The Tiger who came to Tea

Just zu Weihnachten, am 24. Dezember 2019, feierte THE TIGER WHO CAME TO TEA (2019) seine TV-Premiere auf Channel 4. Der 23-minütige Animationsfilm basiert auf dem weltberühmten gleichnamigen Kinderbuch von Judith Kerr. Kerr selbst war an der Filmproduktion anfänglich noch beteiligt, ist im Mai 2019 im Alter von 95 Jahren dann jedoch vor Produktionsabschluss verstorben. Der Animationsfilm von Regisseur Robin Shaw behandelt die literarische Vorlage mit viel Bedacht, wobei die Animation selbst jener im Buch dermassen ähnlich sieht, dass man tatsächlich meinen könnte, das Buch sei «zum Leben erwacht». Die britische Online-Zeitung «The Independent» bewertete die Verfilmung mit «23 Minuten und 17 Sekunden voll ungetrübter Freude». Und dies kann man auch über die Filmmusik aus der Feder von David Arnold sagen. Klein aber fein, wenn man in der Stimmung für verspielte Musik ist.

Mit dem Namen David Arnold werde ich stehts epische Filmmusik wie jene für STARGATE (1994), INDEPENDENCE DAY (1996) und GODZILLA (1998) sowie knackige JAMES BOND-Action (1997–2008) verbinden. Daran hat sich auch in den letzten Jahren nichts geändert, obwohl Arnold zusammen mit Michael Price auch viele andere Musikfacetten für TV-Produktionen wie SHELROCK (2010–2017) und DRACULA (2020) sowie im Alleingang für GOOD OMENS (2019) sowie auch frühere, wenn auch weniger ikonische Kinofilme präsentiert hat. Und hieran wird auch seine Arbeit für den TV-Animationsfilm THE TIGER WHO CAME TO TEA nichts ändern können. Doch sind diese Werke deswegen nicht minder beachtenswert, denn sie zeigen gekonnt eine ganz andere Seite dieses vielfältigen Komponisten. Wenn David Arnold im Booklet-Text zu TIGER selbst schreibt, dass er nicht zweifelsfrei ergründen könne, «woher diese musikalische Verspieltheit in ihm rühre», bringt das die Überraschung vieler Hörer wohl auf den Punkt. Nie hätte ich diese TIGER-Musik dem Schaffen David Arnolds zugeordnet. Sprich, hier erklingen natürlich keine Arnold-Stilismen epischer Orchestermusik, sondern ein witziges, lüpfiges, verspieltes Kinderbuch-Musikporträt, aufgenommen mit einem 25-köpfigen Orchester. Arnold selbst hat Perkussionseinlagen sowie E-Bass- und Gitarren-Soli gespielt. Eine Kundenrezension im Internet umschreibt dieses Album sehr treffend: «…such happy, upbeat music. If you want happiness on a cd get this!»

Das kurze Album besteht aus 21 ebenso kurzen Stücken, doch viele Stücke fliessen ohne Pause ineinander, womit das Hören des Albums glücklicherweise nicht störend oft von Pausen unterbrochen wird. Auch ist der musikalische Stil sehr kohärent. Selbst der Song «Hey Tiger!», gesungen von Robbie Williams fügt sich erstaunlich gut ins musikalische Gesamtbild ein. Sicherlich deshalb, weil die Song-Melodie auf einem der Hauptthemen von Arnolds Score basiert und Arnold selbst den Song geschrieben hat (mit einem Song-Text von Don Black). Die zwei Hauptthemen der TIGER-Musik werden in den ersten zwei Stücken «Opening» und «Into the House» präsentiert. Dabei spielen gut gelauntes Pfeifen, grooviges Gitarren- und fröhliches Klavierspiel mit funky-jazzigem Unterton zu den charakterisierenden Merkmalen dieser Musik.

Fazit: THE TIGER WHO CAME TO TEA ist eine aussergewöhnliche David Arnold Filmmusik geworden. Mit ihr bewegt sich Arnold fernab seiner bekanntesten Arbeiten für die JAMES BOND-Franchise und seiner epischen Actionmusik mit Gänsehaut-Garantie. Persönlich würde mich eine Rückkehr von Arnold ins Actionkino mit Orchesterpomp und Chor-Power mehr freuen. Doch diese kleine, vor Charme sprühende Musik vermag – wenn in der richtigen Stimmung – ebenfalls zu entzücken und mit ihr demonstriert Arnold gekonnt eine bisher unbekannte Seite seines musikalischen Könnens. Das einzig erschreckende an diesem Album ist das Porträtbild von Robbie Williams auf Seite 6 im Booklet – sichtlich gealtert, mit Love-Tattoo auf den Fingern und Teetässchen in der Hand; irgendwie creepy…

Basil, 27.5.2020

THE TIGER WHO CAME TO TEA

David Arnold

Sony Music

21:55 Min.
21 Tracks