ROOSTER COGBURN
Elmer Bernstein, Varèse Sarabande Club
In einer seiner letzten Rollen spielt John Wayne zum zweiten Mal (nach TRUE GRIT) Marshal Rooster Cogburn, der sich dieses Mal mit Katherine Hepburn auf die Suche nach einer Verbrecherbande macht. Nicht Elmer Bernstein, wie man es gewohnt wäre, war für die Musik für diesen Spätwestern zuständig, sondern Laurence Rosenthal, der zu jener Zeit hauptsächlich Scores fürs Fernsehen schrieb (THE RETURN OF A MAN CALLED HORSE und dieser Western bildeten Ausnahmen). Eröffnet wird die CD mit dem herrlich eingängigen, unverhohlen Westernfeeling und Americana versprühenden «Rooster Cogburn – Main Title». Dieses typische Genrethema (mit Trompete und Gitarre oder mal von den Holzbläsern intoniert) greift Rosenthal da und dort auf und es bildet auch die Grundlage für die spezielle Beziehung zwischen Cogburn und Eula (Hepburn). Der Score hält einige Spannungs-, aber auch den ein und anderen augenzwinkernden Track bereit. Eine umwerfend toll gemachte Musik, die hier ihre willkommene Weltpremiere auf Tonträger feiert. Schade ist das Booklet so knapp ausgefallen.
Phil
THE CROWN – SEASON 3
Martin Phipps, Sony Music
Netflix’ THE CROWN geht in die dritte Runde – dieses Mal mit der vielgepriesenen Olivia Coleman in der Titelrolle. Während die Serie viel Kritikerlob erhalten hat und auch weiterhin hoch in der Publikums- und Kritikergunst steht, konnte bis anhin in Bezug auf die Musik nicht viel Aufregendes ausgemacht werden. Zwar zeichneten für die SEASON 1 (2016) mit Hans Zimmer für die Titelmelodie und Rupert Gregson-Williams für den Rest der Musik zwei bekannte Namen verantwortlich, doch das Ergebnis blieb enttäuschend anonym. Auch die Musik zur zweiten Staffel (2017) – dieses Mal erhielt Gregson-Williams von Lorne Balfe Unterstützung – hinterliess keinen bleibenden Eindruck. Für die SEASON 3 übernahm nun Martin Phipps und ihm gelang eine wirklich berührende, eindrückliche und schön anzuhörende Filmmusik – wohl seine bis dato überzeugendste Arbeit.
Phipps erhielt die Möglichkeit, mit dem Chamber Orchestra of London und mit dem Crouch End Chorus zusammenzuarbeiten. Seine Musik trieft vor Melancholie und Schwermut, jedoch auch verhaltene Noblesse. Die langen, ruhigen aber standhaften Hornklänge und auch die zwar ruhigen, aber im Kern anmutigen Chorpassagen ergeben zusammen eine Filmmusik mit Gravitas – «Pomp and Circumstances» sucht man hier vergeblich, aber die Musik transportiert ein Gefühl von «beschlagener», verblichener Monarchie, das unter die Haut geht. Unaufgeregt und stellenweise mit Synthi-Pulsieren auch mit ein/zwei Durchhängern, doch bei einer Albumlänge von knapp 50 Minuten fällt dies nicht allzu sehr ins Gewicht.
Phipps hat in einem Interview gesagt, dass die SEASON 3 zwar in einem sehr bewegten Umfeld spiele, doch mit seiner Musik wollte er ausschliesslich auf die Gefühlswelt von Queen Elizabeth II fokussieren. Dies ist ihm gut gelungen und besonders das Stück «Aberfan» ist ein eindrückliches Highlight. Bleibt zu hoffen, dass Phipps für die weiteren Staffeln als Komponist beibehalten wird.
Basil
MINORITY REPORT
John Williams
103 Minuten Score bietet dieses La-La Land Doppelalbum. Das sind satte 30 Minuten Musik zusätzlich gegenüber der Dreamworks CD von 2002. Steven Spielbergs zweiter Science Fiction-Film in Folge (2001 entstand A.I. ARTIFICIAL INTELLIGENCE) über eine Polizeiorganisation, die Morde verhindern soll, ehe sie passieren, entstand in einer der produktivsten Phasen des Regisseurs, in der sechs Filme innerhalb von fünf Jahren auf die Leinwand kamen. Tom Cruise spielt hier in seinem ersten von insgesamt zwei Spielberg Filmen (WAR OF THE WORLDS). Mit an des Regisseurs Seite war natürlich auch John Williams, der hier viel Action zu bearbeiten hatte und zusätzlich ein Motiv für die Pre-Crime-Organisation, ein melancholisches Thema für Cruises verschwundenen Sohn Sean und ein Motiv für Agatha, eine der drei Precogs, die die Verbrechen vorauszuahnen im Stande sind, komponiert hat. Nebst dem abwechslungsreichen Score enthält die zweite CD knapp 20 Minuten Bonusmaterial, dazu kommt ein 24 Seiten Booklet mit Liner Notes. Wieder eine tolle Mike Matessino Produktion und, sollte man die Musik noch nicht besitzen, ein Muss für die Spielberg/Williams-Sammlung, die es eigentlich Wert gewesen wäre, in einer normalen Rezension behandelt zu werden.
