X-Men

Review aus The Film Music Journal No. 24, 2000

Als ich diese CD in Cincinnati während meines diesjährigen USA-Aufenthalts kaufte, sagte mir der Verkäufer, dass es sich bei dieser CD um den Score, also die orchestrale Musik handle. Natürlich wusste ich, was ich mir da gekauft hatte, doch ich war selbst etwas erstaunt, dass zu so einem coolen Film nicht der obligatorische «coole» Song- Soundtrack mit vielen «inspired by» Titeln erschienen ist. Nun, nachdem ich den Film gesehen hatte, war  mir klar, warum es nur diese CD gibt und sonst keine: Der Film ist von Bryan Singer (THE USUAL SUSPECTS, 1995), Punkt! Mit X-MEN (2000) hat Singer bewiesen, was für ein hervorragender, wenn nicht genialer Regisseur er ist. Obwohl es sich um die Verfilmung eines Comics handelt, schafft es Singer, sowohl der Story, als auch den Charakteren Leben einzuhauchen. Ich möchte hier nicht noch weitere Lobeshymnen für diesen Film ausbreiten, um es kurz zu machen, es ist die beste Verfilmung eines Comics und für mich einer der intelligentesten und besten Filme des Jahres.

Genauso intelligent, wie Singer die Materie angeht, verhält es sich mit der Musik. Michael Kamen war zwar nicht die erste Wahl für den Film, denn John Ottman, der bisher immer mit Bryan Singer zusammengearbeitet hat (sowohl als Komponist, als auch als Cutter) konnte wegen seines Regiedebüts URBAN LEGENDS FINAL CUT (2000) aus Zeitgründen nicht die Musik komponieren. Doch Kamen machte seine Sache routiniert gut. Für eine bombastische Comic-Verfilmung erwartet man sicher zuerst ein X-Men «Main Theme», wie etwa Danny Elfmans fantastisches BATMAN-Thema. Weit gefehlt! Sowohl der Film, als auch die CD beginnen nicht mit einem Hauptthema, sondern steigen gleich voll in die Handlung ein, die quasi als Vorgeschichte in einem Konzentrationslager beginnt (auf der CD «Death Camp») – es ist hinzuzufügen, dass man mit der Veröffentlichung der CD wieder einmal nicht warten konnte, bis die Musikaufnahmen beendet wurden. Das ist einer der dummen, aber gewichtigen Gründe wieso die beiden Titeltracks fehlen. Ich frage mich, ob das bei Popalben jemals geschehen würde: «Hey, wir haben sieben Songs, lass uns die CD doch jetzt rausbringen, ist doch egal…».

Erkennt man eigentlich, dass der Score von Michael Kamen ist? Nun, ich bin mir nicht sicher, ob Kamen einen ähnlichen Erkennungssound hat wie John Williams oder Jerry Goldsmith, doch in den hervorragenden Action-Cues auf dieser CD («Magneto’s Lair», «Magneto Stand Off» hört man schon etwas von Michael Kamens gutem Actiongespür und wer einen Vergleich zu einem früheren Werk sucht, der stößt unweigerlich auf DIE HARD (1988). Zugegeben: hat man den Film nicht gesehen, kommt einem die CD etwas orientierungslos vor und die Stücke wirken zusammenhanglos. Dies macht die CD daher auch als reines Hörerlebnis etwas problematisch. Im Film funktioniert die Musik hervorragend, auf der CD, na ja, es geht so. Aber schließlich sollte sich ja jeder diesen Film ansehen und daraufhin die CD kaufen.

2021 veröffentlichte La-La Land Records ein Doppelalbum mit 150 Minuten Musik.

Uwe  |  2000

X-MEN
Michael Kamen
Decca/Fox
40:23 | 12 Tracks