Richard Attenborough hat während seiner Zeit als Filmemacher nur einem Komponisten die Treue gehalten: George Fenton, der vier Filme für ihn vertonte: CRY FREEDOM (1987), IN LOVE AND WAR (1996), SHADOWLANDS (1993), GREY OWL (1999). Für sein überaus ambitioniertes Werk CHAPLIN (1992) konnten Attenborough und die Produzenten John Barry gewinnen, der zwei Jahre zuvor mit DANCES WITH WOLVES (1990) den Oscar gewann.
CHAPLIN war kein leichtes Unterfangen für den Regisseur. Das Studio (Universal) sprang ab, weil es einen gewichtigeren Namen in der Hauptrolle forderte und Attenborough dem nicht nachkam – Carolco rettete mit einem Deal das Unterfangen, das inzwischen über 30 Millionen Dollar kosten sollte. Als Hauptdarsteller wurde der junge Robert Downey jr. engagiert, der für seine grossartige Leistung verdientermassen eine Academy Award Nomination erhielt (ebenso wie Barry für den Score und das Art Direction Team). In weiteren Rollen sind u.a. Dan Aykroyd, Geraldine Chaplin, Paul Rhys, Kevin Kline und Anthony Hopkins zu sehen. Der Film aber floppte gewaltig an den Kinokassen, obschon insbesondere Downey jr.’s Darstellung des Tramps auf viel Beachtung stiess.
John Barrys eleganter, melodischer und melancholischer Stil passt zu Attenboroughs Bildern, die eine durchaus traurige und ernsthafte Geschichte hinter dem wahren Chaplin beleuchten. Barrys Stil zu jener Zeit hat sich als recht einfach gestrickte, orchestrale Musik entwickelt: eingängige Themen, Strukturen, die sich über mehrere Takte wiederholen, wobei Barry die Themen gerne instrumental oktavierend ausgestaltet hat, um die Dramatik zu steigern. Ein recht einfaches Konstrukt, fürs Ohr schnell zu erfassen und ohne Zweifel gefällig. Etwas abwertend habe ich das einst als Bügeleisenmusik betitelt. Seinen Höhepunkt fand dieser Barry-Stil mit SOMEWHERE IN TIME (1980) und OUT OF AFRICA (1985) – letzterer Film eine gelungene Symbiose aus grandiosen Bildern, gefühlvoll-tragischer Geschichte und der Musik.
Daran reicht Barrys CHAPLIN nicht heran. Barry hat ein sich wiederum rasch im Gehörgang festsetzendes Hauptthema, in erster Linie für Klavier und Streicher geschrieben, das oftmals auftaucht und nebst seiner «roter Faden»-Rolle unter anderem auch als Liebesthema eingesetzt wird. Barry hat eigene Musik für Slapstickszenen (zum ersten Mal in «Chicago» und «Charlie on Riverbank» zu hören) komponiert. Dazu gesellen sich Fanfaren, ja gar ein Stück Americana sowie einfühlsame Musik für die Mutter von Chaplin («To the Asylum») für Holzbläser, Harfe, Streicher und ein nobler Track für die Eröffnung von Chaplins eigenem Studio, sinnigerweise mit «Chaplin’s Studio Opening» betitelt. Auffallend ist die Einbindung von Chaplins eigenen Kompositionen (die er mit regelrechten Komponisten zusammen erdachte), welche Barry einarbeitete. Also hören wir Ausschnitte aus «Smile» aus MODERN TIMES (1936), LIMELIGHT (1952) und CITY LIGHTS (1931).
Eine CD erschien damals zum Film bei Epic mit rund 49 Minuten Laufzeit. Die La-La Land Scheibe kommt inklusive dreier Suiten des Originalalbums auf 78 Minuten, 67 Minuten sind somit für den Score reserviert. Begleitet wird diese gelungene Veröffentlichung (Scores wie CHAPLIN werden heutzutage leider nicht mehr gemacht) von einem 20-Seiten starken Booklet mit Text von Jon Burlingame.
Phil, 28.02.2023
CHAPLIN
John Barry
La-La Land Records
78:13 | 35 Tracks