Alles Geld der Welt wurde einmal von einer Bank gegen Zinsen herausgegeben. Aber wo ist das Geld um die Zinsen zu bezahlen? Dazu müssen wieder neue Schulden gemacht werden, die wiederum die Zinslast erhöhen. Man muss kein Mathematiker sein um zu erkennen, das sich Geldschulden exponentiell auftürmen und irgendwann zum Kollaps führen.
Eine solche Geschichte wollte Tom Tykwer erzählen, aber statt selbst zu recherchieren, hat sich der Regisseur leider auf seinen Drehbuchschreiber Eric Singer verlassen. Die Filmhandlung ist beliebig austauschbar: Die im Film genannte Bank IBBC könnte genauso gut ein Pharmakartell, die Tabakindustrie oder ein Medienimperium sein. Der Film hat die Chance eine Botschaft zu vermitteln verspielt.
Soweit zur Handlung. Für die Musik zuständig waren neben Tom Tykwer auch Reinhold Heil und Johnny Klimek. Die Komposition fällt insgesamt sphärisch aus – die Komponisten legen den Schwerpunkt auf Suspense und schlanke Stakkato-Rhythmen.
Wenn man sich intensiver mit dem Scoring beschäftigt, steht man vor der Aufgabe, die mangelnde Eingängigkeit durch das Fehlen eines dominanten Hauptthemas einerseits, und die zur Handlung merklich präzise Verwobenheit simpelster Effekte andererseits abzuwägen.
Dieser Minimalismus gepaart mit exaktem Timing verhelfen der Musik zur Spannung. Suspensegewaber und Synthigepolter dauern nie länger als unbedingt nötig. Die Musik ist gänzlich fokussiert auf die Fassungslosigkeit des Interpol Ermittlers. Dieser weiß um die Betrügereien der Finanzelite, kann die Ursache aber weitestgehend weder artikulieren noch verstehen. Diese Hilflosigkeit ist Monotonie. Die Musik begeht nun nicht den Fehler einfältig zu sein, vielmehr gelingt es, die schon erwähnte sparsame Rhythmik und den insgesamt auf ein wesentliches reduzierten Aufbau durch passable Klangspielereien (Dauer, Echo, wechselnde Instrumente und Tonart) zu variieren. Die Musik gestaltet sich also auf abwechslungsreiche Weise „monoton“ und vermittelt so die innere Verfassung des Interpol Ermittlers.
Die Komposition fällt konzeptionell anspruchslos, aber arbeitsintensiv aus und verlangt durch fehlende Eingängigkeit Einhörarbeit und Genre-Verliebtheit seitens des Hörers. Ein Pluspunkt ist übrigens die Authentizität. Als Hörer hat man nie das Gefühl eines Déjà-vus. In diesem Thriller steckt merklich viel Ehrgeiz. Fazit: Ambitioniertes Projekt, das schnell wieder in der Versenkung verschwunden ist. Nicht so die Musik. Die nervöse Klaviermotivik hat Wiedererkennungswert und findet sich bis heute in diversen Dokumentationen zum Thema Bankenskandal wieder.
Oliver, 26.6.2020
THE INTERNATIONAL
Reinhold Heil, Johnny Klimek und Tom Tykwer
Varèse Sarabande
60:22 Min.
21 Tracks