Beyond Borders

Review aus The Film Music Journal No. 31/32, 2004

Falls man, wegen fehlender Geduld, Nichtgefallen oder anderen Gründen, nach den ersten beiden Tracks die CD stoppt, verpasst man tatsächlich das Beste – oder zumindest etwa vom Originellsten das James Horner in den letzten Jahren geschrieben hat. Besonders das Segment «Cambodia I» bis «IV» (die CD ist in drei Segmente mit jeweils vier Tracks unterteilt) mit haufenweise elektronisch betonten, sphärischen und ruhigen Passagen rufen die 80er Jahre und die elektronischen Zeiten daraus, zurück: WHERE THE RIVER RUNS BLACK (1986) oder CLASS ACTION (1991). Besonders eindrücklich sind diese Momente, wenn Horner akustische Instrumente wie Klavier oder die Oboe leise mitschweben lässt. Zumeist tut er dies, wenn sein Siebennoten-Hauptthema Einlass findet – und nur in wenigen Passagen erhält das betont rücksichtsvoll gehandhabte Orchester seinen Alleingang oder es darf ein wortloser Kinderchor (Fragezeichen…) die Emotionen steigern.

Da die Segmente in «Ethiopia», «Camodia» und «Chechnya» unterteilt sind, liegt es auf der Hand, dass das Landeskolorit musikalischen beziehungsweise instrumentalischen Einfluss erhält, bedeutend aufdringlicher im ersten Segment. Überraschend ist in «Chechnya I» die Schwere eines sehr präsenten, rhythmischen Synthesizerklangs, mit dem sich wohl nicht ein jeder wird anfreunden können. Ohnehin ist BEYOND BORDERS (2003) eher eine Angelegenheit für mutigere Filmmusikgenossen mit dem kleinen Funken Hoffnung, Horner sei doch noch zu anderem fähig als nur zu grossen Dramen, Epen, musikalisch gerne etwas wulstig ausgestattet. Hach, und gerade, als einem dieser Gedanke durch den Kopf geht, schleudert er uns seine eingeübte Dramatik mit rollendem Klavier und Snares, wie es Stefan Schlegel einst bezeichnete, entgegen. Vermischt aber mit Synthesizer der unverhohlenen orchestralen Mächtigkeit. Hier bleibt also alles kurz beim Alten.

Dennoch, vor allem der mittlere Teil, «Cambodia», lässt verloren geglaubte Innovationen durchschimmern und den Horner im Horner von einst erklingen. Die eingebettete Robert Schumann Dreingabe («Chechnya I»), intoniert von Pianist Randy Kerber, legt sich relativ unauffällig in die Stimmung der Horner-Musik. Die dramaturgische Erklärung dazu wird aber wohl nur der Film selbst geben können.

Alles in allem ist hier eine fähige, neubelebte Musik aus Horners Fingern geflossen, die zweitweise Freude macht, aber dennoch kein Dauergast im CD-Player sein wird.

Phil  |  2004

 

BEYOND BORDERS

James Horner

Varèse Sarabende

55:23 Min. | 12 Tracks