik verriss den durchaus liebenswürdigen, aber recht simplen Film wie noch keine andere Amblin-Produktion zuvor, ganz zum Unverständnis des Regisseurs. Dear war auch nach HARRY wenig Erfolg beschieden, Filmmusikliebhabern dürften allenfalls ANGELS IN THE OUTFIELD (1994, Randy Edelman) und WILD AMERICA (1997, Joel McNeely) etwas sagen.

Bruce Broughton stiess dazu und erlebte HARRY AND THE HENDERSONS als eher mühevolles Projekt. Die Anfangstitel wurden mit Mozarts «Ascanio in Alba» unterlegt und Broughton komponierte seine mozartesque Version mit der Idee im Kopf, die Hendersons seien grosse Mozart-Fans und würden dessen Musik überall hören: Im Auto, zu Hause, usw. Doch die Idee wurde so nicht realisiert und so wirkt Broughtons zweifellos hübscher «Main Title» wie ein Fremdkörper im Film. Für Harry selber komponierte Broughton ein eigenes Thema, ausserdem untermalt er mit gewohnt sicherer Hand die chaotischen Szenen im Henderson Haus. Er würde fünf Jahre später mit dem fantastischen HONEY, I BLEW UP THE KID (1992) für noch mehr musikalischen Betrieb sorgen. Wie so oft hatten Komponist und Regisseur unterschiedliche Ansichten, wieviel Musik der Film schlussendlich brauchte. So wurde von Broughtons ursprünglichen 80 bis 90 Minuten lediglich die Hälfte im Film untergebracht und Stücke beliebig hin und her geschoben. Als Schlusstitelstück diente das von Joe Cocker gesungene «Love Lives On», welches auf Broughtons Thema basiert. Das MCA Album von 1987 enthielt nebst Cockers Song ein weiteres Lied, während die Filmmusik mit rund 31 Minuten Platz fand. Die limitierte 2007er CD von Intrada enthält insgesamt 76 Minuten Musik inklusive des Broughton/Barry Mann-Songs.  

< Zu Teil 1