Phil
BEYOND RANGOON
Hans Zimmer, Milan
Spannende Musik zum Entspannen präsentiert Hans Zimmer mit seiner Komposition zu John Boormans Film BEYOND RANGOON (1995).
Der Score verzaubert in Gänze mit Ethno-Klängen; so kommen Ethno-Pipes (die ähnlich der Pan-Flöte sind), Glockenspiel (Marimba) und ein Frauenstimmen-Solo immer wieder zum Einsatz. Dieses Arrangement eröffnet auch das Album mit «Waters Of Irrawaddy». Hier unterhält der Score den Hörer mit einem wunderschönen Hauptthema, das sich durch die gesamte Komposition zieht. Dieses Thema wird in Folge variiert und durch Seitenthemen ergänzt.
In Action-Passagen («I Dreamt I Woke Up»,»Village Under Siege») tritt das Orchester hervor, das sich in den ruhigeren Momenten dezent im Hintergrund hält. Mit Bläser-unisoni, einem kompletten Streicher-Ensemble (einschließlich Bratschen und Kontrabässen) und diversen Synthi-Samples al á Media Ventures sorgt Zimmer für Action, die aber nie störend wirkt.
BEAYOND RANGOON ist eine Filmmusik aus Hans Zimmers Glanzzeit: packende Musik mit viel Gefühl und Einfallsreichtum. Man sollte beim erstmaligen Hören genug Zeit mitbringen, da diese Komposition den Hörer so schnell nicht wieder loslässt. Erwähnenswert ist noch der Booklet-Text, welcher die musikalische Karriere von Zimmer kurz skizziert.
Letztlich ist BEYOND RANGOON an der Kinokasse gefloppt. An der Musik kann das allerdings nicht gelegen haben. Dieses Album ist ein Muss für jeden Filmmusik-Liebhaber.
Oliver
THE STAND
W.G. Snuffy Walden, Varèse Sarabande Club
Ein weiteres Album der Stephen King Box (2017) erfährt nach DREAMCATCHER (James Newton Howard) mit THE STAND eine Einzelveröffentlichung. Die vierteilige Miniseries entstand 1994 mit Gary Sinise, Rob Lowe, Molly Ringwald und Miguel Ferrer und erzählt von den Konflikten nach einem Pandemieausbruch, der die Hälfte der Menschheit dahinrafft (durchaus aktuell heute, das Thema). Stephen King, als Executive Producer mit gewichtigen Argumenten, bestand darauf, dass W.G. Snuffy Walden, Musiker und Komponist mit hauptsächlich TV-Engagements, für die Musik sorgen würde. Umso mehr verwundert es wie leise sein Score in den vier Teilen schliesslich abgemischt wurde. Die Club Doppel-CD besteht aus dem 94er Soundtrack Album (CD 1, ebenfalls damals Varèse) und 17 zusätzlichen Tracks auf CD 2. Der chronologische Ablauf wurde somit leider auseinandergerissen. Waldens Musik ist eine Mischung aus Bluegrass mit Slidegitarre, Bluesrockelementen mit E-Gitarren, Bass, E-Schlagzeug, Synthesizer (Synclavier), Stimmen sowie Soloinstrumenten aus dem Holzbläserregister und einer kleineren Orchesterbesetzung (Streicher, Hörner), dirigiert von Don Davis (MATRIX), der auch für die Orchestrationen besorgt war. Dieser spezielle Stil wird nicht jedem zusagen und ist möglicherweise eher für Fans der Miniseries oder King-Sammler reizvoll, Waldens Musik ist jedoch durchaus gut anhörbar. Limitiert ist die CD auf 1000 Stück.
Phil
VIKINGS – SEASON 6
Trevor Morris, Sony Music
Mit der sechsten Staffel findet die TV-Serie VIKINGS (2013–2020) nach knapp 90 Folgen ihren Abschluss. Hierzulande warf diese Serie zugegebenermassen keine allzu grossen Wellen. Umso erstaunlicher die Tatsache, dass von Komponist Trevor Morris bei Sony Music vier Soundtrack-Alben physisch erschienen sind – jene zu den Staffeln 1 bis 3 und nun noch die Musik zum Finale. Für die Staffeln 4 und 5 gibt es seit dem 27. Dezember 2019 umfassende Digital-Only-Alben.
