Witness

Maurice Jarre

Varèse Sarabande Digital 4005939472276

30 Min. / 8 Tracks

Interessanter Zeitpunkt, das Jahr 1985, im Verlauf von Harrison Fords unglaublicher Credit-Liste – die letzten fünf Filme vor WITNESS liessen kaum Wünsche übrig: INDIANA JONES AND THE TEMPLE OF DOOM, RETURN OF THE JEDI, BLADE RUNNER, RAIDERS OF THE LOST ARK, THE EMPIRE STRIKES BACK. Allesamt auch musikalische Leckerbissen.

Peter Weirs’ WITNESS stand für die Einführung der Marke „Harrison-Ford-Film“. Beim WITNESS-Tempo lief vieles anders als in den Jahren 1980 bis 1984. Wir hatten nun auch Indy-Pause – und es wirkte als würde Mr. Ford neues Terrain suchen. Beteiligt an zu Klassikern bestimmten Genre-Knallern, konnte Ford ausprobieren.

Detective John Book (Harrison Ford), ganz harter Hund, ermittelt im Mordfall eines Kollegen – einziger Zeuge ist der kleine Samuel (Lukas Haas), mit dem die Killer auf der Bahnhofstoilette in Baltimore nicht rechneten. Samuel und seine Mutter Rachel (Kelly McGillis), zugehörig ihrer Amish-Glaubensgemeinschaft, leben extrem Natur belassen, fast hinterweltlich, in frommer Bescheidenheit, abseits von Konsum und jeglicher Gewalt.

John Book’s Vorgesetzter Schaeffer (hängt tief mit drin: Josef Sommer) nimmt den kleinen Samuel ins Visier – das Kind muss sofort weg. Book (angeschossen) kann Rachel und Samuel nicht mehr vor Schaeffers korrupten Cops schützen. So fährt er die Zwei in die Abgeschiedenheit ihres Umfelds zurück. Die Schusswunde – Book bricht am Steuer zusammen, wird heilkundig von Amish-Ältesten tagelang auf der Farm gepflegt. Das Verhältnis zur züchtig erzogenen Rachel wird ernster – Book hat sich verliebt, sie sich auch.

Schaeffer lässt nichts unversucht (analoge Polizeirecherche wirkt heute recht aufwendig), um alle Mitwisser töten zu lassen. Das ferne Versteck ist enttarnt – im Kofferraum liegen Gewehre. Der Showdown, mal ein etwas Anderer.

Track 1, „Witness (Main Title) / Journey To Baltimore“, bebildert den Auftakt mit träumerischer Synthe-Verschwommenheit und Ruhe (Credits, Wind und Felder, die Trauergemeinde, das Amish-Dorf – Pennsylvania 1984, Zugfahrt in die Großstadt, Heißluftballon, Kinderaugen, Sonnenreflexion).

Track 2, „The Murder“, hässlich (wie der Mord in der Bahnhofstoilette, die Killer suchen Samuel).

Track 5, „Building The Barn“, Herzstück dieses Soundtracks, durch und durch gefälliges Synthe-Theme (Book hilft tatkräftig mit vielen Amish-Leuten, beim Scheunen-Rohbau, dazu: Die gute Limonade).

Track 6, „Book’s Sorrow“, kalt, hämmernd, lähmend, abruptes Ende.

Track 7, „Rachel And Book (Love Theme) / Beginning Of The End“, zunächst traurige Klangcollage (Book und Rachel wissen beim verzweifelten Kuss, dass sie keine Zukunft haben) / übergehend in hektisches Synthe-Gezerre (eingesetzt bei Samuels’ Lauf, um Hilfe zu holen und der finalen Getreide-Silo-Szene, wo Book die Killer unschöne Enden finden lässt).

Track 8, „The Amish Are Coming“, einmal mehr behutsame Klangcollage, inklusive rettendem Theme aus Track 5 und melancholischem Synthe-Tröpfeln – eben Jarre senior, wundervoll.

Kelly McGillis und Harrison Ford – das passte im Kino! Es ist leider der bislang einzige, gemeinsame Film. Typische Ford-Szenen inklusive (natürlich nicht ohne bis heute bewährten Fordschen Zeigefinger). Einer der Killer, McFee (Danny Glover), hat seine beste Szene als er auf dem Amish-Gehöft in Nutztierexkremente rein tritt und Stadtschuhe einsaut (mehr Wandlungsfähigkeit beweist Danny Glover zeitnah in Spielbergs THE COLOR PURPLE). Ganz nebenbei verzückt WITNESS mit einem frühen Leinwandauftritt des Viggo Mortensen – da sollte ja auch etwas folgen. Ford, Regisseur Peter Weir und Komponist Maurice Jarre gingen wenig später nochmals auf Reisen: MOSQUITO COAST.

Für DEAD POETS SOCIETY / DER CLUB DER TOTEN DICHTER arbeiteten Maurice Jarre und Peter Weir erneut zusammen – wer auch die Filmmusik dazu schätzt hat hier sicher Freude mit WITNESS. Der Franzose Jarre, als Komponist am Wirken seit spätem Golden Age, er verstarb 2009.

Booklet: Im S/W-Innenteil, der staunende Knirps Samuel bei seiner Zugfahrt „Richtung neue Welt“. Und, künstlerisch körnig, diese Kuss-Szene (aus Track 7). Rachel und Book lassen darin, selbst beim Still, erahnen, wie liebevoll ihre gemeinsame Zeit noch hätte werden können – und: Wie aussichtslos das real ist.

Manfred Schreiber, 18.08.2013

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