Chain Reaction

Review aus The Film Music Journal No. 8, 1996

Vor drei Jahren sorgte Regisseur Andrew Davis mit THE FUGITIVE (1993) für einen kurzweiligen, hervorragenden und top gespielten Actionthriller. James Newton Howard lieferte einen der besten Genrescores der 1990er Jahre, der notabene durchaus da und dort nach Jerry Goldsmith klang. Nun kommt CHAIN REACTION (1996), ebenfalls von Davis, mit Keanu Reeves, Morgan Freeman, Rachel Weisz und Fred Ward in den Hauptrollen – und Jerry Goldsmith bringt liefert sein Rüstzeug zu diesem SF-Thriller über eine neue Energiequelle, deren Verbreitung in andere Länder die Regierung der USA verhindern will. Der Film blieb unter den Erwartungen zurück und spielte bei einem stattlichen Budget von 50 Millionen nur 60 Millionen Dollar weltweit ein. Noch schlimmer, Keanu Reeves erhielt eine Razzie-Nomination als schlechtester Darsteller. Der Film kommt aber auch wirklich nie an Davis’ THE FUGITIVE heran.

Im Vergleich zum vor rund vier Monaten erschienen EXECUTIVE DECISION (1996) ist CHAIN REACTION auf den ersten Blick dynamischer und ein Stück verspielter gestaltet, es wird weniger Gewicht auf lange Spannungstracks und Patriotismus light gelegt. Ein aus CITY HALL (1996) bekanntes Timpani-Ostinato übernimmt Goldsmith auch für CHAIN REACTION («Assassins») und lässt mächtige Blechattacken à la TOTAL RECALL (1990) erklingen. Ein wenig Schmunzeln löst der hämmernde Pianorhythmus gegen Ende des Tracks «Open Door» aus, der kurzzeitig CAPRICORN ONE-Erinnerungen aufkommen lässt – Zungenschnalzer inklusive.

Im knapp sechs Minuten dauernden Stück «Ice Chase» beweist Goldsmith, dass er kraftvolles und toll gemachtes musikalisches Actionmaterial nach wie vor beherrscht. CHAIN REACTION bietet aber auch Platz für ruhigere Momente, die desöfteren von einer Trompete eingenommen werden: «Open Minds», «Meet Eddie». Seltener für Goldsmith ist der Einsatz einer (gesampelten?) E-Gitarre, deren Zweitonmotiv durch die gesamten 31 Minuten geistert, oftmals über elektronisch pulsierenden Rhythmen, welche in CHAIN REACTION ebenfalls einen wichtigen Bestandteil bilden.

Zweckmässiges, aber auch gut gemachtes und stellenweise interessantes Actionscoring des Aktmeisters. Mit knapp 31 Minuten geht die Laufzeit der Musik auf dieser Varèse-CD wieder über das Schmerzlimit hinaus. Die Qualität des Scores hätte zweifellos einer längeren Ausführung Stand gehalten, insbesondere wenn man Goldsmiths aktuellen Stil und orchestrales Actionscoring mit elektronischen Beigaben, so wie vom Komponisten gefertigt, gerne mag. Eigentlich geben die 31 Minuten nicht genug her, damit sich die Musik wirklich und richtig zu entwickeln vermag.

2015 erschien im Varèse Sarabande Clubprogramm die lang ersehnte, 76 Minuten lange und hervorragende Edition von CHAIN REACTION.

Phil  |  1996

 

CHAIN REACTION

Jerry Goldsmith

Varèse Sarabande

31:00 | 8 Tracks