Die Musik von Trevor Morris war seit Beginn der Serie überwiegend kühl, kantig und rau. Sie liess einem die harte Wikinger-Welt und das garstige Wetter regelrecht spüren, womit sie im Kontext der Bilder sehr effektiv ist. Auf seinen Social Media-Kanälen konnte man über Jahre hinweg lesen, wie sehr Morris Tag und Nacht an der Musik für VIKINGS gearbeitet hat. Dabei liess er durchblicken, dass hier viel Herzblut drinsteckt. Der gewählte Musikstil macht es dem Hörer jedoch nicht leicht. Einprägsame Themen und dramatische Melodiebögen sucht man vergebens. Zudem herrschen elektronische Klänge vor. An dieser Ausrichtung hat sich über die Jahre nicht viel verändert, womit die Musik abseits der Bilder auch auf dem jüngsten 66-minütigen Album eher fordernd anzuhören ist. Für die Musik zur 6. Staffel hatte Morris, wie dem Booklet entnommen werden kann, noch das SinfoniaNord-Orchester aus Akureyri (Island) zur Verfügung. Die daraus resultierenden orchestralen Momente nimmt man dankbar zur Kenntnis – beispielsweise die melancholischen Stücke «Lagertha’s Funeral» und «Hvitserk Remembers» –, doch dominieren weiterhin atmosphärische Stücke, womit auch das Hören des jüngsten Albums für die meisten eher eine Geduldsprobe sein dürfte. Damit bleibt die Filmmusik für VIKINGS auch mit der sechsten Staffel wohl nur für die Fans der TV-Serie interessant.
Basil
6 UNDERGROUND
Lorne Balfe, Milan Records
Ein wirklich packender Spielfilm war aus der Netflix Produktionsschmiede nicht zu erwarten. Und so hatte zwar Michael Bay die Oberhand bei 6 UNDERGROUND, aber mehr als ein schlaffer Actioner ist dabei nicht herausgekommen. Die um Krawall herum gestrickte Handlung ist ungefähr so berauschend wie ein Bingo-Abend im Seniorenheim. Die Figuren sind blass gezeichnet, die Handlung aufgeblasen und nicht nachvollziehbar. Gewalt wird unnötig brutal dargestellt. Nichts gegen einen schön inszenierten Racheplot, aber hier ist eine Menge schiefgelaufen.
Das Scoring ist etwas erträglicher. Ein gelungenes Hauptthema hält den Hörer bei der Stange: Einerseits klingt es nach Mainstream, aber durch einen orientalischen Einschlag macht das Zuhören eine Weile Spaß. Der Komponist vermag mit diesem Thema herumzuspielen und es verschiedenen Stimmungen anzupassen. Kontrastiert wird es mit dissonantem Elektro-Pop, welcher bisweilen abschreckend ausfällt.
Fazit: Seelenloser Schinken. Die Musik ist thematisch brauchbar und sorgt immerhin dafür, dass man den Film nicht genervt abschaltet. Als reines Höralbum nur bedingt brauchbar.
Oliver
THOSE DARING YOUNG MEN IN THEIR JAUNTY JALOPIES
Ron Goodwin, Quartet Records (2 CDs)
Nach dem Erfolg des herrlichen THOSE MAGNIFICENT MEN IN THEIR FLYING MACHINES machte sich Regisseur Ken Annakin an eine Art Fortsetzung, dieses Mal steht ein Autorennen in den 20er Jahren angesiedelt auf dem Programm. Besetzt wurde der Film unter anderem mit Tony Curtis, der zuvor mit THE GREAT RACE ähnliches Territorium betrat (Annakins Film kann Ähnlichkeiten mit Blake Edwards umwerfender Klamotte nicht abstreiten), auch Gert Fröbe ist nach seiner «kurligen» Rolle in FLYING MACHINES wieder mit dabei, ebenso wie Ron Goodwin, der bereits den tollen Score für die fliegenden Maschinen schrieb und in der selben Zeit, in der JAUNTY JALOPIES erschien WHERE EAGLES DARE und BATTLE OF BRITAIN, zwei seiner bei Fans meistgeachteten Kompositionen schrieb. Die auf 1500 Stück limitierte Quartet CD enthält einmal das alte Album und aufgeteilt auf CD1 und CD2 den Filmscore (in mono), der aber nicht an den «Vorgänger» (und dessen unnachahmliches Hauptthema) herankommt, mehr mickey mousing und den auffallenden 20er Jahre Stil beinhaltet. Dazu kommt im Gegensatz zum alten Album der Titelsong ohne die Toneffekte aus, als Bonus. Durchaus eine spassige Sache, zu der man jedoch aufgelegt sein muss.
Phil
15.2.2020