Rezension aus The Film Music Journal No. 25, 2001
Das ganz grosse Ärgernis an dieser CD ist nicht etwa der vorher nicht veröffentlichte Teil, den JUDAS KISS (1998) einnimmt. Eigentlich durfte man sich auch die sogenannten Bonusstücke, die vollmundig mit «World Premiere Recordings» angekündigt wurden, so beispielsweise eine SPECIES- oder eine HELLRAISER-Suite freuen. Neueinspielungen, die noch nie in dieser Form zu hören waren (dass das wortwörtlich zu nehmen ist, war allerdings nicht zu erahnen). Zu diesen gesellte sich auch «End Title» aus COPYCAT (1995) und der Track «Helicopter Chase» aus dem 1986er Score zu GETTING EVEN (dieser Track klingt allzu sehr nach einem Stück aus Christopher Youngs Dokumentarfilmmusik U-BOATS: THE WOLFPACK (1987)). Alle diese genannten Tracks wurden eingespielt vom sogenannten Butler Symphony Orchestra, begleitet vom Butler University Choir. In den Liner Notes ist zu lesen, dass diese Einspielung anlässlich einer Halloween-Party stattfand. Wer also noch nie was vom Butler Sinfonieorchester gehört hat – und das ist locker 100% der Filmmusik-Gemeinde – der dürfte beim Hinweis mit der Party ein zweites Mal zusammengezuckt sein.
Betätigt man nun also mit zurecht zittrigem Finger die Play-Taste, um die HELLRAISER-Suite zu starten wird aus dem vorhergehenden Zusammenzucken ein leises Stöhnen und dem an erstklassige Einspielungen im Filmmusikbereich gewöhnten Hörer verschlägt es nebst Stimme ziemlich sicher auch die Brillengläser, während die Plomben ins Wackeln kommen. Ich fasse das Unglück in ein Wort… schrecklich! Ob die Einspielung nach oder während eines Trinkgelages oder wegen in hinderlichen Kostümen aufspielenden Musiker so ausgefallen ist, wie sie ist, darüber gibt es keine näheren Aufzeichnungen. Es spielt auch keine Rolle. Schnell, schnell den Mantel des Schweigens darüber und der Ratschlag sei erlaubt: Sollte man sich die CD wegen JUDAS KISS (1998) gekauft haben, unterlasse man bitte das Anhören der anderen Tracks.
Kümmern wir uns also kurz um den als Originaleinspielung enthaltenen Score zu diesem wenig bekannten Thriller mit Alan Rickman und Emma Thompson. Dafür versammelte Young eine «klassische» Jazzcombo, der er mit Hammond-Orgel und Ziehharmonika ein zusätzliches Flair verleiht, angereichert mit Soloinstrumenten wie einem Cello und einer Rumba-Dreingabe als Toping. Somit klingt der Eröffnungstrack (Track 1, Titel gibt es keine) wie eine südamerikanische Variante von David Shires THE TAKING OF PELHAM ONE TWO THREE (1974). JUDAS KISS vereint komödiantisches Feeling mit einem unterschwelligen Touch Film Noir, an den man aber, auch weil kein eigentliches Thema die Musik führt, höchstens, falls überhaupt, als Liebhaber jazziger Loungemusik (mit dramatischen Zuspitzungen) Gefallen finden könnte.
Phil, 2001 (keine Wertung für die neu eingespielten Stücke)
JUDAS KISS
Christopher Young
Citadel
68 Min.
19 Tracks