Hätte mir vor 25 Jahren jemand erzählt, Filmmusikkonzerte würden auch bei uns hoffähig werden und zum guten Ton in sinfonischen Konzertsälen gehören, ich hätte ihn schlicht für verrückt erklärt. Damals musste man ins Ausland reisen um einem solchen Konzert beiwohnen zu können, meist war Grossbritannien das anvisierte Ziel.
Doch irren in dieser Beziehung tut man sich gerne, denn nicht nur touren und tourten kürzlich Filmmusiker wie Ennio Morricone, Hans Zimmer oder James Newton Howard durch alle Herren Länder, nein, heute werden ganze Filmmusiken zu den Filmen gespielt, denen sie ihre Musik liehen, etwas das gerade für uns Fans wesentlich interessanter sein dürfte als eine schlichte Aneinanderreihung von Höhepunkten, gerade wenn sie lieblos arrangiert wurden wie einst beim unglücklichen James Horner Konzert in Wien. Damit zum zweiten Punkt des Irrens: Filmmusik zu Filmen gespielt, das war ebenso vor 20 Jahren fast nur bei Stummfilmen ein Thema. Doch inzwischen gibt und gab es diese Art Konzerte zu RAIDERS OF THE LOST ARK, E.T. – THE EXTRA-TERRESTRIAL, HARRY POTTER AND THE PHILOSOPHER’S STONE (womit deutlich wird: John Williams hat einen besonderen Stein im Herzen von Fans und Organisatoren), aber auch ein HOW TO TRAIN A DRAGON oder THE HUNGER GAMES erfuhren vom City Light Orchestra jüngst eine solche Aufführung (auf dem Programm dieses Orchesters stehen in Kürze THE TERMINATOR und SKYFALL, durchaus eine spezielle Auswahl).
Meine Begeisterung für diese Art Konzerte wurde nicht zuletzt mit der im Januar stattfindenden STAR WARS: In CONCERT Reihe richtig geweckt. Erst jetzt? Ja, erst jetzt. Ich zweifelte ehrlicherweise ob das alles mit Film, Ton und den Synchpunkten, zu denen es beim George Lucas Film durchaus einige zu treffen gibt, wirklich hinhauen würde. Die Qualität des 21st Century Orchestra ist unbestritten, es zählt mitunter zum Besten was es derzeit in Sachen Filmmusikkonzerte zu hören gibt. Und so pilgerte ich zu STAR WARS – A NEW HOPE im Hallenstadion in Zürich, was bei mir abermals Zweifel aufkommen liess. Klappt das mit dem Klang in diesem riesigen Rund, das nicht wirklich für klassische Musik ausgelegt ist (es spielt hier etwa der ZSC seine Eishockeyspiele)? Aber einem geschenkten Gaul guckt man bekannter Weise nicht ins Maul. Ausserdem war das Arrangements mit den Starlounge Plätzen, die hoch droben über dem Grund «schweben» und einem leckeren Abendessen davor in eben diesen Logen äusserst verführerisch – zudem passt STARlounge doch bestens zu STAR WARS.
Doch zum Wesentlichen: Rund 5000 Zuschauer und -hörer versammelten sich im Hallenstadion als um 18:15 Uhr Ludwig Wicki vor seine Musiker trat, den Taktstock schwang und das 20th Century Fox Logo auf der riesigen Leinwand prangte. Spontaner Szenenapplaus nach Alfred Newmans Fanfare, dann Stille, «…in a galaxy far, far away» gefolgt von den schmetternden ersten Klängen von John Williams STAR WARS. Spätestens als Princess Leia’s Corellian Corvette erfolglos vor dem massiven Sternenzerstörer zu entkommen versuchte, war die Sache gegessen, die Suppe gelöffelt oder ganz einfach «auch dem Hintersten und Letzten» klar, dass hier ein ganz besonderes Ereignis stattfand. Ein 42 Jahre altes Science-Fiction-Märchen mit einer unbestritten genialen Musik in diesem Ambiente, oh ja, das funktionierte. Meine Bedenken wurden also schnell ausgeräumt, der Klang war vorzüglich, der Klangkörper sowieso und je mehr Wicki und das 21st Century Orchestra die vorgesehenen Stellen traf, umso mehr dürfte sich die zweifelnde Mundwinkelstellung zu einem breiten Grinsen auf meinem Gesicht verändert haben.
Dieses Konzert war ein wundervolles Erlebnis und ja, das ist es was ich eigentlich immer hören wollte, eine ganze Filmmusik live gespielt von einem Top-Orchester – und wenn dazu noch der Film lief umso schöner. Dennoch wanderten meine Augen immer wieder freudig zum Tun der Musikerinnen und Musiker, die an diesem Sonntagabend ihr Bestes gaben. Der Musik wurde gegenüber den Dialogen und Toneffekten übrigens ganz klar der Vorzug gegeben und so soll es ja auch sein. Hier ging es in erster Linie um die Musik.
Umrahmt wurde das Konzert mit motivierten, liebevoll eingekleideten Charakteren aus dem Star Wars Imperium, von A NEW HOPE bis CLONE WARS, fast alles war dabei. Dazu flippte und piepste fröhlich vor dem Konzert und in der Pause R2D2 herum, er war der Star bei den unzähligen Smartphone Bildern, die von ihm und mit ihm geschossen wurden. Schade war 3PO nicht dabei, doch wer möchte sich schon in dieses wohl unbequemste aller Kostüm zwängen (ausserdem sind Stormtrooper, Jediritter und Darth Vader bei den Cos-Playern eindeutig angesagter).
Wenn ich jetzt noch einen Wunsch äussern dürfte: Wie schön wäre es etwas aus dem Golden Age zu hören und zu sehen, ein BEN HUR von Miklós Rózsa etwa wäre ein absolutes Ereignis (aber wohl weniger publikumsfreundlich). Ich käme ohne Zögern auch zu einer Aufführung von STAR TREK-THE MOTION PICTURE (Jerry Goldsmith) oder, um wieder darauf zurückzukommen, bittebittebitte, John Williams und SUPERMAN-THE MOVIE. Ach ja, und THE EMPIRE STRIKE BACK muss natürlich auch in die Schweiz anstatt kommen, im nahen Ausland hat es mit dieser «Mutter alles Star Wars Musiken» bereits! Wow, würde ich dann sagen, wow!
Phil, 29.1.2019