James Horner – The Classics

Nachdem letztes Jahr das Album HANS ZIMMER – THE CLASSICS veröffentlicht wurde, legt derselbe Produzent, Chris Craker, nun mit JAMES HORNER – THE CLASSICS ein ähnliches Konzeptalbum nach. Dabei werden bekannte Melodien des Komponisten von renommierten Solistinnen und Solisten neu interpretiert. Im Falle von JAMES HORNER – THE CLASSICS wird der portraitierte Komponist leider posthum geehrt – mit Veröffentlichung im Monat August, in welchem James Horner (1953–2015) hätte seinen 65. Geburtstag feiern können. An diesem bedauerlichen Umstand liegt es dann eventuell auch, dass das Re-Interpretations-Konzept im Falle des vorliegenden Albums einen schalen Nachgeschmack hat, denn die selten wirklich gelungenen Re-Interpretationen lassen einem eher gerne zum Original zurückkehren, als dass man die hier gebotenen Hommagen mehrmals anhören möchte. Sich die Originalaufnahmen wieder anzuhören ist zwar eine schöne Sache, war wohl jedoch nicht die intendierte allfällige Reaktion auf das Album.

Ein grundlegendes Problem des vorliegenden Albums ist die meist irritierende Abmischung der Soloparts mit den Orchesteraufnahmen. Für dieses Album wurden die Aufnahmen mit dem Czech Philharmonic Orchestra und jene mit den Solisten scheinbar jeweils separat vorgenommen und dann zusammengefügt. Dabei greifen die beiden «Stimmen» leider kaum harmonisch ineinander. Oftmals scheint das Orchester im Hintergrund zu verschwinden, während die Soli dominant erklingen. Dass Soli auf der Aufnahme herausragen sollen, ist klar, doch hört man hier die «räumliche» Trennung – der unweigerliche Vergleich mit dem jeweiligen Original fällt dann überwiegend zugunsten von letzterem aus. Schön gelungen sind die Aufnahmen mit Solistin Tina Guo. Ihre Cello-Soli für «Theme from Cocoon» aus dem gleichnamigen 1980er-Jahre Streifen und «I See You» aus AVATAR (2009) sind mit viel Gefühl vorgetragen. Zwar erklingt auch hier das Orchester «weit im Hintergrund», aber die Cello-Soli an sich sind in Klang und Fülle ausreichend eigenständig. Unverzeihbar bleibt indessen, dass anlässlich der Albumveröffentlichung zum Stück «Theme from Cocoon» ein Musikvideo gedreht wurde, das punkte Optik und Stil untragbar esoterisch, bedeutungsschwanger und filmthematisch unpassend ausgefallen ist – eine sich in schalen Planschbecken lasziv räkelnde und dazwischen übertheatralisch aufspielende Tina Guo (hier geht’s zum Musikvideo: https://www.youtube.com/watch?v=owsRkFkcWss). Hat man das Video mal schauen müssen, ist die Hörfreude getrübt. Das klingt nun übertrieben frustriet, ist aber leider wirklich daneben.

Ebenfalls sind die Neuaufnahmen der «Main Titles» aus APOLLO 13 (1995) mit dem Trompetensolisten David Elton und der Klassiker «The Ludlows» aus LEGENDS OF THE FALL (1994) mit Violinensolo von Lindsey Stirling schön anzuhören. Hingegen gänzlich irritierend ausgefallen sind die Neueinspielungen von «Willow’s Theme» aus WILLOW (1988), «Jack’s First Flight» aus AVATAR (2009) und «Field of Dreams» aus dem gleichnamigen Film von 1989. Das Saxophon-Spiel von Amy Dickson passt zwar ordentlich zu «Somewhere Out There» aus AN AMERICAN TAIL (1986), doch als Lead für «Willow’s Theme» vermag es die Wucht des Originals nicht zu reflektieren oder interessant neu zu gestalten. Das liegt nicht am Spiel von Dickson an sich, sondern schlicht daran, dass man das Saxophon als Solo-Stimme keinesfalls mit «Willow’s Theme» in Verbindung bringen mag – hier hätte ein anderes Solo-Instrument wohl bessere Ergebnisse erzielen können. Dasselbe Problem ergibt sich mit den Piano Guys für «Jack’s First Flight». Hier ist das Original um Längen vielschichtiger, dass es «reduziert» auf den Piano-Lead (das Orchester ist auch hier weit im Hintergrund) viel an Magie und Kraft einbüsst. Bei FIELD OF DREAMS fehlt bei dieser Aufnahme die fragile Atmosphäre, die Intimität des Originals. Faktoren, die im Falle der Filmmusik für FIELD OF DREAMS eh am besten im Gesamtkontext des Albums zur Geltung kommen, statt ein einzelner Track «eingeklemmt» zwischen «I See You» und «Somewhere Out There». In dieser Konstellation vermag die Magie dieser Filmmusik sich schlicht nicht einzustellen. Man wird zwischen gänzlich verschiedenen Emotionen hin und her geworfen. Alexis Ffrenchs Solo für «Boys Playing Airplanes» aus THE BOY IN THE STRIPED PYJAMAS (2008) ist okay, wobei hier das Original schon vom Klavier angeführt war und sich hier mit der Neuinterpretation nicht wirklich eine neue, gelungene Sichtweise auf das Stück eröffnet (wie beispielsweise in der virtuosen Klavier-Solo-Darbietung von Khatia Buniatishvili von «The Battle» aus GLADIATOR (2000) auf dem Album HANS ZIMMER – THE CLASSICS; gewöhnungsbedürftig, klar, aber wirklich beeindruckend).

Abschliessend könnte man sich noch fragen, wieso Gesangsolisten, die in Horners Schaffen wiederholt sehr starke Parts innehatten, gänzlich fehlen – wohl aus kostentechnischen Gründen, was nachvollziehbar wäre. Aber dennoch: Soli beispielsweise von Sissel, Clara Sanabras – Künsterlinne, die mit James Horner zu Lebzeiten zusammengearbeitet haben – oder einem Knabenchor hätten das Spektrum effektvoll erweitern können. Statt einem «Briseis and Achilles» aus TROY (2004) – wirklich ein Klassiker von Horner? – hätte ein Stück aus GLORY (1989) oder der Song aus THE LAND BEFORE TIME (1988) berücksichtigt werden können.

Klar, ein Posthum-Tribute-Album zusammenzustellen, ist wohl immer eine grosse Herausforderung. Das Ergebnis würde es eh nie allen recht machen können. Doch im Falle von JAMES HORNER – THE CLASSICS ergeben sich einem dann doch zu viele Fragezeichen, als dass man das Album genüsslich mehrmals anhören möchte. Da legt man lieber wieder die unvergesslichen Originale in den CD-Spieler und schwelgt in deren Magie und Wohlklang.

Basil, 20.08.2018

JAMES HORNER – THE CLASSICS 

James Horner 

Sony Music 

64:12 Min.
14 Tracks