John Williams Film Score Monthly FSM Vol. 12 No. 19 64:12 Min. / 29 Tracks Limitiert auf 10'000 Stk.
Wahrscheinlich den nebst Family Plot mit am meisten Spannung erwartete John Williams hat FSM mit Black Sunday kürzlich herausgebracht. Es war der letzte Score, den Williams vor Star Warsschrieb, was dem Ganzen eine doch interessante Dimension verleiht. Wie im Booklet treffend beschrieben, wurde Williams fortan (wenigstens die nächsten paar Jährchen) mit Star Wars in irgend einer Weise in Verbindung gebracht.
Black Sunday ist ein Thriller über die Plaung und Ausführung eines Terroranschlags während des Finalspiels der NFL, der Super Bowl, an der die Organisation Schwarzer Sonntag zehntausende Menschen mittels eines in einem Luftschiff versteckten Sprengsatzes umbringen will. Den Terroristen gegenüber steht ein Mossadagent, gespielt von Robert Shaw, der der Organisation auf der Spur ist. Inszeniert wurde der nicht ganz unumstrittene, aber in der heutigen Zeit von Paranoia und weltweiter Terrorangst durchaus aktuelle Film von John Frankenheimer. Neben Shaw spielen u.a. die damals hoch im Kurs stehende Marthe Keller und Bruce Dern. Die Novelle stammt von Thomas Harris, der später die Hannibal-Reihe schuf.
Es dürfte demnach klar sein, dass hier kein melodisch gestricktes Williams-Werk auf den Hörer zukommt. Black Sunday ist ein todernster, nicht leicht verdaulicher und brodelnder Score, zu vergleichen mit einem Jaws in der Verwendung seines „Gefahrenmotivs“ (das Williams in mal mehr, mal weniger unterschwelliger Art und Weise in Frankenheimers Film ausführt) und hinsichtlich seiner Ernsthaftigkeit und dem erwähnten Brodeln zeitweilig auch an Sleepers mahnend. Hier sei gleich die Einschränkung zugefügt, dass die Macher so einiges von Williams’ Musik im fertigen Produkt noch hin- und herschoben und dem Komponisten den Touch Menschlichkeit (den der Film nicht zuletzt in der Terroristengruppe auch durchaus portiert) schlussendlich noch eingeschränkter zugestanden haben (The End) als es Williams eh schon in aller Knappheit auszuführen vorsah.
Eröffnet wird Black Sunday mit dem kurzen, im Film nicht verwendeten Stück Beirut, das den ersten Teil des Terroristenmotivs einführt (und mich, nur in diesem Track wohlverstanden, lustigerweise in seiner Art an ältere Columbo Folgen erinnert…). Weitere Reminszenzen finden sich im Suspensetrack Commando Raid, dessen kurze Ausbrüche, staccati und Streicher-/Bläser-/Perkussionskombinationen Williams’ viel spätere Jurassic ParkMusiken heraufbeschwören. Commando Raid ist ein fantastisches Stück, dessen lebhafte Passagen auch in folgenden Actiontracks, u.a. Speed Boat Chase, zu hören sind.
Erst ist in Track 7, Nurse Dahlia/Kabakov’s Card/The Hyperdermic, wird das Terroristenmotiv wieder aufgenommen und zum ersten Mal in seiner Gänze gespielt (Klavier, Marimba, Timpani, Bassflöte). Die Autoren der lobenswerten Liner Notes notieren für dieses Motiv gar die Verwendung der ersten vier Noten von „Dies Irae“, was mir zugegebenermassen nicht aufgefallen wäre – diese Assoziation mit Black Sunday hatte ich aber auch gar nie im Kopf. Kraftvoll vom Blech begleitet ist das Motiv in Building the Bomb und in einer höchst interessanten Variation mit Holzbläsern in Miami/Dahlia’s Call zu hören.
Das nur wenig verwendete Liebesthema für Dahlia (Keller) und (Dern) erfährt in The Last Night seine eingehendste, zugleich eine bedrückende Ausführung. Und dann noch ein Erinnerungswert: Williams-Kennern wird bei Prepariations sicher sofort der nur wenig später entstandene Close Encounters of the Third Kind in den Sinn kommen, wo er dieses Stück in fast gleicher Weise verarbeitet.
Im letzten Drittel steigert Williams die Intensität mit kraftvolleren, energischeren Instrumentierungen und höheren Tempi, Auszeiten werden jetzt kaum mehr genommen. Die Dramatik nimmt zu (Airborne/Bomb Passes Stadium, The Blimp and the Bomb), die Spannungsschraube wird nochmals angezogen (The Take Off) bishin zum finalen Showdown Air Chase 1, 2 & 3/The Blimp Hits und The Explosion.
In The End wird das Thema für den von Robert Shaw gespielten Charakter ausführlich präsentiert. Nobel und elegisch von einer Solotrompete intonert, für die Schlusstitel mit Schlagzeug aufgepeppt und über dem Terroristen-Motiv spielend. Jeweils nur kurz war es zuvor zu vernehmen, eingewoben etwa in The Air Chase Part 2 (gut hinhören) oder The Take Off.
The End wurde im Film schliesslich nicht verwendet und durch ein aus anderen Teilen des Scores zusammengesetztes Stück, auf der CD unter „Alternate and Source Music“ in Track 29 The Explosion/End Titles zu finden, ersetzt. Dieses Stück beginnt mit Shaws’ Thema als kraftvolle (typische Williams) Fanfare.
Black Sunday erfordert durchaus aufmerksames Zuhören, es ist kein Score, den man einfach mal so nebenbei laufen lassen kann, so würden Feinheiten, Spielereien und die Ausgefeiltheit, die Williams’ Arbeiten aus jener Phase immer wieder ausgezeichnet haben, verloren gehen. Und so, wenn man sich dieser Musik also etwas intensiver widmet, erhält man einen fantastischen Thriller- und Actionscore von handwerklich allerfeinster Machart, einer höchst produktiven Phase des Komponisten entstammend: Family Plot, Midway, Missouri Breaks, Star Wars, Close Encounters of the Third Kind, The Fury, Superman – The Movie, Jaws 2 und eben Black Sunday entstanden alle zwischen 1976 und 1978!
Phil, 5.3.2010
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